Manufaktur in Serie

Oberflächen 08. 04. 2021
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In ihrem neuen Fast Plating Center bietet die Holzapfel Group Einzelteilbeschichtung in Hochgeschwindigkeit: Beschichtungstechnologie für Bauteile mit besonderen Herausforderungen

Seit 2017 ist der italienische Hersteller von galvanischen Sonderanlagen FPP Fast Plating Process S.r.l. Teil der Holzapfel Group. Seither haben wir gemeinsam intensiv an der Weiterentwicklung der Beschichtung im Hoch­geschwindigkeitsverfahren gearbeitet, erklärt Michael Immel, Geschäftsführer beim Tochterunternehmen FPP. Jetzt bieten wir bei der Holzapfel Group die Technologie erstmals innerhalb Deutschlands als Lohnbeschichtung an. Um die Technologie in Deutschland zu lokalisieren, wurde eine Flächenerweiterung am Standort Sinn vorgenommen und ein Gebäude speziell auf die Erfordernisse der neuen Beschichtungsanlagen ausgerichtet.

Für komplexe Anforderungen ­hochwertiger Automobilteile

Auf den geschaffenen Produktionsflächen werden nun zwei Großkundenprojekte umgesetzt: In beiden Fällen werden Bauteile für die Automobilindustrie in hohen Stückzahlen und mit komplexen Anforderungen in Serie beschichtet. Neben den neu geschaffenen Fertigungsflächen für die Beschichtungstechnik wurde auch in ergänzende Technologien wie Reinigungsanlagen, einen Sauberraum sowie Laborkompetenz samt neuer Analysegeräte, zum Beispiel ein Rasterelek­tronenmikroskop, investiert.

Einzelteilbeschichtung in ­geschlossenen Zellen

Die Bauteile werden mit der neuen Verfahrenstechnik nicht am Gestell oder in der Trommel beschichtet, sondern einzeln. Die Beschichtung wird in verhältnismäßig kleinen, geschlossenen Zellen durchgeführt. Durch dieses Design können höhere Stromdichten als in der konventionellen Beschichtung realisiert werden, wodurch deutlich kürzere Beschichtungszeiten erreicht werden. Die auf das Bauteil abgestimmte Technologie sorgt für die Einhaltung der artikelspezifischen Beschichtungsparameter und eine verlässlich reproduzierbare, sehr hohe Beschichtungsqualität.

An den Start gegangen ist die Holzapfel Group mit unterschiedlich konzipierten Anlagen zur Beschichtung in Hochgeschwindigkeit.

Die Hochgeschwindigkeits-Beschichtungsanlage mit einem anderen Konzept und oktogonalem Aufbau zeigt die Individualität der Fast Plating-Beschichtungstechnologie, die speziell auf das Bauteil und seine Anforderungen zugeschnitten wird (Bild: Holzapfel Group/imago)

 

Hohe Anforderungen an den Verschleißschutz

Eine Anlage ist speziell für die Hartverchromung von Ventilen im Ein- und Auslasstrakt von Verbrennungsmotoren entwickelt und gebaut worden. Durch ihre besondere Einbausituation stellen die Ventile hohe Anforderungen an die Beschichtung. Im Betriebs­zustand im Verbrennungsmotor bewegen sie sich permanent, um Frischluft einzulassen (Einlassventile) beziehungsweise Verbrennungsgase (Auslassventile) ausströmen zu lassen. Mechanisch werden sie durch die permanente Bewegung belastet und sind Reibung ausgesetzt. Außerdem sind die Ventile durch die hohen Temperaturen der Verbrennungsgase stark temperaturbelastet. Auch korrosive Belastung, beispielsweise durch kondensierende Abgase, kann auftreten. Aus diesen Gründen benötigen die Ventile einen hohen Verschleiß- und Korrosionsschutz, wie er durch eine Hartverchromung erreicht wird.

Anlage beschichtet ­Ventile in Sekundenschnelle

Je nach gewünschter Schichtstärke beschichtet die neue Anlage der Holzapfel Group die Ventile in 15 bis 25 Sekunden. Ein Roboter be- und entlädt die Ventile direkt aus den Kundentrays. Auch innerhalb der Beschichtungsanlage laufen alle Prozesse vom elektrolytischen Entfetten über Spüle und elektrolytisches Ätzen bis zur Hartverchromung und dem anschließenden Polieren automatisiert. So können bei entsprechender Schichtstärke Stückzeiten von vier Sekunden pro Bauteil realisiert werden. Ein Mitarbeiter überwacht die Anlage und versorgt sie mit Bauteilen.

Die Anlage arbeitet mit modernster Technologie, beispielsweise mit hochmodernen Einzelteiltrichtern und Roboterarmen zur auto­matisierten Be- und Entstückung. Da die definierten Bedingungen für alle Bauteile vom Gleichrichter über die Stromzufuhr bis zur Zirkulation exakt gleich sind, ist die Beschichtung extrem gleichmäßig und in hohem Maße reproduzierbar. Eine kontinuierliche Überwachung der Prozessparameter unterstützt die Konstanz der Bedingungen, so dass n.i.O.-Teile erst gar nicht entstehen beziehungsweise sofort erkannt werden.

Geschwindigkeit ist ­quasi ein Nebeneffekt

Das Besondere an der Technologie ist nach Aussage von Michael Immel, dass bei dieser Art der Einzelteilbeschichtung nahezu immer das gleiche Beschichtungsergebnis erreicht wird. Die reproduzierbaren Parameter sorgen für eine immer gleiche Schichtstärke und Schichtdickenverteilung an jedem Bauteil. Die Schnelligkeit der Beschichtung ist gar nicht das Ziel, sondern eine Notwendigkeit der Einzelteilbeschichtung, erläutert Immel weiter: Bei der Gestellbeschichtung werden viel mehr Bauteile je Arbeitsgang beschichtet. Um den Aufwand der Einzelteilbeschichtung zu kompensieren und eine vergleichbare Produktivität zu erreichen, muss die Technologie deutlich schneller arbeiten. Je nach Verfahren erfolge daher die Abscheidung bei der Einzelteilbeschichtung mit unterschiedlich hoher Geschwindigkeit, so Immel weiter. Bei schneller Beschichtung wird bei Holzapfel vom Fast Plating gesprochen, bei extrem hohen Abscheidegeschwindigkeiten vom High Speed Plating.

Die im Vergleich zu konventionellen Galvanik­anlagen kleinen Anlagen haben zudem den Vorteil, dass die Anlagentechnik auch in bestehende Fertigungslinien bei Kunden integriert werden kann.

Nachhaltige Technologie

Ein weiterer Nutzen der Technologie ist ihre Umweltfreundlichkeit im Vergleich mit konventionellen Beschichtungsanlagen. So wird der Energieverbrauch erheblich reduziert: Die Anlagen benötigen etwa 35 Prozent weniger Strom für den Betrieb des Gleichrichters und rund 50 Prozent weniger Strom für die Heizsysteme. Es werden etwa 90 Prozent weniger Emissionen ausgestoßen. Der CO2-Fußabdruck der Technologie ist damit deutlich kleiner als der einer klassischen Galvanikanlage. Für mehr Umweltschutz sorgt auch der reduzierte Wasserverbrauch: Bei Recycling beträgt die Ersparnis 80 Prozent. Die Anlagen des gekapselten Galvaniksystems benötigen nur etwa 25 bis 30 Prozent des Platzbedarfs einer konventionellen Galvanik­anlage.

Detailreiche ­Oberflächenanalyse in neuem Labor

Mit dem Aufbau ihres neuen Fast Plating Centers hat die Holzapfel Group auch ihre Labortechnik ausgebaut und neue Möglich­keiten der Oberflächenanalyse geschaffen. Neben neuen Räumlichkeiten wurden neue Analysegeräte angeschafft, die vor allem in der Forschung & Entwicklung für neue Oberflächenverfahren Unterstützung bieten. Zudem ermöglichen die Analysegeräte wie Rasterelektronen- und Konfokalmikroskop mit ihren Analysemethoden eine schnellere Prozessentwicklung. Zudem kann durch die Inhouse-Analyse agiler und flexibler überwacht werden als bei der Übermittlung von Proben an einen externen Dienstleister.

Ein Rasterelektronenmikroskop im neuen Fast Plating Center der Holzapfel Group (Bild: Holzapfel Group/imago)

 

Mit dem Rasterelektronenmikroskop kann die Holzapfel Group beispielsweise ­bessere und sehr detailreiche Oberflächenuntersuchungen vornehmen, bis hin zur Untersuchung von Elementen auf der Oberfläche mittels EDX-Analyse. Diese mikroskopischen Analysegeräte werden für präzise Oberflächen­betrachtungen eingesetzt, zum Beispiel für tiefenscharfe Analysen der Mikrostruktur mit hoher Vergrößerung. Auch feinste Konturen werden sehr gut dargestellt. Mit dem Raster­elektronenmikroskop erzeugte Aufnahmen ermöglichen deutlich genauere Betrachtungen von Kennwerten wie Schichtstärken, Schichtzusammensetzung und Schichtdickenverteilung, auch serienbegleitend.

Text zum Titelbild: Anlage zur Einzelteilbeschichtung von Ventilen für die Automobilindustrie im Fast Plating Center der Holzapfel Group(Bild: Holzapfel Group/imago)

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