Sensor aus neuartigem Material bietet Alternative für Blutzuckermessung

Medizintechnik 07. 03. 2022
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Ein interdisziplinäres Team aus Forscher und Forscherinnen der TU Bergakademie Freiberg hat aus einem biobasierten Werkstoff ein neuartiges Sensormaterial entwickelt, das eine enzymfreie Messung der Glukosekonzentration im Blut ­ermöglichen könnte.

Wer mit Diabetes lebt, kommt ohne sie nicht aus – die Teststreifen für die Messung des Blutzuckerspiegels. Sie enthalten Enzyme, die mit der Glukose im Blut reagieren. Einmal angewendet, funktioniert die herkömmliche photometrische oder elektrochemische Messung mit Hilfe der Enzyme nicht mehr und der Teststreifen wird entsorgt, erklärt Prof. Yvonne Joseph von der TU Bergakademie Freiberg. Enzyme seien Proteine, die biochemische Reaktionen auslösen. Als ­Eiweiße seien sie allerdings nicht temperaturstabil, so die Professorin für Elektronik- und Sensormaterialien weiter. Gemeinsam mit ihrem Team hat sie sich auf die Suche nach einem alternativen Sensormaterial begeben.

Fündig geworden ist Prof. Yvonne Joseph im Labor ihres Kollegen, Prof. Hermann Ehrlich. Der Experte für Biomimetik entwickelt schon seit mehreren Jahren neuartige biobasierte Werkstoffe mit Potenzial für die Sensorik. Ein mit dem Mineral Atacamit versehener Badeschwamm kam für die Glukosemessung in Frage. Die einzigartige Struktur des mikroporösen 3D-Schwammgerüsts fördert nach Aussage der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Dr. Parvaneh Rahimi effizient die Aktivität von Atacamit als Elektrokatalysator. Daher könnten Glukosemoleküle schnell und einfach in das poröse 3D-Netzwerk diffundieren, was die Elektronenübertragung zwischen Glukose und Atacamit erleichtere und zu den leistungsstarken Eigenschaften des Glukosesensors führe, erklärt Dr. Rahimi.

Sie zerkleinerte das Sensormaterial aus dem Schwamm und versetzte es mit Kohlenstoff als elektrischem Leitmaterial und Paraffinöl als Binder. Dann brachte sie die homogene Paste auf einen Teflonhalter auf, der als Elektrodenkörper diente. Tauchte Dr. Parvaneh Rahimi die Elektrode mit dem neuartigen Funktionsmaterial nun in eine Glukoselösung, diffundierten die Zuckermoleküle in den porösen beschichteten Schwamm. An dessen Oberfläche reagierten sie und gaben Elektronen ab, was zu einem messbaren Stromfluss führte.

Potenzial für enzymfreie und ­wiederverwendbare ­Teststreifen für Diabetesmanagement

Die Forschenden testeten die neuartige Messmethode in zwei Schritten; mit einer glukosehaltigen Lösung sowie mit drei verschiedenen Blutproben anonymer Spenderinnen und Spender aus einer Freiberger Arztpraxis. Beide Tests erwiesen sich als langzeitstabil. Das heißt, sie ergaben über den Zeitraum von einem Monat dasselbe Messergebnis, sagt Prof. Yvonne Joseph. Als Sensor wäre das Material also wiederverwendbar. Bis zu einer möglichen Anwendung in Teststreifen für Diabetesmanagement müsste das neuartige Sensormaterial noch weitere Tests sowie klinisch-pharmakologische Studien durch­laufen.

Hintergrund: ­Sensormaterialien aus gezüchteten Schwämmen

Aus einem gezüchteten marinen Schwamm entwickelten die Forschenden der TU Berg­akademie Freiberg den Werkstoff Sponging-Atacamit (https://tu-freiberg.de/presse/
filtern-statt-duschen-forschende-entwickeln-neuen-werkstoff-aus-badeschwamm
). Reagieren die Fasern des Badeschwamms mit einer kupferhaltigen ­Ammoniaklösung entsteht das Mineral Atacamit. Dieses Mine­ral, dass in der Natur nur sehr ­selten vorkommt, heftet sich so stark an die Schwammfasern, dass ein robustes Material entsteht.

Für die Erforschung des neuartigen Werkstoffs aus in Tunesien gezüchteten Schwämmen wurden keine Experimente an lebenden Organismen durchgeführt. Bei Zucht und Ankauf der verwendeten Schwämme wurden alle Vorgaben des Nagoya-Protokolls für den Zugang zu genetischen Ressourcen und gerechten Vorteilsausgleich eingehalten.

Kontakt:

Prof. Dr. rer. nat. Yvonne Joseph,
E-Mail: yvonne.joseph@esm.tu-freiberg.de

Text zum Titelbild: Dr. Parvaneh Rahimi zeigt die Elektrode mit dem neuartigen Sensormaterial (Bild: TU Bergakademie Freiberg)

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