Wie die Ausbreitung wasserstoffinduzierter Risse in Stählen gestoppt wird

Werkstoffe 05. 09. 2021
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Max-Planck-Wissenschaftlerteam veröffentlicht neueste Erkenntnisse in der Zeitschrift Nature Materials

Wasserstoff – das kleinste aller Atome und doch immer wichtiger zur Erreichung einer klimaneutralen Wirtschaft. Während Politik, Industrie und Forschung darauf hinarbeiten, möglichst viel Wasserstoff als nachhaltigen Energieträger zu nutzen, ist die Wasserstoffversprödung von hochfesten Legierungen zu einem der Hauptprobleme geworden, die die Realisierung der Wasserstoffwirtschaft behindern. Hochfeste Legierungen werden in der Automobil- und Luftfahrtindustrie dringend benötigt für den Bau von Leichtbaukomponenten und in allen anderen Bauteilen, die zur Speicherung und zum Transport von Wasserstoff eingesetzt werden. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des Max-Planck-Instituts für Eisenforschung (MPIE) und ihre Kollegen und Kolleginnen von der Tsinghua University China und der Norwegian University of Science and Technology haben einen Weg gefunden, wasserstoffinduzierte Risse in hochfesten Stählen zu stoppen. Das Forscherteam veröffentlichte ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift Nature Materials.

Stähle machen nach Aussage von Dr. Binhan Sun, Postdoktorand, Themenleiter für Wasserstoffversprödung in Hochleistungslegierungen am MPIE und Erstautor der Publikation, 90 Prozent des weltweiten Markts für Metalllegierungen aus und hochfeste Stähle können besonders anfällig für Wasserstoffversprödung sein. Deshalb war es unser Ziel, eine kostengünstige, skalierbare Strategie zu finden, um hochfeste Stähle unter Beibehaltung ihrer mechanischen Leistungsfähigkeit widerstandsfähiger gegen Wasserstoff zu machen, erklärt Dr. Sun. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen implementierten manganreiche Bereiche in die Mikrostruk­tur des Stahls, um Risse abzustumpfen und Wasserstoff darin einzufangen und so die Rissausbreitung zu stoppen. Sie haben ihre Methode mit hochfesten Manganstählen getestet, in denen sie eine extrem hohe Anzahldichte (über ~2 × 1018 m-3) von manganreichen Pufferzonen erzeugt haben. Diese Pufferzonen stellen Sackgassen für Risse dar,indem sie scharfe Risse abstumpfen. Dadurch wird der Stahl doppelt so widerstandsfähig gegen Wasserstoff wie herkömmliche chemisch homogene Stähle, unabhängig davon, wann und wie Wasserstoff in das Material eingedrungen ist, sagt Dr. Dirk Ponge, Leiter der MPIE-Gruppe Mechanism-based Alloy Design, der das Forschungsprojekt betreut.

Die vorgestellte Methode lässt sich prinzipiell auf über zehn etablierte Stahlsorten anwenden. Mögliche Anwendungen sehen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen auch für andere Legierungssysteme (z. B. mehrphasige Titanlegierungen), die fest, ­duktil und wasserstoffbeständig sein sollen. Bevor jedoch das Spektrum der Legierungen erweitert wird, wollen die Forschenden nun verschiedene Methoden finden, um Pufferzonen mit chemischer Heterogenität innerhalb des Gefüges präzise zu erzeugen. Diese verschiedenen Methoden könnten den Effekt der Rissbeständigkeit weiter verstärken und besser zu den etablierten industriellen Verarbeitungsrouten passen.

Originalveröffentlichung:

B. Sun, W. Lu, B. Gault, R. Ding, S. K. Makineni, D. Wan, C.-H. Wu, H. Chen. D. Ponge, D. Raabe: Chemical heterogeneity enhances hydrogen resistance in high-strength steels; in: Nature Materials 2021, https://doi.org/10.1038/s41563-021-01050-y

 

Chemische Heterogenität innerhalb der Mikrostruktur führt zu einer verbesserten Beständigkeit gegen wasserstoffinduzierte Rissbildung und unterdrückt damit ein wasserstoffinduziertes vorzeitiges Materialversagen (linkes Bild.). Diese Mikrostruktur wurde in einem hochfesten manganhaltigen Stahl eingestellt, indem eine hohe Dichte an ultrafeinen manganreichen Zonen erzeugt wurde, die dazu dienen, wasserstoffinduzierte Mikrorisse abzustumpfen und aufzuhalten (einige der manganreichen Pufferzonen sind durch rote Ellipsen im rechten Bild markiert) (Bildquellen: MPIE/B. Sun et al, Nat. Mater. 2021)

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