Galvanische Verchromung unter REACh – gibt es entscheidende Fortschritte?

Oberflächen 08. 12. 2023

Großes Interesse an den neuesten Ergebnissen und Entwicklungen der Arbeit mit den europäischen Behörden bei der Mitgliederversammlung des Vecco e. V. am 7. November

Auch wenn die Entscheidungsfindung der europäischen Behörden bezüglich der Autorisierung auf dem Gebiet der galvanischen Verchromung nach wie vor auf sich warten lässt, zeichnen sich positive Entwicklungen seitens der Autorisierungsarbeit ab. So zeigt es sich, dass die Behördenvertreter die Arbeit des Vecco und vor allem die Gründung und Nutzung der Plattform vecco:net sehr schätzen. Auf dieser Basis ist auch in den nächsten Monaten und Jahren eine sinnvolle und zielführende Zusammenarbeit möglich. Des Weiteren haben die Behörden im Laufe der vergangenen Monaten erkannt, dass die Bearbeitung durch die Antragstellung in der bisherigen Art mit einer zu hohen Anzahl an Anträgen sehr erschwert wird. Auch hier wird die Vorgehensweise des Vecco sehr positiv aufgenommen und dient als Vorlage für andere Autorisierungsverfahren.

Matthias Enseling

 

Der Vorstand des Vecco e. V. Matthias Enseling konnte etwa 110 Teilnehmer und Teilnehmerinnen zur inzwischen elften Mitgliederversammlung begrüßen. Der Vorsitzende zeigte sich sehr erfreut über die gute Teilnahme an der Mitgliederversammlung (110 von 120 Mitgliedern), die nach seiner Einschätzung vor allem auf die jüngsten Entwicklun­gen seitens der EU zurückzuführen ist. Die Möglichkeit, erstmals auch hybrid an der Veranstaltung teilnehmen zu können, hat sicher auch zu einer regen Beteiligung geführt – etwa die Hälfte der Teilnehmenden nahm online an der Mitgliederversammlung teil.

Zu Beginn seiner fachlichen Ausführungen blickte Matthias Enseling auf die Geschehnisse der letzten Monate zurück. Eine der wichtigsten Begegnungen war ein Treffen im Juli dieses Jahres in Amsterdam. Zu diesem Treffen war der Vecco eingeladen worden, um über seine Erfahrungen zum praktischen Austausch zwischen den Beschichtungsbetrieben zu berichten. Sehr positiv fiel dabei auf, dass die Teilnehmer der Veranstaltung auf die Erfahrungen des Vecco Wert legen.

Besondere Aufmerksamkeit erfuhr das eingerichtete Netzwerk vecco:net. Auf dieser Plattform werden die vorhandenen Kenntnisse und Entwicklungen im Hinblick auf Substitutionen zusammengestellt. Hierzu zählt die vorhandene Roadmap mit 19 Projekten, bei denen auch Anbieter alternativer Technologien mitarbeiten. Im Netzwerk wird von Vertretern unterschiedlicher Fachgruppen dargestellt, was möglich ist und was nicht. Besonders erfreulich ist unter anderem die Anfrage von DUCC (Downstream Users of Chemicals Co-ordination Group), die von ­vecco:net lernen möchte.

Ein weiterer Bereich, der im vergangenen Jahr sehr viel Aufwand verursacht hat, ist die Autorisierung. Inzwischen gibt es zwei Upstream-Autorisierungen, zwölf Einzelauto­risierungen und 34 Unternehmen mit Clusterautorisierungen. Damit ist Vecco inzwischen für zehn Prozent aller übermittelten Anträge verantwortlich. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass bis jetzt knapp ein Viertel der Betriebe noch überhaupt keine Aktivitäten gestartet haben.

Interessant im Zusammenhang mit den Autorisierungen sind die Case-Studies, denen zufolge in einigen Fällen Substitutionen bei Unternehmen umgesetzt wurden, die bisher mit Chrombeschichtungen gearbeitet haben, beispielsweise im Bereich von ­Zubehörteilen für Gitarren. Ein weiteres Beispiel ist die Herstellung von Backöfen. Hier ist eine Umstel­lung auf Edelstahl aus Kapazitätsgründen nicht realisierbar und eine Substitution durch Chrom(III)verfahren aufgrund bisher fehlender Zertifikate der Lebensmittelechtheit nicht möglich. Bei weiteren Alternativen zeigt sich in der Regel, dass die neuen Beschichtungen noch nicht den erforderlichen Entwicklungsstand erreicht haben, um kurzfristig in großem Umfang eine Umstellung vornehmen zu können. Zum Teil liegt dies an fehlenden Anlagenkapazitäten oder an noch ausstehenden Dauerprüfungen. Im Bereich von Baumaschinen beispielsweise kann diese bei neun Jahren Lebensdauertest liegen. Aber auch deutlich höhere Kosten aufgrund stark steigendem Investitionsbedarf spielen eine Rolle.

Trotz der Vorbehalte der europäischen Gesetzgeber wird nach wie vor an der Realisierung der Cluster-Autorisierungen gearbeitet. Hierbei zeigt es sich, dass die Begrenzung der Teilnehmer bei Gruppen (z. B. in der Größe von zehn Anwendungen) mit etwa fünf bis zehn Unternehmen von Vorteil ist. Bei dieser Zahl der Unternehmen ist eine ausreichende Rechtfertigung der eingesetzten Verfahren und Anwendungen für die Behörden gegeben und zugleich kann die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Unternehmen sehr effizient erfolgen. Bezeichnet wird diese Vorgehensweise in Zusammenhang mit REACh als Joint-Application, für die derzeit die notwendigen Angaben zusammengestellt werden. Nach wie vor ist jedoch festzustellen, dass sich die Unternehmen mit der Zusammenstellung der Daten schwer tun.

Wie Enseling weiter ausführte, steigt der Druck auf EU-Kommision und ECHA durch die Vielzahl und inhaltliche Fülle an Anträgen. Daher hat die EU-Kommission die ECHA beauftragt, verschiedene Optionen zu erarbieten, wie Beschränkungen aussehen könnten, die primär gewährleisten sollen, dass die Flut an Informationen kanalisiert und eingedämmt wird.

Autorisierung oder Beschränkung

Julius Waller nimmt eine entscheidende Position ein in der Gruppe der Fachleute für die weitere Entwicklung der ­Autorisierungen; seine Ausführungen stießen daher auf großes Interesse bei den Teilnehmern. Der Grund für die aktuelle Änderung der Vorgehensweise, so Waller in seinen einleitenden Worten, liegt beim Scheitern von bisherigen Autorisierungsanträgen beim EUGH, zum Beispiel zu Blei-Chrom-Pigmente oder der CTAC-Autorisierung. Daraus folgte das Fazit, dass das System in der bisherigen Form nicht funktionieren wird. Schwierigkeiten bereiten vor allem die langen Wartezeiten von der Einreichung eines Antrags bis zur Entscheidung über die Zulassung oder Ablehnung. In Bezug auf Chrom betonte der Vortragende, dass die Kommission sieht, dass Chrom in Europa weit verbreitet ist, es sehr wenig Gruppierungen gibt und schließlich der EU-Binnenmarkt durch die bisher ins Auge gefassten Einschränkungen in Gefahr ist. Er zeigte die möglichen Wege auf, um mit den Vorgaben zur Beschränkung umzugehen, beispielsweise der Weg mit GRA. Eine weiterreichende Analyse der Beschränkungen ist die mit SEA (Socio-Economic Analysis), bei der eine breitere Analyse durchgeführt wird.

Julius Waller

 

Das Ziel, Arbeitnehmer und Umwelt zu schützen, soll im Fall von Chromsäure durch die Begrenzung der eingesetzten Mengen und Reichweiten der Verwendung sowie, soweit möglich, durch eine Substitution erreicht werden. Sollte dies tatsächlich umgesetzt werden, ist mit einer deutlichen Beschleunigung der Entscheidungsabläufe zu rechnen, nach Meinung von Julius Waller bis etwa 2027. Er wies auch darauf hin, dass der Vecco derzeit die einzige Einrichtung ist, die einen optimalen Einblick und Überblick über die Branche der Galva­notechnik geben kann. Daraus ergibt sich der Arbeitsplan des Vecco für die ECHA, beispielsweise mit einer Einschätzung der Alternativen, der Analyse von Risiken oder sozio-ökonomischen Auswirkungen.

Überblick über die Anträge zur Chromabscheidung, wobei damit zu rechnen ist, dass weitere 200 bis 500 Anträge hinzukommen (Bild: J. Waller)

 

Derzeit hat die EU-Kommission erkannt, dass eine Autorisierung nur bei manchen einfachen Fällen möglich ist. Werden Stoffe aber in zahllosen unterschiedlichen Anwendungen und komplexen Verbindungen eingesetzt, funktioniert das System in der vorgesehenen Weise nicht mehr, wie es sich jetzt am Beispiel der Verchromung gezeigt hat. Darüber hinaus sind hier umfangreiche Prüfungsphasen oder Anstrengungen zum Aufbau von Fertigungseinrichtungen erforderlich. Zur Lösung der Herausforderungen strebt die EU-Kommission unter anderem an, dass Substitution als vorrangiges Ziel gesetzt wird und dort, wo dies kaum durchsetzbar ist, Autorisierungen ermöglicht werden, eventuell mit sehr langen Auslaufzeiten.

Die Unternehmen sind daher aufgefordert, weiter möglichst klein gruppierte Anträge zur Autorisierung einzureichen und nach dem Vorbild des Vecco sehr genau auf Beschränkungen zu antworten. Für alle gelten hierfür die gleichen Regelungen und die gleichen Zeitschienen von vier Jahren für die Umstellung und zwölf Jahren, wenn aktuell noch keine Substitution möglich ist.

Wichtig ist darüber hinaus nach Ansicht des Vortragenden vor allem, dass ein Funktiona­litätsverlust bei Produkten durch Substitution nicht akzeptiert wird, was jedoch von den Beschichtern nicht unbedingt als Änderung der bisherigen Vorgehensweise gesehen wird – bisher muss im Antrag auch schon diese Funktionalität aufgezeigt werden. Dies zeigt bedauerlicherweise, dass bei den Behörden nach wie vor noch Unverständnis für die Bedürfnisse der Industrie herrscht; nach Meinung von Julius Waller könnte dies durch eine konstruktive Zusammenarbeit beseitigt werden. Relativ klar ist jedoch, dass die aktuell geltenden Fristen von vier Jahren, sieben Jahren und zwölf Jahren nicht verlängert werden, sondern die Tendenz eher hin zu kürzeren Zeiten geht. Diese könnten für die Industrie zunehmend zum Problem werden, da sie zu knapp für industrielle Investitionsvorhaben sind.

Als große Herausforderung gilt die Bestrebung von EU-Kommission und SEAC (Committee for Socio-Economic Analysis), alle zu beschichtenden Teile beziehungsweise Produkte zu beschreiben und einzuteilen, was nach Ansicht der Beschichter nicht machbar ist. Eine vollständige Segmentierung wird nicht möglich sein, woraus sich aktuell noch erhebliche Herausforderungen in der Zusammenarbeit zwischen Behörden und Industrievertretern ergeben.

Zukünftige mögliche ­Handlungsfelder des Vecco

Dr. Uwe König wies einleitend darauf hin, dass die Bearbeitung von Einzelproblemen, die sehr speziell auf ein Unternehmen bezogen sind, für die Diskussion mit den Behörden nicht hilfreich ist. Wichtiger ist nach Ansicht von Dr. König, dass vielmehr die Gemeinsamkeiten vieler Betriebe in Richtung der Branchenspezialisierung genutzt werden müssen. Dadurch entstehen die notwendigen übergreifenden Aussagen der Branche. Darüber hinaus betonte er, dass die in Anhang XVII bestimmte Anwendungen im Detail beschrieben sind und nur diese verboten sind. So darf Chromsäure nicht mehr zum Gerben von Leder genutzt werden. Andere Anwendungen sind von diesem Verbot nicht betroffen. Daraus ist ersichtlich, dass der Wechsel einer Listung von Chrom(VI) von Anhang XIV nach Anhang XVII nicht automatisch einen unbeschränkten Einsatz zulässt. Für REACh gilt im übrigen grundsätzlich das Minimierungs­gebot, das heißt, bestehende Grenzwerte können stetig gesenkt werden.

Dr. Uwe König

 

Ausgangspunkt für die zukünftigen Aufgaben des Vecco sind die vorgegebenen Regeln, den Einsatz von Stoffen zu minimieren und nach Möglichkeit kritische Stoffe zu substituieren. Daraus ergibt sich auch die Schwierigkeit, die verbleibenden Unternehmen, die bisher für die Gesetzgeber nicht erfasst und beschrieben sind, in ihrem Risiko für die gesamte Gesellschaft zu beschreiben. Eine weitere Herausforderung für die Zukunft sind die Lieferketten. Auch hier führen fehlende Daten dazu, dass die ECHA keine Bewertung abgeben kann, woraus wiederum die fehlende Entscheidungsfähigkeit für die EU-Kommission folgt.

Interessant ist die Feststellung von Dr. König, dass RAC (Risk Assessment Committee) und SEAC bevorzugt Gemeinsamkeiten zwischen den Anträgen für ihre Bewertung heranziehen. Daraus ergibt sich, dass Angaben in den Anträgen zur eindeutigen Verwendung hilfreich und notwendig für die zu treffenden Entscheidungen sind. Dr. König betonte in diesem Zusammenhang, dass Gremien wie RAC oder SEAC ebenso wie die ECHA stark daran arbeiten, möglichst verlässliche und klare Angaben zu den Inhalten von Anträgen zu erhalten.

Bewertung der Anträge durch RAC und SEAC, Stand 3/2022 (Bild: Dr. U. König)

 

Anforderungen an die Beschreibung einer Verwendung beinhalten Angaben zu Risikobewertung, zu den Anforderungen an Produkte sowie Analysenwerte. Um dies zu erhalten, könnte der Vecco zum Beispiel die Bedingungen für durchzuführende Messungen festlegen. Solche grundlegende Vorgaben schaffen die Möglichkeit, auf der ­Basis von beispielsweise 100 Betrieben auf alle anderen Betriebe verlässlich ­hochzurechnen. Damit wird die für die Behörden wichtige Vergleichbarkeit der Betriebe und Produktionsverfahren gewährleistet. Auch hier zeigt sich, dass so viele Betriebe wie möglich ihre vorhandenen Daten einreichen sollten, da diese Daten den notwendigen sicheren Überblick über die gesamte Branche liefern.

Schließlich wird unter dem Punkt ­Analyse eine sinnvolle Analyse von Alternativen und deren Verfügbarkeit erstellt. Als Beispiel nannte der Vortragende die Alternative der Beschichtungstechnologie des thermischen Spritzens als Ersatz für Hartchrom. Er wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ­Alternativen nicht gleichbedeutend sind mit Substitution.

Dr. König sieht als zukünftige Aktivität unter anderem, den Bereich Risikobewertung durch ein geeignetes Messdesign abzudecken. Wichtig ist hier nach seiner Überzeugung die Teilnahme von mindestens 90 ­Prozent der Vecco-Mitglieder. Inhalte des ­Messdesigns sind beispielsweise der Messort oder die ­Arbeitsszenarien. Die erhaltenen Messwerte sind die Basis der Risikoanalyse, aber auch die Basis für notwendige Verbesserungen der ­Situation. Sinnvoll ist die Nutzung des von Vecco vorgeschlagenen Messinstituts, da hierbei nach den bisherigen Erfahrungen alle Daten erzeugt werden, die für die Zusammenstellung der Angaben für die EU-
Behörden erforderlich sind.

Besonders hilfreich ist nach Ansicht von Dr. König die Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Oberflächentechnik (AOT) in Österreich, um die Vergleichbarkeit der Daten auf eine noch bessere Basis zu stellen, also auf eine wirkliche europäische Basis. Eine weitere Handlungsaktivität des Vecco richtet sich auf die Anforderungen an die Produkte in Bezug auf die Funktionalität.

Fazit

Eine Beschränkung wird kommen, ohne jedoch deren genaue Gestaltung zu kennen. Dazu ist die ECHA von der EU Kommission beauftragt worden, bis Ende 2024 einen Vorschlag zu erarbeiten. Gefragt ist zudem weiterhin eine sehr intensive Mitarbeit der betroffenen Industrie an der Diskussion mit den europäischen Behörden; dazu zählt nach Ansicht von Matthias Enseling, dass sich die Unternehmen an der Kommentierung der Beschränkungsbedingungen im Rahmen der anstehenden Public Consulations der EU Kommission mit eigenen Schreiben beteiligen. Diese sollten ausdrücklich die eigene Betroffenheit darstellen.

Er wies des weiteren darauf hin, dass die Messszenarien noch weiter verbessert werden sollten, insbesondere, dass ein gemeinsames Messdesign erstellt wird. Denn diese Daten liefern für die Behörden die notwendigen und belastbaren Zahlen.

Auch die bisherigen Ziele von REACh werden sich nicht ändern. Für alle gefährlichen Stoffe (SVHC) besteht ein Substitutionsgebot. Das ist klar und eindeutig. Lediglich der Zeitraum der Substitution ist Gegenstand der Diskussion. Es wird auf jeden Fall keine reine Fixierung auf einen Grenzwert als einzige Hürde geben, so die Ansicht der Fachleute im engeren Kreis der REACh-Vorgaben. Allerdings wurde klar, dass die EU-Behörden inzwischen verstanden haben, dass die bisherigen Arbeiten der EU zu einer Wettbewerbsverzerrung auf dem Weltmarkt geführt haben, was auf jeden Fall nicht im Interesse der Behörden ist. Schließlich ist es trotz der dafür anfallenden Kosten wichtig, Anträge auf Autorisierung zu stellen, soweit dies noch nicht erfolgt ist. Damit werden die Grundlagen dafür gelegt, zu den derzeitigen Bestimmungen zukünftig arbeiten zu können und zugleich den Behörden zu vermitteln, dass die Arbeiten der Galvanotechnik für die Industrie von Bedeutung sind.

Relevante Unternehmen

Video(s) zum Thema

Werbepartner

Links zu diesem Artikel

Aus- und Weiterbildung

Top