Fertigung von Oberflächen mit diffraktiven Strukturen über Diamantbearbeitung und Heißprägen

Werkstoffe 09. 06. 2020

Von Ann-Katrin Boinski1), Oltmann Riemer1), Marc Schneider2), Markus Guttmann2) und Matthias Worgull2)

1 Einführung in die ­Herstellung diffraktiv ­strukturierter Oberflächen

Durch die Technologisierung unserer Gesellschaft und unseres alltäglichen Lebens hat sich auch die Anwendung funktioneller optischer Elemente in den vergangenen Jahren weg von der hochspezialisierten Forschung hin zur konsumorientierten Anwendung auf dem Massenmarkt entwickelt. Beispiele sind hier die allgegenwärtigen Smartphones oder Sicherheitsmerkmale auf Banknoten und Ausweisdokumenten. Die herkömmliche Herstellung dieser optischen Elemente und Systeme durch lithographische Verfahren kann dieser enormen Nachfrage wirtschaftlich nicht gerecht werden. Aus diesem Grund wurde ein neues Fertigungsverfahren ent­wickelt, mit dem eine kostengünstige Massenproduktion optisch strukturierter Ober­flächen ermöglicht wird.

Hierbei wird ein Diamantdrehprozess mit einem so genannten nano-Fast-Tool-­Servo (nFTS) kombiniert. Die Achs-Kinematik des konventionellen Diamantdrehprozesses auf einer ultrapräzisen Werkzeugmaschine wird dabei überlagert von der linearen Bewegung des hochfrequenten linearen Piezoverstellers, dem nFTS. Dieser Aktor kann die Schnitttiefe im Nanometerbereich schnell und genau variieren (Abb. 1). Auf diese Weise entsteht in einem Fertigungsschritt eine ­diffraktiv strukturierte Oberfläche [1, 2]. Die bisherigen strukturierten Flächen umfassten eine Kreisfläche von 20 mm bis 30 mm Durchmesser, bei einer Bearbeitungszeit zwischen 15 Minuten und einer Stunde. Die Größe der strukturierbaren Fläche ist hierbei jedoch vorrangig durch den Bauraum der Werkzeugmaschine begrenzt, was die Bearbeitungszeit in Abhängigkeit von der gewählten Zustellung entsprechend erhöht.

Abb. 1: Ultra-Präzisions-Werkzeugmaschine Nanotech 350 FG (a) und Prozesskinematik (b)

 

Ein Anwendungsgebiet für solche diffraktiven optischen Elemente (DOE) ist die Verwendung als Sicherheitshologramm. Hierbei wird zunächst im optischen Design die Höhe jedes einzelnen Pixels genau berechnet und dann durch den Diamantdrehprozess mit nFTS in das Bauteil eingebracht. Der Algorithmus zur Berechnung des optischen Designs basiert dabei auf dem Gerchberg-Saxton-Algorithmus [3]. Durch Beleuchtung des strukturierten Bauteils mit einem Laser einer vorgegebenen Wellenlänge wird das gewünschte Intensitätsmuster auf einer Rekonstruktionsebene erzeugt. Das vorgegebene Bild erscheint dabei nur in einem definierten Abstand zur Optik auf der Rekonstruktions­ebene (Abb. 2) [2].

Abb. 2: Optisches Funktionsprinzip von Hologrammen

 

2 Anwendung diffraktiv strukturierter Oberflächen als Formeinsatz in einem Heißprägeprozess

Die bisherigen Untersuchungen beschränkten sich allerdings vorrangig auf die Strukturierung von metallischen Oberflächen mit einer reflektiv wirkenden optischen Funktion. Hierbei wurden vor allem eine spezielle Neusilber-Legierung (CuZn39Pb3) und ultra-feinkörniges Aluminium als geeignete Materialien identifiziert [2]. Durch den Einsatz eines Replikationsprozesses kann jedoch die optische Funktionalität zusätzlich auf transmissive Optiken erweitert werden, was das Spektrum der Anwendungsgebiete erheblich steigert.

Darüber hinaus bieten Replikationsprozesse, wie Spritzgießen, Spritzprägen, Thermoformen oder Heißprägen eine kosteneffiziente Vervielfältigung der optischen Komponenten in unterschiedlichste, meist polymere Mate­rialien und ermöglich somit die Ausweitung auf den Massenmarkt. In einem kürzlich, durch die (am Karlsruher Institut für Technologie ansässige) KNMF geförderten Projekt (KNMF = Karlsruhe Nano and Micro Facility [4]), wurde als Replikationsprozess das Heißprägen derartiger Strukturen in ein Polymer erprobt [5]. Durch die Abstimmung von verwendetem Polymer, Foliendicke und Anpressdruck war es hierbei möglich, die diffraktiven Strukturen in hoher Qualität vom strukturierten metallischen Werkzeug auf das Polymersubstrat zu übertragen und im Anschluss die optische Funktion der strukturierten Fläche in einem optischen Aufbau nachzuweisen.

3 Replikation diffraktiv strukturierter Oberflächen in ein Polymer

Für die Untersuchung des Abformungsverhaltens wurden zunächst Teststrukturen bestehend aus Nuten unterschiedlicher Tiefe untersucht. Abbildung 3 zeigt einen struktu­rierten Formeinsatz mit Teststruktur. Im oberen Teil von Abbildung 4 ist das Ergebnis einer weißlicht-interferometrische Messung der Teststruktur auf dem Formeinsatz aus Neusilber wiedergegeben. Die Tiefe der Nut wurde hierbei von etwa 500 nm bis hin zu 1000 nm Tiefe auf einer Fläche von 10 mm Durchmesser variiert. Ziel dieser gemeinsamen Untersuchungen war es, die Abformungsqualität anhand definierter Strukturen zu charakterisieren. Die einzelnen Nuten simulieren in diesem Fall einzelne Pixel mit ­definierter Höhe, die getrennt voneinander untersucht werden können. Von besonderem Interesse war hierbei, wie genau die Nuten, die sich im polymeren Bauteil als erhobene Stege darstellen, repliziert beziehungsweise vom Metall in den Kunststoff übertragen werden können und ob sich hierbei ein Verzug in horizontaler Richtung ergibt. Abweichungen in diesen Merkmalen würden später zu Störungen der optischen Funktionalität bei den Hologrammen führen und müssen somit minimiert werden.

Abb. 3: Strukturierter Formeinsatz aus Neusilber (CuZn39Pb3) mit Teststruktur

 

Abb. 4: Weißlicht-interferometrische Messung des Formeinsatzes aus Neusilber mit Teststruktur sowie der abgeformten Folie in PMMA

 

Die ersten Abformungsversuche wurden dabei mit einer 500 µm dicken PMMA-Folie durchgeführt. Nach der Erwärmung auf eine Prägetemperatur von über 165 °C wurden 8 kN Prägekraft aufgebracht und der Form­einsatz und die Folie anschließend auf ­unter 60 °C heruntergekühlt. Im unteren Teil der Abbildung 4 ist eine weißlicht-interferometrische Messung einer abgeformten Oberfläche zu sehen. Hierbei fällt sofort die starke Deformation der Oberfläche auf. Auch die Breite der Stege stimmt nicht mit den Nutbreiten des Formeinsatzes überein und variiert überdies stark. Einzig die Höhe des Steges stimmt mit den Tiefen der Nut des Formeinsatzes gut überein. Hieraus lässt sich ableiten, dass der Prägeprozess prinzipiell für die Abformung diffraktiver Strukturen geeignet ist. Die Deformationen sind mit großer Wahrscheinlichkeit auf die wirkenden Adhäsionskräfte der größtenteils planen Oberfläche in Kombination mit ungünstigen Prozessparametern im Heißprägeprozess zurückzuführen.

Aus diesem Grund wurden in weiteren Abformungsversuchen die Prozessparameter variiert. Die besten Abformungsergebnisse wurden mit dem Polymer COC Topas 8007 und einer Foliendicke von 200 µm erreicht. Hierzu wurden Formeinsatz und Folie auf etwa 100 °C erwärmt und anschließend eine Anpresskraft von 4 kN aufgewendet. Nach Abkühlen auf unter 50 °C wurden Formeinsatz und Folie voneinander getrennt. Abbildung  5 zeigt eine weißlicht-interferometrische Messung einer diffraktiv strukturierten Folie. Hierbei fällt auf, dass die plastische Deformation weitestgehend vermieden werden konnte. Die einzelnen Pixel sind deutlich zu erkennen und lassen sich voneinander unterscheiden. Ebenfalls erkennbar ist ein Defekt der Diamant-Werkzeugschneide, die sich als Riefe am linken Rand aller Strukturen abgebildet hat. Dass eine derart feine Struktur ebenfalls durch den Abformungsprozess abgebildet werden kann, spricht für die hohe Abformungsqualität des Prozesses.

Abb. 5: Weißlicht-interferometrische Messung einer diffraktiv strukturierten Oberfläche in COC (a) sowie ein Profilschnitt dieser Oberfläche (b)

 

4 Optischer Funktionsnachweis geprägter ­Polymerstrukturen mittels Laserbeleuchtung

Die optische Funktionalität der abgeformten strukturierten Fläche konnte nachgewiesen werden. Hierzu wurde auf die Oberfläche zunächst eine dünne Goldschicht aufgebracht, um die Reflektivität der transparenten Folie herzustellen. Im Anschluss wurde die Folie im optischen Aufbau mit einem blauen Laser (Wellenlänge λ = 450 nm) beleuchtet (Abb. 2) und die reflektierte Strahlung in der Rekon­struktionsebene mit einer Kamera aufgenommen. Ein Ergebnis dieses optischen Tests ist in Abbildung 6 dargestellt. Zu erkennen ist, dass das originale Bild und die Rekonstruktion eine große Ähnlichkeit aufweisen. Der weiße Punkt in der Mitte des rekonstruierten Bildes ist dabei nicht auf einen Fehler in der Abformung, sondern auf einen Fehler in der Berechnung des optischen Designs zurückzuführen.

Abb. 6: Nachweis der optischen Funktionalität durch Vergleich von originalem Bild und Rekonstruktion bei Beleuchtung mit einem Laser

 

5 Fazit und Ausblick

Abschließend kann zusammengefasst werden, dass die Abformung von diffraktiv strukturierten Metalloberflächen in einem Heißprägeprozess sehr erfolgreich umgesetzt werden konnte. In zukünftigen gemeinsamen Kooperationen sollen Werkzeugherstellung und -replikation weiter optimiert werden. Hierbei ist unter anderem die Strukturierung von Walzen durch den Diamantdrehprozess geplant, die durch die KNMF im Anschluss ebenfalls durch einen R2R-Heißprägeprozess abgeformt werden sollen. Hierdurch soll die großflächige Strukturierung von Folien ermöglicht werden. Gegenstand dieser zukünftigen Untersuchungen sollen sowohl die Erprobung von verschiedenen Materialien für die Walzenherstellung und deren Verschleißverhalten im Prägeprozess als auch die Untersuchung unterschiedlicher Abformmaterialien mit Blick auf verschiedene industrielle Anwendungen sein.

Literatur

[1] A. Holthusen, O. Riemer, J. Schmütz, A. Meier: Mold machining and injection molding of diffractive microstructures; Journal of Manufacturing ­Processes 26 (2017), pp. 290-294, doi: 10.1016/j.jmapro.2017.
02.014

[2] A. Holthusen, O. Riemer, E. Brinksmeier: Material Aspects for the Diamond Machining of Submicron Optical Structures for UV-Application; J. Manuf. Mater. Process. 2 (2018) 15, doi: 10.3390/jmmp2010015

[3] F. Thiemicke, C. Falldorf, R. Bergmann, A. Holthusen, O. Riemer, E. Brinksmeier: Multiple plane holographic projection using diamond turned holograms; Workshop on Information Optics (WIO) (2018), doi: 10.1109/WIO.2018.8643454

[4] Informationen hierzu unter www.knmf.kit.edu

[5] M. Worgull: Hot Embossing – Theory and Technology of Microreplication; William Andrew (2009), ISBN: 9780815515791

Danksagung

Diese Arbeit wurde durchgeführt mit finanzieller und personeller Unterstützung der Karlsruhe Nano and Micro Facility (KNMF), einer Forschungsinfrastruktur der Helmholtz-Gemeinschaft am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Die Autoren bedanken sich für die hilfreiche Unterstützung durch die beteiligten Kollegen am Institut für Mikrostrukturtechnik am KIT, insbesondere bei Markus Wissmann für die Untersuchung der Proben mittels Rasterelektronenmikroskopie

DOI: 10.7395/2020/Guttmann2

1) Leibniz-Institut für Werkstofforientierte Technologien, Badgasteiner Str. 3, D-28359 Bremen; Kontakt: boinski@iwt.uni-bremen.de

2) Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Mikrostrukturtechnik, Hermann-von-Helmholtz-Platz 1, D-76344 Eggenstein Leopoldshafen

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