Charakterisierung von Oberflächenstrukturen

Werkstoffe 08. 11. 2020

Von Prof. Dr. Dietmar Schorr, Duale Hochschule Karlsruhe und Steinbeis-Transferzentrum Tribologie

Die Oberfläche eines Bauteils bestimmt deren Funktion (Reibung, Verschleiß, Dichtverhalten) und das optische Erscheinungsbild. Dazu ist es hilfreich, die verschiedenen Verfahren der Bildgebung durch statistische Verfahren zu erweitern. Vor allem die Nutzung der dreidimensionalen Darstellungsmöglichkeiten der Abbildungen von Licht- und Rasterelektronenmikroskopen unterstützt den Erkenntnisgewinn der mechanischen Oberflächenbearbeitung von Werkstoffen sowie der funktionellen Beschichtung von Bauteilen.

Die Mikrostrukturen von Oberflächen bestimmen das funktionale Verhalten von Bauteilen bezüglich Reibung, Verschleiß, Schmierung und Dichteigenschaften. Zur Bewertung der Mikrostrukturen werden diese durch dreidimensionale Oberflächenmessungen erfasst und anschließend die Merkmale durch geeignete Auswertungen charakterisiert. Je nach der zu bewertenden Funktion einer Oberfläche werden unterschiedliche Merkmale durch spezielle Auswertungen der Oberflächenmessungen charakterisiert und teilweise durch Kennwerte aus den entsprechenden Normen beschrieben.

Oberflächenspitzen

Die Oberflächenanalyse mit Bewertung der Oberflächenspitzen dient der Analyse von singulären Oberflächenerhabenheiten. Diese spielen bei tribologischen Systemen in Zusammenhang mit Elastomeren oder in der Medizintechnik eine wichtige Rolle.

Die Oberflächenspitzen lassen sich durch den Kennwert Spd (Dichte der Oberflächenspitzen) aus der ISO 25178 beschreiben. Dieser ist definiert als Anzahl der Spitzen je Flächeneinheit. Hierbei werden Spitzen unterschiedlich definiert, das heißt einmal als Peak und einmal als höchster Punkt zu unmittelbar vier angrenzenden Nachbarspitzen. Durch eine spezielle Auswertung ist es möglich, die Oberflächenspitzen hinsichtlich Ihrer Anzahl zu erfassen und diese in Histogrammen auszuwerten (Abb. 1).

Abb. 1: Die Spitzen einer Oberfläche, wie sie beispielsweise mittels konfokaler Mikroskopie (oben) darstellbar sind, lassen sich statistisch auswerten

 

Furchen- und Riefenanalyse

Die Furchenanalyse bewertet durch eine 3D-Strukturanalyse der Oberfläche die Ausprägung von Furchen (Riefen), wie sie beispielsweise infolge eines Honprozesses entstehen. Dabei spielt neben der Richtung und Ausprägung insbesondere die Tiefe der Furchen und deren Dichte eine Rolle (Abb. 2). Die geometrische Ausprägung der Furchen einer Oberfläche ist ein wichtiges Merkmal für geschmierte Systeme sowie für Tribosysteme mit Dichtfunktion.

Abb. 2: Mikroskopische Darstellung von Furchen (oben) und deren statistische Auswertung

 

Strukturanalyse / Motivanalyse

Mit der Strukturanalyse oder auch Motivanalyse genannt werden geometrische Merkmale einer Oberfläche in einer 3D-Strukturanalyse statistisch ausgewertet (Abb. 3). Dies sind zum Beispiel Poren, Riefen, Schlagstellen und Fehlstellen. Mit der Oberflächenstrukturanalyse werden diese Merkmale (Motive) hinsichtlich Größe, Tiefe, Fläche, Volumen, Orientierung oder Homogenität charakterisiert.

Abb. 3: Beispiel für die Analyse der Strukturmerkmale einer Oberfläche

 

Die Oberflächenstruktur- beziehungsweise Motivanalyse wird beispielsweise für die Bewertung von Fehlstellen an der Oberfläche eingesetzt, die zu Undichtigkeiten von Dichtsitzen führen. Eine weitere Möglichkeit sind die Bewertung von Schlagstellen auf Wälzkörper. Bei geschmierten Systemen ist die Gleichmäßigkeit von Vertiefungen ein wichtiges funktionales Merkmal. Solche Strukturmerkmale lassen mit den Rauheitskenngrößen nicht bewerten.

Partikelanalyse

Mit der Partikelanalyse werden Partikel als singuläre Oberflächenerhabenheiten analysiert. Dies kann je nach Methode zweidimensional (Abb. 4) oder dreidimensional erfolgen. Mit dieser Analytik werden Partikel hinsichtlich der horizontalen und vertikalen Dimension statistisch ausgewertet. Die Partikelanalyse kann auf Basis von Aufnahmen mit einem Lichtmikroskop, eines optischen 3D-Messgerätes oder eines Rasterelektronenmikroskops (REM) durchgeführt werden.

Abb. 4: Partikel in einer Oberfläche in der zweidimensionalen Ansicht

 

Die Analyse von Partikeln mit statistischen Auswertungen der geometrischen Merkmale findet beispielsweise Anwendung bei Restschmutzanalysen von Bauteilen, bei der Klassifizierung von Materialteilchen oder bei dotierten Beschichtungen. Eine beispielhafte Auswertung der horizontalen Dimension einer mit Partikeln dotierten Beschichtung zeigt Abbildung 5. Die statistische Auswertung (Abb. 6) erfolgt hinsichtlich der Merkmale von Partikeln, wie zum Beispiel die Fläche, der Umfang, der Durchmesser, die Form und Kompaktheit oder die Rundheit, um nur die wichtigsten zu nennen.

Abb. 5: Partikel einer Oberfläche mit Angaben zu deren Dimension

 

Abb. 6: Partikelgrößenverteilung

 

Besonders zur funktionalen Bewertung von Dispersionsschichten, wie sie beispielsweise mit den Verfahren der Galvanotechnik erzeugt werden können, sind dreidimensionale Charakterisierungen der Objektoberfläche wichtig. Eine besondere Methode hierzu stellt die stereoskopische 3D-Rekonstruktion von mit einem Rasterelektronenmikroskop (REM) aufgenommen Oberflächen dar.

Um eine stereoskopische 3D-Rekonstruktion durchzuführen, werden Aufnahmen mit dem Rasterelektronenmikroskop unter zwei definierten unterschiedlichen Winkeln durchgeführt (Abb. 7). Durch die dreidimensionale Rekonstruktion können Oberflächenstrukturen nicht nur hinsichtlich der horizontalen geometrischen Merkmale, sondern auch der vertikalen ausgewertet werden. Die vertikalen Merkmale spielen funktional bezüglich Reibungs- und Verschleißverhalten eine wichtige Rolle. Auch hier liefert die statistische Analyse (Abb. 7) einen Anhaltspunkt zu den in der Oberfläche befindlichen Partikeln, der Rückschlüsse über die Wirkung von Dispersionsschichten in Bezug auf die Einzelkomponenten Partikel und Schichtmaterial ermöglichen kann.

Abb. 7: Stereoskopische 3D-Darstellung aus den Einzelbildern von REM-Aufnahmen und Partikelgrößenverteilung in einer Dispersionsschicht

 

Um eine stereoskopische 3D-Rekonstruktion zu ermöglichen, müssen beide REM Aufnahmen aus zwei verschiedenen Winkeln durchgeführt werden. Dieser Operator wurde für REMs (Rasterelektronenmikroskope) entwickelt, die mit einem kippbaren Probentisch (Tilt-Probentisch) ausgestattet sind. Der Tilt-Winkel und die Tilt-Richtung zwischen beiden Bildern, sowohl die horizontale Skala der Bilder (Pixelgröße oder Bildbreite) muss bekannt sein, damit dem rekonstruierten 3D-Bild eine horizontale und vertikale Skala zugeteilt werden kann. Mikroskope der neueren Bauart bieten diese Einrichtungen und erlauben damit eine schnelle und effiziente Analyse von Dispersionsschichten, durch die die Weiterentwicklung zur Herstellung von funktionellen Oberflächen erheblich beschleunigt wird.

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