Klimaneutralität sowie Energie- und Ressourceneffizienz

Verbände 08. 08. 2022
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Ein ganztägiger Vortagsblock der diesjährigen ZVO-Oberflächentage beschäftigt sich am 15. September mit dem zukunftsweisenden Thema Klimaneutralität und Energie- und Ressourceneffizienz. Denn in der Galvano- und Oberflächentechnik sind die Ansprüche nicht nur hinsichtlich Qualität und technischer Anforderungen gestiegen, auch Nachhaltigkeit und sparsamer Umgang mit Ressourcen stehen im Fokus – sowohl aus Umwelt- als auch aus wirtschaftlichen Aspekten.

Der effiziente Umgang mit Energie und Ressourcen hat angesichts der derzeit stark ansteigenden Energie- und Rohstoffpreise eine höhere Bedeutung denn je – insbesondere für die Galvanotechnik, bei der Energie- und Materialkosten einen großen Anteil der Gesamtkosten ausmachen. Gleichzeitig sind Potenziale zur Reduzierung des Energie- und Ressourceneinsatzes vorhanden. Für die von den Preissteigerungen betroffenen Unter­nehmen kann der effiziente Umgang mit Energie und Ressourcen zu einer Schlüsselkompetenz werden, die einen ökonomischen und ökologischen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz bietet. Ein wesentliches Hindernis stellt die fehlende Einordnung des eigenen Verbrauchs im Vergleich zu anderen Unternehmen dar. Ein grundlegender Schritt, zielgerichtet Effizienzmaßnahmen umzusetzen, kann daher der Vergleich mit Hilfe eines Benchmarks sein, bei dem branchenbezogene Kennzahlen gebildet werden, anhand derer sich Unternehmen mit anderen Unternehmen vergleichen können. Zudem bietet sich die Möglichkeit, den eigenen Verbrauch über einen Zeitraum zu beobachten, um den Erfolg von umgesetzten Effizienzmaßnahmen transparent verifizieren zu können.

Im von der Deutsche Bundesstiftung Umwelt DBU geförderten Forschungsprojekt BenG – Benchmark Galvanotechnik haben das Insti­tut für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb IFF und das Institut für Energieeffizienz in der Produktion EEP der Universität Stuttgart sowie die Abteilung Galvanotechnik am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, Stuttgart, mit Unterstützung von zwei Galvanobetrieben eine Benchmarkmethodik erarbeitet und eine erste Datenerhebung innerhalb der Branche durchgeführt. Ein Vortrag stellt die Methodik vor, erläutert energietechnische Messkonzepte und präsentiert die Ergebnisse dieser Datenerhebung.

Reinigung und Vorbehandlung spielen in der Oberflächentechnik eine große Rolle. Moderne Aufbereitungsmethoden wie die Vakuumdestillation, die in einem weiteren Vortrag vorgestellt wird, bereiten Spülwasser effizient und nachhaltig auf. Das Ergebnis erfüllt die hohen Anforderungen an Qualität und Wirtschaftlichkeit. Anwender schützen die Umwelt und sparen gleichzeitig bares Geld.

Mit der Wertstoffrückgewinnung aus Spülwässern befasst sich ein weiterer Vortrag der diesjährigen ZVO-Oberflächentage. Durch eine gezielte Anpassung von ­Spülintervallen und Wassermengen sowie eine möglichst getrennte Aufbereitung der verschiedenen Abwasserstränge lassen sich in der Abwasseranlage gezielt Monoschlämme erzeugen, die nach externer Aufbereitung wieder dem Prozess zugeführt werden. Bei dieser Technologie gehen allerdings die anderen Wertstoffe des Elektrolyts verloren, da diese als Ballast im Abwasser der öffentlichen Klär­anlage zugeführt werden.

Innerhalb des Forschungsvorhabens IntelWATT, gefördert durch das Horizon2020-
Programm der Europäischen Union, ­werden über drei Jahre Methoden erarbeitet, Spülwässer so aufzubereiten, dass eine ­direkte Wiederverwendung der Wasseranteile und der Elektrolytanteile möglich ist. Ein Fokus des Projekts liegt auf dreiwertigen Chrom­elektrolyten, die zum einen die größte Herausforderung aufgrund der Komplexität des Elektrolyten und der Anzahl der Zusätze darstellen, zum anderen aber auch aus wirtschaftlicher Sicht die größten Potenziale bieten.

Den Weg zur Klimaneutralität zeigt ein weiterer Vortrag auf. Der erste Schritt ist die Erstellung eines Corporate Carbon Footprints (CCF), des CO2-Fußabdrucks eines Unternehmens. Diese ist in vier Phasen unterteilt: In der ersten Phase werden die organisatorischen und die Berichtsgrenzen festgelegt. Anschließend werden über eine Wesentlichkeitsanalyse die Daten herausgefunden, die bei der Betrachtung eine wichtige Rolle spielen. Über die Wirkungsabschätzung und die Auswertung werden dann die Bereiche ermittelt, in denen große Mengen CO2 emittiert werden. In der Industrie spielen die Scope 3-Emissionen oftmals eine beachtliche Rolle (etwa 70 %), weshalb bei der Erstellung des CCF sowohl Scope 1-, Scope 2- und Scope 3-Emissionen betrachtet werden. Anhand von Beispielen werden sowohl die Bewertung der CO2-Emissionen wie auch Möglichkeiten zur Einsparung durch den Einsatz von ressourcen- und energieeffizienten Lösungen aufgezeigt.

Um Chancen und Risiken der ­Energiewende in Deutschland geht es in einem ­weiteren Vortrag. Denn Deutschland geht bei der Klimawende einen Sonderweg, der sich von allen anderen Industrieländern ­unterscheidet: Verzicht auf Stromgewinnung aus ­fossilen Energieträgern und Abschaltung aller Atomkraftwerke sowie Priorisierung der Stromgewinnung aus Wind- und Sonnenenergie. In welcher Weise der Produktionsstandort Deutschland davon beeinflusst wird, ­welche Risiken sich daraus ergeben hinsichtlich der internationalen ­Wettbewerbsfähigkeit, welche Möglichkeiten der Kostenreduzierung es am Standort Deutschland gibt und welche Chancen deutsche Unternehmen für sich nutzbar machen können, werden thema­tisiert. Es werden Maßnahmen und Vorgehensweisen aufgezeigt, um sowohl den CO2-Ausstoß als auch die Energiekosten deutlich zu senken. Der Erfahrungsbericht eines ZVO-Mitgliedsunternehmens rundet die Thematik ab.

Die Europäische Kommission hat mit dem European Green Deal die Grundlagen zur Transformation der Industrie in Richtung einer zirkulären und klimaneutralen ­Wirtschaft eingeleitet. Neues zentrales Element ist die Sustainable Product Initiative (SPI). Sie ist wichtiger Treiber für zirkuläre Geschäftsmodelle, die Internalisierung externalisierter Kosten bei der CO2-Bepreisung im Rahmen von ETS/nETS und für verpflichtende zirkuläre Produktpässe. Ein Beitrag befasst sich daher mit den aus der SPI folgenden Fragestellungen für die Oberflächentechnik, wie zum Beispiel: Was ist ein nachhaltiges/zirkuläres Produkt? Was ist ein zirkulärer Produktpass und wie funktioniert er? Welche Maßnahmen müssen vorbereitet werden, um der kommenden Circular Economy gerecht zu werden? Der Vortrag stellt dar, wie die drei Ziele des EU Green Deals (Zero Carbon, Zero Pollution, Zero Waste) die zukünftigen Konturen der Oberflächenindustrie einschließlich ihrer Lieferkette und ihrer Kunden prägen werden. Anhand zahlreicher Beispiele wird aufgezeigt, wo die Herausforderungen für die Branche liegen und welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Initiative für nachhaltige, zirkuläre Produkte, die bevorstehenden digitalen Kreislaufproduktpässe und andere Elemente und Instrumente des EU Green Deal-Regelwerks zu erfüllen. Die Herausforderungen für kleine und mittlere Unternehmen bei der Umsetzung des European Green Deal zeigt ein Erfahrungsbericht auf. Betrachtet werden verschiedene Betriebs­bereiche in Lohngalvaniken.

Die Galvanisierung von Kunststoffen ist im Vergleich zu anderen Fertigungsverfahren eine Zukunftstechnologie. Denn die hochwertigen Oberflächen sind sowohl wegen ihrer Beständigkeit und Wertigkeit in der Anwendung nachhaltig als auch durch ihr hohes Potenzial für Stoffkreislaufschließung in der Produktion sowie Recycling am Ende der Nutzungsdauer. Innerhalb eines Vortrags wird die Entwicklung von Rezyklaten und deren Integration in die Produktion für galvanisierte Kunststoffbauteile für den Automobilbereich vorgestellt. Es werden sowohl ABS-Polymere aus allgemeinen Quellen für Rezyklate betrachtet, als auch die Aufberei­tung von nicht kundentauglichen ­Bauteilen aus der Produktion des Spritzgusses und der Galvanik. So lassen sich in der direkten Kreislaufführung die Kunststoffanteile aus dem Spritzguss aufbereiten und als Rezyklat compoundiert für die Galvanik nutzen. Der Ausschuss nach der Galvanik muss in einem zweiten Schritt betrachtet werden, da die Herausforderung in der Separation von Kunststoff und Metall besteht. Eine Prozesskombination aus Trennung und Aufbereitung ermöglicht es, beide Fraktionen dem Stoffkreislauf wieder zuzuführen. Einflüsse auf Haftung, Galvanisierbarkeit und Optik werden entsprechend einer Automobilqualifi­kation vorgestellt.

Der Energiebedarf innerhalb einer Galvanik verteilt sich zu einem Drittel auf die elektrische Prozessenergie und entfällt vor allem auf Gleichrichtergeräte. Innovatives Design und neueste Halbleitertechnik eröffnen hier völlig neue Einsparpotenziale. Dieser Schritt in eine grünere und nachhaltigere Zukunft wird von der Bundesregierung honoriert und unterstützt: Hocheffiziente Gleichrichtersysteme erhalten staatliche Förderung. Entsprechende Programme ermöglichen neben den jährlich eingesparten Energiekosten auch eine einmalige Fördersumme, die sich an den eingesparten Kilowattstunden pro Jahr bemisst. Ein Referat des Vortragsblocks zeigt Praxisbeispiele für die erfolgreiche Umsetzung einer Fördermaßnahme.

Moderne Korrosionsschutzsysteme verwenden häufig Versiegelungen oder Top-Coats, um die Oberflächenbeschichtung an verschiedene Anforderungsprofile anzupassen. Dabei kommen sowohl lufttrocknende Versiegelungen zum Einsatz als auch reaktive Top-Coats sowie lackartige Systeme, die entsprechende Trocknungsbedingungen erfordern. Ein Vortrag betrachtet diese verschiedenen Systeme im Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit, aber auch im Hinblick auf den notwendigen Aufwand für ihren Einsatz. Dabei werden Aspekte der Nachhaltigkeit im Einsatz solcher Systeme vergleichend betrachtet.

Prozessoptimierte Zinklamellenbeschichtungen sind Gegenstand des abschließenden Referats der Session. Der Umweltschutzaspekt dabei lässt sich aus verschiedenen Perspektiven betrachten: Die ­Zusammensetzung der verwendeten Zinklamellensysteme in Bezug auf flüchtige organische Verbindungen (VOC) spielt dabei ebenso eine Rolle, wie der benötigte Energieverbrauch bei der Beschichtung, hauptsächlich durch Trocknung beziehungsweise Einbrennen. Beides wird anhand von theoretischen Kalkulationen und konkreten Fallbeispielen aus der Industrie erörtert. Bei einer ganzheitlichen Betrachtung darf zudem der erreichte Korrosionsschutz und damit die Lebensdauer des Werkstücks nicht außer Acht gelassen werden.

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