Atomlagenabscheidung in ihrer ganzen Breite – von den Grundlagen bis zur Anwendung

Werkstoffe 07. 05. 2023

Umfangreiches Vortragsprogramm mit Industrieausstellung bei der internationalen Konferenz
ALD FOR INDUSTRY 2023 am 21. und 22. März in Dresden

ALD – Atomic Layer Deposition – ist ein spezielles Beschichtungsverfahren, das die Herstellung von defektfreien und konformen, dünnen Schichten auch auf sehr komplexen 3D-Strukturen erlaubt. Die internationale Tagung, organisiert von der Europäische Forschungsgesellschaft Dünne Schichten e. V. (EFDS), informierte über die Atomlagenabscheidung in ihrer ganzen Breite. Die englischsprachige Konferenz sieht sich als Brücke zwischen Grundlagenwissenschaft, Industrialisierung und Kommerzialisierung dieser Technologie. Die Veranstaltung bot die Möglichkeit, Kontakte unter Wissenschaftlern zu knüpfen und mit industriellen Partnern in Kontakt zu treten. Zahlreiche Besucher und Besucherinnen nutzten die Chance, sich über die aktuellen Trends und die Grundlagen von ALD zu informieren. Die Industrieausstellung rundete das hervorragende Vortragsprogramm ab.

1 Einführung in die ­Grundlagen von ALD

Zu Beginn der Tagung wurde in Tutorials einiges über die Grundlagen und die potenzielle Anwendung der ALD-Technologie berichtet.

Den Anfang machte David Zanders von der Ruhruniversität Bochum. Er berichtete über die verschiedenen Möglichkeiten der Precur­sor-Chemie und spannte dabei den Bogen von den Grundlagen zur industriellen Anwendung. Dabei ging er auf drei ­Beispiele ein und erklärte sehr verständlich, aber doch mit großem wissenschaftlichem Tiefgang, die unterschiedlichen ­Herangehensweisen auf Chemie-Ebene zur Abscheidung von ALD-Schichten.

Martin Knaut von der Technischen Universität Dresden brachte dem Publikum auf sehr eingängige Weise die Grundlagen der ALD-Schichtabscheidung nahe. Gekonnt erklärte er den prinzipiellen Unterschied zur chemischen Gasphasenabscheidung und arbeitete die charakteristischen Merkmale einer ALD-Beschichtung heraus. Nach diesem Tutorial sah sich der Zuhörer prinzipiell in der Lage, über Variation einiger Anlagenparameter, wie zum Beispiel Precursordosis, Spülzeit und Temperatur, einen ALD-Prozess zu entwickeln. Auch auf die benötigten Technologien zum Prozessmonitoring wie Quartz Crystal Microbalances (QCM) oder Spectroscopic Ellipsometry (SE) wurde detailliert eingegangen.

Danilo De Simone vom Institut imec in Leuven erläuterte die Grundlagen der aktuellen EUV-Lithografie. In diesem Tutorial wurde klar, dass ohne ALD die aktuellen Halbleiterstrukturen im Bereich weniger Nanometer nicht produziert werden könnten und es wurde auch klar, dass dieses industrielle Segment momentan einen Großteil des Markts für ALD darstellt.

Im vierten Tutorial-Vortrag ging Uwe Schröder von der NaMLab gGmbH sehr detailliert auf die ALD-Herstellung von Hafniumoxid-/Zirkoniumdioxid-Ferroelektrika ein. Diese Schichten spielen eine große Rolle bei modernen Sensoren und Transistoren.

Tamar Segal-Peretz von der Abteilung für Chemieingenieurwesen Technion, Israelisches Institut für Technologie, präsentierte im fünften und letzten Tutorial interessante Aspekte von Hybridmaterialien, die in Polymeren mit an ALD-Technologien angelehnten Verfahren hergestellt werden können. Es handelt sich um das sogenannte SIS (Sequential Infiltration Synthesis), bei dem sequenziell metall­organische Moleküle in Polymerstrukturen eindiffundieren und dort an die Polymer-Ketten andocken. Im Prinzip findet hier ein mole­kularer Austausch statt. Über verschiedene Ausgangsstrukturen können neuartige Nanostrukturen (Poren, Nanodrähte usw.) hergestellt werden.

2 Workshops mit Fachvorträgen

Im weiteren Verlauf der Konferenz standen Fachvorträge im Rahmen von Workshops auf dem Programm. Jonas Sundqvist, ­AlixLabs AB und TECHCET LLC CA, begann diesen Teil mit einer Markt­übersicht und Trends in Atomic Layer Deposition (ALD) und Atomic Layer Etching (ALE) in der Halbleiterindustrie. Mit über 20 Jahren Arbeitserfahrung bei Infineon, Qimonda, Fraunhofer und Lund NanoLab konnte er mit fundierten Zahlen für die Zukunft der beiden Technologien aufwarten.

Simon Elliot vom Unternehmen Schrödinger aus New York stellte eine Simulation-Software für die Abscheidung von ALD-Schichten auf diversen Substratmaterialien vor. Manche der Modelle-Vorhersagen müssten aber noch statistisch abgesichert validiert werden.

Im Anschluss berichtete Lukas Mai von Merck Electronics KGaA aus Darmstadt über die Entwicklung von Precursoren für die Halbleiterindustrie. Als ein Beispiel wurde die Abscheidung von sauerstofffreiem ­Ruthenium detailliert beschrieben. Ruthenium ist ein vielversprechendes Metall mit niedrigem Widerstand als Auskleidungs- oder Füllmaterial für zukünftige Halbleitersysteme.

Stephan Wege von der plasway-Technologies GmbH stellte sein Konzept für eine kombinierte Anlage zu ALE und PEALD (Plasma Enhanced Atomic Layer Deposition) in einer Kammer vor. Er berichtete von herausragenden Homogenitätswerten.

Da keine Prozessentwicklung ohne ­Analytik auskommen kann, passte der Vortrag von Florian Meyer hervorragend. Er stellte Systeme zur In-situ-Gasüberwachung von ALD-Prozessen mittels optischer Remote-Emissionsspektroskopie der Gencoa vor. Am Beispiel der Abscheidung von ­Aluminiumoxid zeigte er, dass der gesamte ALD-Prozess (mit den Precursoren TMA und H2O) mit dem Sensor überwacht werden kann. Die Sättigung der Reaktion kann bestätigt und die Reaktionsdynamik überwacht werden. Damit ist es möglich, den Prozess in Echtzeit zu optimieren und ohne Qualitätsverlust zu beschleunigen.

Christoph Hossbach von picosun aus Dresden wies zu Beginn darauf hin, dass CoO in seinem Vortragstitel nicht Kobaltoxid bedeute, sondern Cost of Ownership. Er berichtete nicht von speziellen ­Prozessentwicklungen, sondern wie und mit welcher Anlagenkonfiguration ein optimaler Durchsatz zur Waferbehandlung erreicht werden kann. Ein Mittel, um den Durchsatz zu erhöhen und die Betriebskosten zu senken, ist, mehrere Wafer in der gleichen Kammer zu verarbeiten, also eine Batchlösung zu nutzen. Der erste Ansatz ist eine Diffusionskontrolle, die am besten für Wafer mit einer Größe von 200 mm oder weniger geeignet ist. Der zweite Ansatz ist ein laminarer Fluss, hohe Geschwindigkeit und große Kontrolle der Ausgangsstoffe, der für Anwendungen auf 300-mm-Substraten optimiert ist.

Als Kontrast zu den vorhergehenden Vorträgen war die Präsentation der Plasma Electronic GmbH aus Neuenburg am Rhein zu werten. Die meisten Anlagenhersteller hatten sich auf die ALD-Abscheidung auf Wafer fokussiert. Vivek Beladiya berichtete in seinem Vortrag von Niedertemperaturabscheidung über Plasma Enhanced Atomic Layer Deposition (PEALD). Anwendungen sind Barriere­schichten auf Lebensmittelverpackungen oder kleinteiligen Solarzellen. Das Unternehmen Plasma Electronic bietet hierzu mittlerweile große Batchanlagen an, die über zwei Schleusen einen Inlineprozess ermöglichen können.

Noureddine Adjeroud vom Luxembourg Institute of Science and Technology berichtete über das Thema Gruppe III-Nitrid-Halbleiter-Materialien, die bei Niedertemperatur durch plasmagestützte Atomlagenabscheidung hergestellt wurden. Die plasmagestützte Atomlagenabscheidung (PEALD) entwickelt sich zu einer vertrauenswürdigen Alternative zu den Standard-CVD-­Beschichtungsverfahren und scheint eine Lösung zu sein, um hohe Temperaturen beim Aufwachsen von Nitridschichten zu verhindern und damit die darunterliegenden CMOS-Schaltkreise nicht zu zerstören.

Thematisch passend schloss sich der Vortrag von Michael Powell von Oxford Instruments an. Er referierte über Remote Plasma ALD und ALE für GaN-Leistungselektronik. Die aktuellen Anforderungen an die Halbleiterverarbeitung erfordern kleinere Merkmale, dünnere und hochwertigere Materialien und eine verbesserte Leistung über ganze Wafer von Bauelementen. Dies hat eine Entwicklung hin zu Verarbeitungstechniken auf atomarer Ebene zur Folge. Außerdem haben die meisten Chips oder Bauteile ein Wärmebudget, das die maximalen Verarbeitungstemperaturen begrenzt. Der Referent berichtete, wie Remote-Plasma Bedingungen für geringe thermische Schäden gewährleistet und gleichzeitig qualitativ hochwertige Ergebnisse für die Elektronik der nächsten Genera­tion liefern kann.

Das Thema Supraleitung wurde von Jakob Zessin, Sentech Instruments GmbH, in seinem Vortrag angeschnitten. Er berichtete über die Abscheidung von Niob-Nitrid unter Einsatz der ALD-Technologie. Hierbei wurde eine kritische Temperatur von 9,6 K erreicht.

Henry Bernhardt von der Infineon Technologies AG in Dresden stellte eine neue Messmethode zur Qualitätssicherung von Halbleitern vor: Corona Oxide Characterization of Semiconductor (COCOS). Diese Methode ist kontaktlos und nicht zerstörend. Mit ihr können die elektrischen Eigenschaften von di­elektrischen Schichten bestimmt werden. Als Beispiel nannte er Messungen an Silizium­oxidschichten, die mit verschiedenen Precursoren hergestellt worden waren.

ALD-Prozesse laufen normalerweise mit thermischer Energiezufuhr oder durch Plasmaunterstützung bei moderater Temperatur­zuführung ab. Yuanhe Cui von der Universität Dresden stellte mit Flash Lamp Enabled Atomic Layer Deposition eine neue Methode vor, die Photonen zur Energieübertragung nutzt. Um Einschränkungen von herkömmlichen ALD-Prozessen zu überwinden, wurde dieses neuartige Verfahren zur Atomlagenabscheidung unter Verwendung von Blitzlampen (FLE-ALD) entwickelt. Der Ansatz kombiniert die selbstlimitierende Chemisorption von Vorläufermolekülen im ersten Halbzyklus mit einem Millisekunden-Blitzlampen-Annealing während des zweiten Halbzyklus. Am Beispiel von Titandioxid konnte gezeigt werden, dass die ALD-Charakteristik mit selbstbegrenzender Oberflächensättigung und konstantem Wachstum pro Zyklus gegeben ist.

Den Weg von planaren zu dreidimensionalen Objekten für die ALD-Beschichtung beschrieb Sebastian Lehmann vom Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung in Dresden. Die Gruppe verfügt über Anlagen zur ALD-Beschichtung von Granulaten oder Pulvern. Verschiedene Anwendungen auf komplexen Geometrien wurden vorgestellt. Dazu zählten zum Beispiel thermoelektrische Materialien, aktive Batteriekomponenten, Schutzschichten, biokompatible Dünnschichten sowie multifunktionale und flammhemmende Textilien.

Mathias Franz vom Fraunhofer-Institut für Elektronische Nanosysteme ENAS berichtete über die Abscheidung von metallischem Kobalt über einen ALD-Prozess, bei dem ein Precursor basierend auf Dicobalt-Hexacarbonyl-Alkin und Wasserstoffplasma-Pulse verwendet wird. Über X-ray photoelectron spectroscopy konnte die metallische Phase nachgewiesen werden.

Einen besonderen Fokus legte Ganesh Sundaram als Vizepräsident für angewandte Technologien bei Veeco Instruments. Er berichtete über die Kombination von ALD mit Molekularstrahl-Epitaxie (MBE). Diese Kombination ist hilfreich zum Beispiel für die Bearbeitung von Bauteilen im Bereich Quantencomputer oder zur Herstellung von Schichten aus Siliziumcarbid.

Als Ergänzung zum Tutorial von Tamar Segal-Peretz berichtete Gabriele Seguini vom Institut für Mikroelektronik und Mikrosysteme IMM-CNR aus Italien in seinem Workshop-Vortrag über weitere Applikationen von Sequential Infiltration Synthesis (SIS). Unter Verwendung von Block-Copolymeren (BCPs) konnte er zeigen, dass mit SIS verschiedene morphologische Nanostrukturen mit unterschiedlicher Orientierung im Raum geschaffen werden können. Mit der Technologie lassen sich unterschiedlich gestaltete Streifen, Zylinder und Ringe in verschiedenen Raumrichtungen herstellen. Er beschrieb ausführlich die zugrunde liegenden Gesetze zum Wachstum dieser Strukturen.

Den aktuellen Markt für großvolumige ALD-Anlagen in der Fotovoltaikindustrie beleuchtete Wei-Min Li von der Jiangsu Leadmicro Nano Technology Co. Ltd. Die ALD-Technologie erlaubte hier die Herstellung von neuartigen n-TOPCon-Solarzellen. TOPCon (Tunnel Oxide Passivated Contact) basiert auf einem ultradünnen Tunneloxid in Kombination mit einer dünnen Siliziumschicht und erlaubt eine exzellente Ladungsträgerselektivität. Die von Wei-Min Li vorgestellten ALD-aktivierten n-TOPCon-Solarzellen haben in der Produktion einen Wirkungsgrad von über 24,5 Prozent erreicht. Durch kontinuierliche Verbesserung der Materialien und der Prozessintegration wird eine weitere Erhöhung der Effizienz von Solarzellen durch ALD-Technologie zu erwarten sein.

Aus Finnland, dem (quasi) Ursprungsland der ALD-Technologie, berichtete Marianna Kemell von der Universität Helsinki mit ihrem Vortrag über ALD für Halogenid-Perowskit-Solarzellen ebenfalls zum Themengebiet Solarzellen. In ihrer Arbeitsgruppe werden spezielle Prozesse zur Abscheidung von Perowskitschichten, zum Beispiel auf Basis von Bleichlorid (PbCl2) oder Bleibromid (PbBr2), entwickelt. Diese Prozesse gab es bislang noch nicht. Mit diesen Schichten lassen sich hocheffektive Solarzellen mit einem Wirkungsgrad von bis zu 25,5 Prozent herstellen. Der besondere Vorteil liegt auch darin, dass die Ausgangsmaterialien umfangreich vor­liegen und damit nicht kostenintensiv sind.

Im Anschluss an die Vorträge auf dem Gebiet der Fotovoltaik widmete sich Nicolas Blasco von Air Liquide Advanced Materials der Entwicklung spezieller Korrosionsschutzschichten mit ALD. In seiner Studie veranschaulichte er, wie die Anpassung der ALD-Vorstufen bestehende Prozesse zur ALD-Abscheidung von Yttriumoxid (Y2O3) verbessern kann und neue Wege möglich macht. Als Beispiel zeigte er einen industriell skalierbaren ALD-Prozess zur Abscheidung von Yttriumfluorid (YF3) ohne Einsatz von Hydrogenfluorid (HF) sowie dessen Verwendung als ätzfeste Be­schichtung.

Adriana Szeghalmi vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF in Jena befasst sich mit Metall-Dielektrika-Heterostrukturen und deren Herstellung bis hinunter in den atomaren Bereich durch die Nutzung von ALD. In ihrer Arbeitsgruppe beschäftigt sie sich mit der ALD-Beschichtung von komplexen Geometrien, insbesondere für optische Komponenten.

Giuliana Impellizzeri vom Italian National ­Research Council (CNR), Institute for Microelectronics and Microsystems (IMM), zeigte, dass mit Niedertemperatur-ALD fotokatalytische Nanokompositschichten hergestellt werden können. Diese kommen zum ­Einsatz bei der Wasseraufbereitung. Die Halbleiter wurden auf Polymere durch Atomlagenabscheidung (ALD) aufgebracht. Diese Methode bietet einzigartige Vorteile: niedrige Abscheidungstemperatur, Homogenität, Konformität und Skalierbarkeit. Die Verbundwerkstoffe wurden eingehend charakterisiert und ihre bemerkenswerten photokatalytischen Fähig­keiten durch den Abbau von verschiedenen organischen Wasserschadstoffen ­bewertet. Auch die antibakterielle Leistung wurde für ausgewählten Proben untersucht. Das ALD-Verfahren erwies sich somit als vielversprechende Technik für die Herstellung von photokatalytischen Nanokompositen.

3 Fazit

Die sehr interessante Vortragsreihe an den beiden Konferenztagen wurde durch Industriepräsentationen aufgelockert. Insbesondere die Industrieausstellung im ­gleichen Raum lud zu einem intensiven Austausch und Kontaktaufnahmen ein. Die Konferenz kann als sehr gelungen bezeichnet werden. Über 100 Teilnehmer und Teilnehmerinnen zeigten, dass es sich bei der ALD-Technologie um ein wichtiges Thema in der aktuellen Forschung und Entwicklung zu innovativen Nanoschichten handelt.  V. Bucher

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