Elektrochemisches Glätten von Metallen durch ionenleitende Festkörper in schwach leitenden Lösungen

Medizintechnik 08. 06. 2022

Von Maximilian Eckla, Rene Böttcherb, Luca Wölka, Melina Wingeratha, Carlos Barbado Fernándeza, M. Lucia Nascimentob, Lukas Göhlera, Daniel Stelzera und Andreas Bundb

Für Anwendungen in der Dentaltechnik ist es von großer Bedeutung, die Oberfläche homogen zu glätten und gleichzeitig die filigranen Bauteile, wie zum Beispiel seitliche Spangen von Dentalteilen, zu erhalten. Klassische Glanzbäder zum Glätten von Cobalt-Chrom-Dentalteilen, können zwar die Oberfläche glätten, jedoch kann dies abhängig von der Form des Werkstücks sehr ungleichmäßig erfolgen. Als Alternative gibt es auf dem Markt seit einigen Jahren schwach leitende Elektrolyte mit ionenaustauschenden Festkörperpartikeln auf Basis von Styrol-Copolymeren und sulfoniertem Divinylbenzol. Zur Bewertung der Verfahren dient ein direkter Vergleich beider Methoden in Bezug auf das Elektropolierergebnis und die erzielte Oberflächenqualität mittels optischer Mikroskopie und Rauheitsmessungen. Dabei wurde ein Glanzbad aus Schwefelsäure und Ethylenglycol (Megalyt, Megadental GmbH) mit einem auf ionenaustauschenden Polymeren basierenden Elektrolyten (MFB Grey/DL4, OTEC Präzisionsfinish GmbH) verglichen.

1 Einleitung

Das Elektropolieren ist ein technisches Verfahren, bei dem die Rauheit einer Metall­oberfläche durch gezieltes elektrochemisches Auflösen mittels eines anodischen Stroms in einem Elektrolyten verringert wird. Im Gegensatz zum mechanischen Polieren ist hierbei kein Schleifmittel nötig, welches die kristalline Struktur des Werkstücks verändern beziehungsweise in die Oberfläche eingearbeitet würde. Somit ist es möglich, empfindliche und komplex geformte Werkstücke ohne Eintrag von Verunreinigungen und mechani­sche Verformung zu glätten. Diese ­Vorteile führten in den letzten Jahren zu einer zunehmenden kommerziellen Anwendung des Elektropolierens, vor allem im Bereich medizinischer Implantate und der Zahnmedizin.

Obwohl das Prinzip, eine Oberfläche durch anodisches Auflösen zu glätten, bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch Beutel [1] und Spitalski [2] beschrieben wurde, basiert der Großteil der noch heute ­verwendeten Elektropolierlösungen auf den Studien von Figour [3] und Jacquet [4] aus den 1930er-Jahren. Systematische Untersuchungen während der darauffolgenden Jahrzehnte verdeutlichen, dass das Elektropolieren auf die Ausbildung einer diffusionslimitierten Schicht zurückzuführen ist, die insbesondere den Abtrag von Mikrorauheiten verursacht [5–12]. Nach Landolt [13], Yang [14] und Han [15] lässt sich das Ausbilden dieser Schicht durch folgende Modelle erklären:

  • Salzfilm-Mechanismus: Ausbilden eines gesättigten Metallsalzfilms oder einer Passivschicht. Die Reaktionsgeschwindigkeit der Metallauflösung wird durch die Diffusion der Metallionen durch diesen Film in den Elektrolyten begrenzt.
  • Akzeptor-Mechanismus: Reaktion des Metalls (M) mit einem Akzeptor (A) zu einem Komplex MxAy. Die Reaktionsgeschwindigkeit der Metallauflösung wird durch die Diffusion des Akzeptors zur Metalloberfläche begrenzt.

Um eine möglichst glatte und glänzende Oberfläche zu erhalten, müssen der Elektro­polierprozess, der Elektrolyt und das Mate­rial des Werkstücks gut aufeinander abgestimmt werden [14, 15]. Es gibt zahlreiche Elektrolytsysteme, die aus Gemischen von starken Säuren, aus neutralen Lösungen oder nicht-wässrigen Lösungen bestehen [16]. Diese zeichnen sich im Allgemeinen dadurch aus, dass die flüssige Elektrolytlösung das Werkstück durch Anlegen anodischer Potentiale auflöst, auf diese Weise Material abträgt und die Oberfläche glättet, weshalb diese als Glanzbäder bezeichnet werden. Die Nachteile dieser Elektrolyte sind jedoch, dass diese oft sehr korrosiv sind und gesundheitsschädliche Komponenten enthalten und dass sie zu einer starken Gasentwicklung an den Elek­troden neigen. Zusätzlich werden durch Abschirmung des elektrischen Feldes innenliegende Bereiche von komplex geformten Bauteilen schlechter beziehungsweise gar nicht bearbeitet.

Eine Alternative hierzu bieten ionenaustauschende Polymere auf Basis Styrol-Copolymeren und sulfoniertem Divinylbenzol, die eine deutlich bessere und homogenere Bearbeitung der Oberfläche ermöglichen [17, 18]. Der Metallabtrag wird dadurch herbeigeführt, dass eine über die Polymerpartikel leit­fähige Verbindung zwischen Werkstück (Anode) und einer Kathode aufgebaut wird. Diese Partikel können trocken [18, 19] oder in einer nicht leitenden Flüssigkeit [20] suspendiert eingesetzt werden. Dadurch können umweltfreundlichere und weniger korrosive Chemikalien zum Einsatz kommen als beim herkömmlichen Elektropolieren in Glanzbädern. Da jedoch eine leitende Verbindung zufällig und chaotisch gebildet wird, ist der Materialabtrag verglichen zum Standardprozess langsamer. Auch können durch ein Fest­setzen von Partikeln auf der Oberfläche lokale Defektstellen (Pitting) entstehen [17].

Ein Kompromiss beider Methoden stellt ein seit etwa vier Jahren kommerziell angebotenes Verfahren dar, bei dem ­ionenleitende Polymere in Form von Ionenaustauschern in einer Lösung mit leitfähigen tensidischen Komponenten vermischt werden. Der elektrolytische Kontakt wird nicht nur durch die Poly­merpartikel, sondern auch durch die elektrisch leitfähige Lösung hergestellt. Dadurch kann bei gleicher Prozesszeit ein höherer Abtrag erzielt werden. Ein Beispiel hierfür ist das Gemisch MFB Grey/DL4 der OTEC Präzisionsfinish GmbH, das aus den oben genannten ionenleitfähigen Festkörperpartikeln (Copolymer von Styrol und sulfoniertem Divinylbenzol, MFB Grey) [21] und einem Gemisch aus Ethylenglycol, Petroleum, Isoparaffinen, Tensiden, Netzmitteln und Glycerin (DL4) [22] besteht. Obwohl DL4 eine gewisse Leitfähigkeit besitzt, leistet es keinen unmittelbaren Beitrag zum Materialabtrag, sondern dient nur der besseren elektrischen Kontaktierung der Partikel (Abb. 1).

Abb. 1: Schematische Skizze der Auflösung einer Metalloberfläche in MFB Grey/DL4-Elektrolyten; Metallionen (Mez+) werden während des Elektropolierprozesses durch den ionenleitenden Feststoff aufgenommen, während die leitfähige Flüssigkeit zur Reduzierung des Widerstands des Elektrolyten zwischen Anode, ionenleitenden Festkörpern und der Kathode dient

 

Im vorliegenden Beitrag wird ein direkter Vergleich zwischen Oberflächen von Dentalgussteilen, die durch konventionelles Elek­tropolieren im Glanzbad (Megalyt, Megadenta GmbH [23]) beziehungsweise mit schwimmenden ionenleitfähigen ­Polymeren (MFB Grey/DL4, OTEC Präzisionsfinish GmbH) behandelt wurden, gezogen.

2 Ergebnisse

Abbildung 2 zeigt ein Dentalteil aus einer CoCr-Legierung vor dem Elektropolieren. Für eine bessere Vergleichbarkeit wurden die Oberflächen vorher sandgestrahlt, sodass eine homogene, für den Vergleich geeignete Oberfläche entsteht. Die Herausforderung des Elektropolierens dieses Werkstücks besteht darin, die großflächigen Bereiche auf der Vorder- (Abb. 2a und 2b) und Rückseite (Abb. 2c und 2d) des Werkstücks gleichmäßig zu glätten, ohne dabei die seitlich angebrachten Spangen (Abb. 2a und c) zu stark zu verrunden und so die Maßhaltigkeit des Werkstücks zu erhalten.

Abb. 2: Fotografische (a und c) und Mikroskopaufnahmen (Vergrößerung 15x) (b und d) der Vorder- (a und b) beziehungsweise Rückseite (c und d) eines Dentalteils vor dem Elektropolieren

 

In Abbildung 3 ist das Dentalteil nach der Elektropolitur (20 min, 20 V, 6 A) mit dem konventionellen Elektrolyten abgebildet. Es ist gut zu erkennen, dass trotz einer sehr guten Glättung und des glänzenden Erscheinungsbildes der seitlichen Spangen und der Rückseite (Abb. 3c und d), die innenliegende Gaumenfläche auf der Vorderseite (Abb. 3a und b) zwar eine Aufhellung erfährt, aber optisch matt und rau bleibt. Anhand der in Tabelle 1 aufgeführten mittleren Rauheiten Ra lässt sich dies bestätigen: Während der Ra-Wert der Rückseite, verglichen mit dem unbehandelten Werkstück, deutlich reduziert wird, bleibt der Wert auf der Vorderseite nahezu unverändert.

Abb. 3: Fotografische (a und c) und Mikroskopaufnahmen (Vergrößerung 15x) (b und d) der Vorder- (a und b) bzw. Rückseite (c und d) eines Dentalteils nach dem Elektropolieren für 20 min bei 20 V in Megalyt (Megadental GmbH)

 

Ein Erklärungsansatz dafür ist, dass in diesen innenliegenden Bereichen durch den Elek­trolytwiderstand der Materialabtrag deutlich langsamer ist, wodurch in der hier betrachteten Prozesszeit diese nicht ­beziehungsweise nur schlecht bearbeitet werden. Dies ließe sich zwar durch Einbringen einer weiteren Hilfskathode beheben, jedoch ist dies technisch deutlich aufwändiger.

Abbildung 4 zeigt das Dentalteil nach der Elektropolitur mit ionenaustauschenden Polymerpartikeln (20 min, 20 V, 4 A). Sowohl die seitlichen Spangen und die Rückseite als auch die innenliegende Gaumenfläche wurden mit dem Verfahren effektiv geglättet und wirken glänzend (Abb. 4a und 4c). Die Werte für die mittlere Rauheit (Tab. 1) zeigen nicht nur eine Verringerung des Ra-Werts auf der Vorderseite, sondern auch eine deutliche ­Reduktion des Rauheitswerts auf der Rückseite bei gleicher Bearbeitungszeit.

Abb. 4: Fotografische (a und c) und Mikroskopaufnahmen (Vergrößerung: 15 x) (b und d) der Vorder- (a und b) beziehungsweise Rückseite (c und d) eines Dentalteils nach dem Elektropolieren für 20 min bei 4 A im MFB Grey/DL4-Elektrolyt (OTEC); aufgrund der spiegelnden Oberfläche erscheinen die Mikroskopaufnahmen in b und c sehr dunkel

 

Obwohl ein Materialabtrag nur dann erfolgt, wenn die Rauheitsspitzen mit den Körpern des MFB Grey in Kontakt kommen (Abb. 1), bewirkt die bessere elektrische Kontaktierung der Bauteile durch das Zusammenspiel der ionenleitenden Festkörper und der unter­stützenden Lösung, dass sowohl Konturen nahe der Kathode als auch weiter entfernte Bereiche, zum Beispiel innenliegende Oberflächen, gleichmäßig geglättet werden.

3 Zusammenfassung

Im Rahmen dieses Beitrags konnte anhand von Dentalteilen demonstriert werden, dass die Verwendung von ionenleitenden Festkörpern als elektrochemisch aktives Medium in einer elektrisch leitfähigen Lösung bei gleicher Bearbeitungszeit eine ­bessere und homogenere Glättung ermöglicht als ein klassisches säurehaltiges Glanzbad. Die homogenere Oberflächenbehandlung mittels MFB Grey/DL4 (OTEC Präzisionsfinish GmbH) lässt sich darauf zurückzuführen, dass der Materialabtrag nicht durch die Lösung selbst verursacht wird, sondern vorwiegend durch die Festkörperpartikel, wenn sie mit den Rauheitsspitzen in Kontakt kommen. Die gleichmäßige Glättung im Glanzbad kann durch Einbringen einer weiteren Hilfskathode erreicht werden, was jedoch technisch anspruchsvoller als der Wechsel des Elektro­politurmediums ist.

Neben der qualitativen Verbesserung der Oberflächengüte enthält MFB Grey/DL4 keine freien Säuren, wodurch dieser weniger korrosiv und umweltverträglicher ist als ein vergleichbarer säurebasierter Elektrolyt. Darüber hinaus ist der Einsatz dieses Elektrolyten nicht nur auf CoCr-Legierungen beschränkt, sondern wurde bereits erfolgreich an Kupferlegierungen, Messing und Silber erprobt.

Literatur

[1] E. Beutel: in Veröffentlichungen der Chem. Tech. Abteilung des Kais. Königlichen Lehrmittelbüros, Wien, 1907

[2] Spitalsky; Deutsches Patent Nr. 225.873, 1910

[3] H. Figour, P. A. Jacquet; Französisches Patent Nr. 707526, 1930

[4] P. A. Jacquet; Nature (1935) 135, S. 1076

[5] J. Edwards; J. Electrochem. Soc. (1953) 100, S. 189C

[6] W. C. Elmore; J. Appl. Phys. (1939) 10, S. 724

[7] C. L. Faust; J. Electrochem. Soc. (1949) 95, S. 62C–72C

[8] D. R. Gabe; Metallography (1972) 5, S. 415

[9] K. B. Hensel; Met. Finish. (2002) 100, S. 425

[10] P. A. Jacquet; Metall. Rev. (1956) 1, S. 157

[11] C. Wagner; J. Electrochem. Soc. (1954) 101, S. 225

[12] J. Toušek; Corros. Sci. (1975) 15, S. 113

[13] D. Landolt; Electrochim. Acta (1987) 32, S. 1

[14] G. Yang, B. Wang, K. Tawfiq, H. Wei, S. Zhou, G. Chen; Surf. Eng. (2017) 33, S. 149

[15] W. Han, F. Fang; Int. J. Mach. Tools Manuf. (2019) 139, S. 1–23

[16] M. Buhlert: Elektropolieren - elektrolytisches Glänzen, Glätten und Entgraten von Edelstahl, Stahl, Messing, Kupfer, Aluminium und Titan; 2. Aufl., Leuze Verlag, 2017

[17] N. K. Krioni, A. D. Mingazhev, V. A. Gafarova; J. Phys.: Conf. Ser. (2021) 1891, S. 012028

[18] P. Sarsanedas Millet, Patent Nr. WO2017186992A1, 2017

[19] Y. Cheng, L. Wang, S. Yu, R. Min; J. Alloys Compd. (2021) 854, S. 157269

[20] M. Sarsanedas Gimpera, G. Riu Perdrix, J. J. Roa Rovira, Patent Nr. ES2904576A1

[21] OTEC Präzisionsfinish GmbH, MFB 0.5 amber, MFB 0.5 grey, MFB 1.0 grey, Straubenhardt, 2022 (überarbeitet am: 16.05.2022). – Sicherheitsdatenblatt

[22] OTEC Präzisionsfinish GmbH, DL 4, Straubenhardt, 2022 (überarbeitet am: 14.01.2022) – Sicherheits­datenblatt

[23] megadental GmbH, megalyt Glanzelektrolyt, Büdingen, 2021 (Stand: 21.09.2021). – Sicherheitsdatenblatt

a OTEC Präzisionsfinish GmbH, Straubenhardt

b Technische Universität Ilmenau, Fachgebiet für Elektrochemie und Galvanotechnik, Ilmenau

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