Fachwörter-Lexikon

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Reibung und Verschleiß – Tribologisches System

Das schematisch dargestellte tribologische System ist eine Abstrahierung, die letztlich auf jeden denkbaren Verschleißfall anwendbar ist. Der im Mittelpunkt der Betrachtung stehende Grundkörper befindet sich in Kontakt und Relativbewegung mit einem (festen, flüssigen oder gasförmigen) Gegenkörper. Das Beanspruchungskollektiv und hierbei insbesondere die aufgebrachte Belastung bestimmt im Zusammenspiel mit der Mikrogeometrie und dem Verformungsvermögen von Grund- und Gegenkörperwerkstoff die Kontaktbedingungen (d.h. die reale Kontaktfläche).

Zwischen den beiden Körpern befindet sich häufig ein Zwischenstoff. Dabei kann es sich beispielsweise um Luft, Wasser, Abrasivpartikel oder auch gezielt zur Verschleißminderung eingebrachte Schmierstoffe handeln. Der Zwischenstoff hat in Kombination mit dem Umgebungsmedium (häufig identisch mit dem Zwischenstoff) und der Temperatur des Systems entscheidenden Einfluss auf eventuell parallel auftretende korrosive Prozesse, die wiederum das Verschleißverhalten beeinflussen können. Die Festlegung der Systemgrenze entscheidet darüber, in welchem Umfang äußere Faktoren mit in die Verschleißbetrachtung einbezogen werden. So kann es für orientierende Untersuchungen im Labormaßstab sinnvoll sein, eine enge Systemgrenze zu ziehen, während für betriebsähnliche Versuche die Grenze hinreichend weit gefasst sein sollte, um alle potentiellen Einflüsse realitätsnah abbilden zu können. Diese Ausführungen verdeutlichen, dass die Verschleißbeständigkeit eines Werkstoffs nur in Bezug auf den konkreten Anwendungsfall und unter Berücksichtigung aller Systembestandteile bewertet werden kann. Kein Werkstoff ist per se verschleißbeständig.

Wie Abbildung 3 zu entnehmen ist, umfasst das auf Grund- und Gegenkörper wirkende Beanspruchungskollektiv zahlreiche, höchst unterschiedliche Einzelfaktoren, die jedoch alle miteinander verknüpft sind. So ergeben sich die in der Grenzfläche wirkenden Belastungen (Kräfte und Momente) unmittelbar aus den Bewegungsverhältnissen und dem Reibungszustand. Ausgehend von einem festen Gegenkörper werden vier Grundformen der Kinematik von Festkörpern unterschieden (Abb. 4). Das Gleiten ist charakterisiert durch eine Translation in der Kontaktfläche (Pendant für flüssigen oder gasförmigen Gegenkörper: Strömen), während beim Rollen eine Rotation um eine parallel zur Kontaktfläche orientierte Momentanachse stattfindet. Beim Bohren hingegen rotiert der Gegenkörper senkrecht zur Grenzfläche. Ein intermittierender Kontakt senkrecht zur Kontaktfläche wird als Stoßen oder Prallen bezeichnet [2]. Reale Verschleißfälle sind häufig durch eine Kombination dieser elementaren Bewegungsformen gekennzeichnet. So besitzen zum Beispiel Rollbewegungen fast immer mikroskopische oder makroskopische Gleitanteile, so dass stattdessen der Begriff Wälzen verwendet wird.

Abb. 3: Tribologisches System (in Anlehnung an die zurückgezogene DIN 50320)

 

Abb. 4: Elementarformen der Kinematik von Festkörpern: a) Gleiten, b) Rollen (Wälzen), c) Bohren, d) Stoßen/Prallen

 

Bezüglich des Reibungszustandes wird zwischen drei Grundarten unterschieden. Festkörperreibung bezeichnet die Reibung zwischen zwei, in unmittelbarem Kontakt stehenden festen Körpern (sind die Oberflächen der Reibpartner hierbei mit einem molekularen Grenzschichtfilm bedeckt, ist auch der Begriff Grenzschichtreibung üblich) [2]. Sind Grund- und Gegenkörper durch einen flüssigen Film lückenlos voneinander getrennt, liegt Flüssigkeitsreibung vor (bzw. Gasreibung bei einem gasförmigen Film). Trennt der flüssige Film die Reibpartner nur teilweise, so dass noch Bereiche mit Festkörperreibung vorhanden sind, handelt es sich um Mischreibung [2]. Im praktischen Einsatzfall wie zum Beispiel in Wälzlagern wird üblicherweise die Flüssigkeitsreibung angestrebt. Realisiert wird dies mithilfe von Flüssigschmierstoffen. Der Begriff Schmierung bezeichnet folgerichtig die Verringerung von Reibung und Verschleiß zwischen zwei sich relativ zueinander bewegenden Reibpartnern [6]. 

Literatur

[2] H. Czichos, K.-H. Habig: Tribologie -Handbuch – Tribometrie, Tribomaterialien, Tribotechnik. 3. Aufl., Wiesbaden: Vieweg + Teubner, 2010. – ISBN 978-3-8348-0017-6

[6] V.L. Popov: Kontaktmechanik und Reibung – Von der Nanotribologie bis zur Erdbebendynamik. 3. Aufl., Berlin Heidelberg: Springer Vieweg, 2015. – ISBN 978-3-662-45974-4

Autoren dieses Artikels:

Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Thomas Lampke, Technische Universität Chemnitz, Institut für Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnik

Dipl.-Ing. Rico Drehmann, Technische Universität Chemnitz, Institut für Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnik 

Stahl, Einteilung nach dem Verwendungszweck

Stähle können nach verschiedenen Gesichtspunkten eingeteilt werden. Die wichtigsten Einteilungsmöglichkeiten erfolgen nach den Hauptgüteklassen (DIN EN 10020) in unlegierte Stähle (unlegierte Qualitäts- und Edelstähle), nieder legierte Stähle (legierte Qualitäts- und Edelstähle) und hochlegierte Stähle (z. B. nichtrostende Stähle). In Bezug auf die Güteklassen Grund-, Qualitäts- und Edelstähle spielen die Anforderungen an ihre Gebrauchseigenschaften eine entscheidende Rolle.
Bei den Grund- oder Massenstähle können deren Festigkeitseigenschaften nicht durch eine Wärmebehandlung sichergestellt werden. Das Bezeichnungssystem nach DIN EN 10027-1 verwendet ein Hauptsymbol zur Bestimmung des Verwendungszwecks und die Angabe der Mindestfestigkeit (z. B. Streckgrenze).

Reibung und Verschleiß – Überblick –

Technische Oberflächen erfüllen zahlreiche wichtige Funktionen wie zum Beispiel Korrosionsbeständigkeit, Wärmeisolation, Benetzbarkeit, Biokompatibilität, dekorative und optische Funktionen (Reflexion, Absorption), elektrische Leitfähigkeit/Isolation sowie häufig auch eine möglichst hohe Beständigkeit gegenüber Verschleißangriffen. Wie folgend näher beschrieben werden wird, kann Verschleiß diverse Ursachen haben und sich in verschiedenen Erscheinungsformen äußern. Fortschreitender Verschleiß führt in der Regel zur Beeinträchtigung der Funktion eines Bauteils und ist deshalb grundsätzlich unerwünscht.

Die volkswirtschaftliche Bedeutung von verschleißbedingten Schäden ist enorm. Das Bundesministerium für Forschung und Technologie schätzte in einem 1983 veröffentlichten Report [1], dass den Industrienationen durch Verschleiß jährliche Verluste in Höhe von etwa 4,5 % des Bruttonationaleinkommens (BNE) entstehen. Auch in neueren Publikationen [2, 3] werden ähnliche Zahlen genannt, so dass davon ausgegangen werden kann, dass der prozentuale Anteil bis heute in etwa gleich geblieben ist. Abbildung 1 verdeutlicht am Beispiel Deutschlands anhand aktueller Wirtschaftsdaten den zahlenmäßigen Umfang der durch Verschleiß hervorgerufenen Schäden. Interessanterweise gehen Schätzungen davon aus, dass etwa 20 % bis 30 % dieses Betrages allein durch die konsequente Umsetzung des bereits vorhandenen Wissens zum Verschleißschutz eingespart werden könnten [4]. Dies entspricht einem jährlichen Einsparpotential von ca. 35 Mrd. € (Abb. 2).

Abb. 1: Jährlich in Deutschland durch Verschleiß hervorgerufene volkswirtschaftliche Schäden

 

Abb. 2: Geschätztes jährliches Einsparpotential

 

Neben der immensen wirtschaftlichen Bedeutung spielt auch der sicherheitstechnische Aspekt eine entscheidende Rolle in der Verschleißforschung. Das Versagen von Bauteilen infolge von Verschleiß hat oftmals keine gravierenden Folgen, kann aber im Einzelfall durchaus zu einer Gefährdung von Leib und Leben führen. Tragisches Beispiel hierfür ist das ICE-Unglück von Eschede im Jahre 1998, das auf einen Radreifenbruch infolge von verschleißbedingter Materialermüdung zurückgeführt wurde [5]. Auch die leider beinahe alltäglichen Verkehrsunfälle, die durch übermäßig verschlissene Bremsanlagen oder Reifen verursacht werden, sind hier zu nennen. Das Verständnis tribologischer Zusammenhänge, die Früherkennung und daraus resultierend die Minimierung von Verschleiß sind folglich wichtige Ziele industrieller und akademischer Forschung.

Literatur

[1] BMFT Report: Damit Rost und Verschleiß nicht Milliarden fressen: Fortschritt durch Forschung. Bundesministerium für Forschung und Technologie, Bonn, 1983

[2] H. Czichos, K.-H. Habig: Tribologie -Handbuch – Tribometrie, Tribomaterialien, Tribotechnik. 3. Aufl., Wiesbaden: Vieweg + Teubner, 2010. – ISBN 978-3-8348-0017-6

[3] J.R. Davis (Hrsg.): Surface engineering for corrosion and wear resistance. Materials Park: ASM International, 2001. – ISBN 0-87170-700-4

[4] C.A. Brockley (Hrsg.): Economic losses due to friction and wear – Research and development strategies. National Research Council of Canada, Ottawa, 1984

[5] V. Esslinger, R. Kieselbach, R. Koller, B. Weisse: The railway accident of Eschede – technical background. Eng. Failure Anal. 11 (2004), S. 515–535

Autoren dieses Artikels:

Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Thomas Lampke, Technische Universität Chemnitz, Institut für Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnik

Dipl.-Ing. Rico Drehmann, Technische Universität Chemnitz, Institut für Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnik

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