Smart Coatings

Oberflächen 08. 08. 2022

Bericht über den 10. Winterthurer Oberflächentag an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Winterthur am 9. Juni 2022

Nach zweijähriger, Corona-bedingter Unterbrechung ist der Winterthurer Oberflächentag wieder zurück – und wie! Rekordhafte 95 Teilnehmende folgten gespannt den acht Vorträgen um das Thema Smart Coatings. Dazu waren 14 Aussteller an der Industrieausstellung mit ihren Geräten vertreten.

Doch was bedeutet eigentlich Smart Coatings? Dieser neue Begriff aus dem 21. Jahrhundert bezeichnet Beschichtungen, die auf einen äußeren Reiz reagieren können, so wie beispielsweise die menschliche Haut. Deshalb werden sie auch Bioinspired Coatings genannt. Ein Beispiel: Es gibt selbstheilende Beschichtungen, auf der Kratzer wieder verschwinden. Der globale Markt für Smart Coatings soll bis 2025 in etwa 25 Milliarden US-Dollar erreichen, kann also ein extremes Wachstum erwarten.

Maßgeschneiderte Oberflächen

Eröffnet wurde die Reihe der Vorträge von Prof. Dr. Nicolas Spencer, Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich, der sich mit polymerfunktionalisierten maßgeschneiderten Oberflächen befasst. Denke man an Werkstoffe, so würden einem oft zuerst die Eigenschaften wie Festigkeit, Dichte, ­Elastizitätsmodul oder sogar der Preis einfallen, bemerkte Spencer zu Beginn seines Vortrags. Die Oberflächen­eigenschaften, wie zum Beispiel Schmierfähigkeit, Biokompatibilität oder Benetzbarkeit sind jedoch oft noch wichtiger für eine bestimmte Anwendung.

Prof. Dr. Nicolas Spencer von der ETH Zürich (Bild: ZHAW)

 

Oberflächengebundene Polymere stellen Spencer zufolge eine besonders wirksame und vielseitige Klasse von Materialien dar, die Oberflächen für bestimmte Anwendungen modifizieren können. Dies kann durch das Anbringen von Polymeren an Oberflächen durch eine Vielzahl von Methoden oder durch das Wachstum von Polymeren aus Oberflächen erreicht werden. Als erstes Beispiel ging er auf PLL-g-PEG ein, ein bifunktionelles Makromolekül, das einerseits an Metalloxidoberflächen binden kann, und andererseits die Oberfläche durch die PEG-Ketten hydrophil und biokompatibel ausrüstet. PLL-g-PEG findet Anwendungen in Biosensoren und in der Reibungsminderung, auch ist es selbstheilend.

Spencer stellte im Weiteren auch Hydrogelbeschichtungen, die durch grafting from hergestellt werden, und ihre reibungsmindernden Eigenschaften vor.

Variable Funktionen bei Polymeren

Über Polymerfilme mit responsiven Funktionen referierte Dr. Stephen Schrettl, ­Adolphe Merkle Institut AMI, University of Fribourg/TU München. Zu Beginn seiner Ausführungen zeigte er Polymere mit nicht-kovalenten Bindungen, wie etwa durch Metallionen zusammengehaltene Polymere (Supramolekulare Polymere). Diese haben spezielle Eigenschaften, indem sie zum Beispiel durch Hitze in die Monomere gespalten werden und so recyclierbar sind. Auch können die Eigenschaften dieser Polymere von dehnbar bis steif und spröde getunt werden. Ihre mechanischen Eigenschaften erreichen fast diejenigen von kommerziellen Polymeren wie PE. Kratzer auf supramolekularen Polymeren heilen durch die Einwirkung von Licht oder Wärme.

Dr. Stephen Schrettl bei seinem Vortrag (Bild: ZHAW)

 

Des Weiteren stellte Schrettl neue Wege zu Nanokompositen vor: Kleine Platincluster können in einer polymeren Matrix erzeugt werden. Diese Komposite haben immer noch die katalytische Wirkung von Platin und zersetzen beispielsweise Wasserstoffperoxid. Ein externer Reiz, wie die Bestrahlung mit UV-Licht, erzeugt Platincluster im Kunststoff und ruft eine Farbänderung von schwach gelb (atomares Platin) zu schwarz (Platin­cluster) hervor.

Schließlich zeigte er Kunststoffe mit eingelagerten, speziellen Farbstoffen, die ihre Farbe auf einen externen Reiz hin ändern. Der Farbstoff fluoresziert rot, wenn er in Aggregaten vorliegt, und grün, wenn er dispergiert ist. Dies lässt sich zur Erzeugung von Kunststoffen nutzen, die ihre Farbe auf mechanische Reize (Streckung) hin ändern.

Schichten auf Textilien

Über Smart coating of textile for advance material application sprach Dr. Gaffar Hossain,v-trion GmbH, Bregenz. In seinem Unternehmen wird an selbstheilenden, hydrophoben, hydrophilen, antimikrobiellen, witterungsbeständigen und elektrisch leitenden Textilen geforscht. Smarte Textilien sind zum Beispiel Textilien mit Sensoren, die Bewegung registrieren und aufzeichnen können, zum Beispiel in der Funktion eines Schrittzählers aber auch als Maschine-Mensch-Interface. Ein großes Gebiet sind selbstreinigende Textilien, die mit Fluorchemikalien behandelt werden. Dann können spezielle Textilien als Filtermaterial Gemische von Wasser und Öl trennen. Auch antivirale beziehungsweise antimikrobielle Textilien werden hergestellt, die auf superhydrophoben Oberflächen beruhen.

Dr. Gaffar Hossain stellte in seinem Vortrag Smarte Textilien vor (Bild: ZHAW)

 

 

Funktionelle und smarte Beschichtungen am IMPE

Prof. Dr. Martin Winkler, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW, Winterthur, stellte die Forschung in den Labors an der ZHAW vor. Die Methoden zur Oberflächenmodifikation lassen sich in die Technologien Pfropfen (grafting from/to), Addi­tivieren der Bindemittelmatrix und Modifikation des Bindemittels einteilen. Als erstes Beispiel zu grafting to wurde fotoreaktives Skiwachs gezeigt, das dank Azid/Nitrenanbindung doppelt so lang am Ski haftet wie konventionelles Skiwachs. Bei der Winterolympiade 2018 wurden damit Medaillen gewonnen.

Prof. Dr. Winkler beim Laborrundgang (Bild: ZHAW)

 

Als Beispiel zur Additivierung zeigt er Easy-to-Clean Beschichtungen auf Transportbändern, die dank eines hydrophoben ­Additivs schmutzabweisend werden. Des ­Weiteren wurden antimikrobielle Wasserrohre vorgestellt, die mit quartären Ammoniumsalzen biozid ausgerüstet wurden. Durch Sol-Gel-Chemie können anorganisch-organische Hybridbindemittel hergestellt werden.

Bei Wundverbänden lassen sich durch neue Bindemittel allergene Reaktionen verhindern. Schließlich sprach Winkler über hydrophile Beschichtungen für Herzkatheter. Ein hydrophiles Polymer wird durch Azid/Nitrenchemie an den Katheter angebunden, welcher dann durch Blutkontakt eine schleimartige Oberfläche bildet und deshalb gut durch die Blutgefäße geschoben werden kann.

Modifikation von Beschichtungen

Der Vortrag von Dr. Sonja Neuhaus, Fachhochschule Nordwestschweiz, Brugg, ­hatte das Thema UV-Licht, Elektronenstrahlen, Plasma – starke Helfer für smarte Beschichtungen auf Kunststoffen. Die heutzutage verfügbaren UV-LED können die traditionellen Quecksilberdampflampen zur Härtung von Beschichtungen ersetzen. Allerdings emittieren die LED – im Gegensatz zu den Quecksilberlampen – in einem schmalen Wellenlängenbereich. Die Strahlung von UV-A LED dringt tief in die Beschichtung ein, härtet aber nicht die Oberfläche. Das kann genutzt werden, indem die noch klebrige Oberfläche mit einem anderen Material nachbeschichtet wird. Sonja Neuhaus nennt das ReLaFun, Reactive Layer Functionalization. Damit lassen sich beispielsweise kratzfeste, Easy-to-clean- oder Anti-fog-Beschichtungen realisieren.

Dr. Sonja Neuhaus informierte die Anwesenden unter anderem über ReLaFun – Reactive Layer Functionalization (Bild: ZHAW)

 

Mit Hilfe des Elektronenstrahlens lassen sich Enzyme auf Oberflächen immobilisieren, welche als Biosensoren eingesetzt werden können. Mit Atmosphärenplasma können Oberflächen aktiviert und beschichtet werden. Als Beispiel stellte sie mit Zinkoxidpartikeln beschichtete Oberflächen vor, die mit Licht schlechte Gerüche neutralisieren können.

Polyolefine ­beschichten und verkleben

Dr. Giulia Morgese, ZHAW Winterthur, sprach in ihrem Vortrag über Einfache nasschemische Vorbehandlung von Polyolefinen für die Beschichtung und Verklebung. Trotz ihrer immensen Bedeutung lassen sich Polyolefine wie PE oder PP nicht so einfach verkleben. Dies hängt mit ihrer inerten Oberfläche und der daraus resultierenden niedrigen Oberflächenenergie zusammen. Nur durch unspezifische, drastische und nicht-pemanente Verfahren wie die Plasmabehandlung können die genannten Kunststoffe verklebt werden.

Giulia Morgese hat deshalb einen durch UV-Licht aktivierbaren Primer entwickelt, der es ermöglicht, auch PE und PP mit verschiedenen Klebstoffen (Araldit, PU-Kleber, Sekundenkleber) aneinander zu binden. Sie konnte zeigen, dass mit ihrem Primer die Klebkraft mindestens so gut ist wie die mit den gängigen Plasmaverfahren. Allerdings muss der Kunststoff frei von Additiven sein, da sich ansonsten die Klebkraft verschlechtert. Sie hat auch gezeigt, dass – im Gegensatz zur Plasmabehandlung – ihre geprimerten Werkstücke über Monate gelagert werden können, ohne dass die darauffolgende Verklebung schlechter wird; die geprimerten Werkstücke sind also lagerstabil.

Beschichten von Implantatwerkstoff

Dr. Thomas Imwinkelried, RMS ­Foundation Bettlach, stellte die Frage, ob eine clevere Beschichtung Magnesiumimplantaten zum Durchbruch verhilft. Implantate ­bestehen heutzutage häufig aus Magnesium, weil es sich nach erfüllter Funktion wieder auflöst und verschwindet. Allerdings entsteht beim Auflösen des Magnesiums Wasserstoffgas und Magnesium ist anfällig für Spannungsrisskorosion. Magnesiumschrauben werden beispielsweise bei Haluxoperationen eingesetzt und Koronarstents bestehen aus Magnesium. Die von Imwinkelried empfohlene Beschichtung erfüllt unterschiedliche klinische Anforderungen beziehungsweise Effekte:

  • Auflösung ohne unerwünschte Nebenwirkungen
  • Verzögerung der Degradation
  • Vermeidung von Gasblasen
  • Gute mechanische Stabilität und somit kein vorzeitiges Versagen
  • Minderung der Spannungsrisskorrosion,
  • Verlängerung der Tragfähigkeit
  • Anwachsen von Knochen als erwünschte Gewebereaktionen

Daraus lässt sich als Fazit ableiten: Erst eine clevere Beschichtung schafft die technischen Grundlagen, um Magnesiumimplantaten zum Durchbruch zu verhelfen.

Dr. Thomas Imwinkelried (Bild: ZHAW)

 

Intelligente Textilien

Michael Steidle von der Textildruckerei Mayer aus Meßstetten-Unterdingisheim, sprach über Sensorik und Aktorik, intelligente Textilien der nächsten Generation. Seiner Erfahrung zufolge besteht ein Bedarf an Textilien, die leitend, stützend, erfassend (Sensoren), meldend, visualisierend und schützend sind. Das Unternehmen Mayer hat ein Bezugsmaterial für komfortable und robuste Arbeitsstühle entwickelt, welches so weich und atmungsaktiv wie Stoff und dabei so robust wie Integralschaum ist. Möglich wird dies durch eine Mikropanzerung, die auf ein Trägertextil aufgebracht wird.

Michael Steidle berichtete über intelligente Textilien (Bild: ZHAW)

 

Im Automobilbau werden viele ­funktionale Textiloberflächen benötigt, so beispielsweise zur Heizung, zur Sensorik und zur Aktorik. Diese neuen Textilien werden das Automobil, so wie wir es kennen, stark verändern.

Fazit

Wie jedes Mal klang der Winterthurer Oberflächentag (WOT) mit einem gemütlichen Grillabend aus. Die Organisatoren freuen sich, zahlreiche interessierte Teilnehmer und Teilnehmerinnen am nächsten WOT 2023 an der ZHAW begrüßen zu dürfen. Termin und Thema des WOT 2023 werden zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgegeben.

Relevante Unternehmen

Video(s) zum Thema

Werbepartner

Links zu diesem Artikel

Aus- und Weiterbildung

Top