Haftfestigkeitsprüfungen an elektrischen Steckkontakten

Oberflächen 06. 11. 2019

Von Prof. Dr. Dietmar Schorr, Steinbeis Transferzentrum Tribologie in Anwendung und Praxis, Karlsruhe

Für die Haftfestigkeitsprüfung von Beschichtungen auf elektrischen Steckkontakten existiert kein genormtes Prüfverfahren. Zum einen gelten die genormten Prüfverfahren nur für Hartstoffschichten und zum anderen funktionieren diese aufgrund der geometrischen Verhältnisse nicht auf Steckkontakten. Deshalb wurde im Steinbeis Transferzentrum Tribologie in umfangreichen Untersuchungen ein sehr präzises Prüfverfahren für die Haftfestigkeitsprüfung von Beschichtungen auf Steckkontakten entwickelt. Die dafür herangezogene instrumentierte Eindringprüfung erlaubt auch bei weichen Schichten eine sichere Beurteilung der Schichthaftung auf einem Substrat.

Die wichtigsten Merkmale von Beschichtungen sind deren Schichthärte, die Schicht­dicke und die Haftfestigkeit. Die Haftfestigkeit einer Beschichtung ist eine wichtige Eigenschaft einer Beschichtung, denn eine zu geringe Haftfestigkeit kann zum Spontanversagen des Schichtsystems führen. Die Messung der Schichthaftung ermöglicht die Optimierung von Parametern des Beschichtungsprozesses, wie zum Beispiel der Beschichtungsrate, der Reinigung des Beschichtungsmaterials und der Beschichtungstemperatur. Die Streuung der Haftfestigkeit ist in der Regel über die beschichtete Oberfläche betrachtet sehr unterschiedlich, wozu eine spezielle Analytik benötigt wird.

Die Bestimmung der Haftfestigkeit einer Beschichtung dient der Bewertung der Verbindungsfestigkeit zwischen Beschichtung und Substrat (adhäsive Haftfestigkeit) oder des inneren Zusammenhaltes der Schicht (kohä­sive Haftfestigkeit). Das Verfahren für die Haftfestigkeitsprüfung einer Beschichtung hängt vom Schichtwerkstoff, der Schichtdicke und dem Substrat ab.

Prüfverfahren

Für die Haftfestigkeitsprüfung von Hartstoffschichten gibt es international genormte Verfahren. Üblicherweise erfolgt die Haftfestigkeitsprüfung mit dem Rockwell-Eindringtest gemäß ISO 26443 oder mit dem Ritztest (Scratchtest) nach ISO 20502. Darüber hinaus wurden für Kunststoffe zudem Kratz­beständigkeitstests entwickelt.

Beim Rockwell-Eindringtest wird ein Prüfkörper senkrecht zur Oberfläche eingedrückt, um das Adhäsionsversagen des Systems aus Schicht und Grundwerkstoff zu begünstigen. Die Bewertung der Schichthaftungsqualität erfolgt anhand des Beschädigungsbildes mit einer Einteilung in vier Schichthaftungsklassen.

Beim Ritztest (Abb. 1) wird der Prüfkörper mit konstanter Geschwindigkeit und zunehmender Normalkraft entlang der Oberfläche bewegt, um Adhäsions- und/oder Kohäsionsversagen des Systems Schicht/Grundwerkstoff zu begünstigen. Während des Prüfverlaufs werden die Tangentialkraft, die Eindringtiefe und die Ultraschallemissionen registriert. Die Qualität der Schichthaftfestigkeit wird anschließend anhand der kritischen Lastwerte des Schichtversagens bestimmt.

Abb. 1: Schematischer Aufbau des Ritztests

 

Anwendung der Verfahren

Die Haftfestigkeitsprüfverfahren Rockwell-Eindringtest und Ritztest funktionieren nur bei Hartstoffschichten und auch nur bis zu einer bestimmten Schichtdicke. Bei weichen Schichten, wie diese beispielsweise auf elektrischen Steckverbindungen vorliegen, funktionieren diese Prüfverfahren nicht.

Die Härte von galvanisch abgeschiedenen Silberschichten auf elektrischen Kontakten liegt im Bereich von etwa 35 HV0,002; es handelt sich also um eher weiche Schichten, während die Werte für Hartstoffschichten bei deutlich über 2000 HV liegen. Zudem steht in der Regel auf den Steckkontakten nicht genug Platz für den erforderlichen Ritzweg zur Verfügung. Des Weiteren verursacht der Prüfkörper beim Ritzen von weichen Schichten überwiegend ein Pflügen mit Materialverschiebungen. Dadurch lässt sich keine Schichthaftung bewerten. Diese Arten von Schichten zeigen überwiegend ein kohäsives Versagen bei mechanischer Beanspruchung, also eine Auflösung des inneren Zusammenhaltes der Schicht.

Instrumentierte Eindringprüfung

Durch umfangreiche Versuchsreihen wurde die instrumentierte Eindringprüfung als geeignete Analytik ermittelt, um Beschichtungen auf Steckkontakten bezüglich der Haftfestigkeit zu untersuchen. Bei der instru­mentierten Eindringprüfung werden während eines Belastungs- und Entlastungsvorgangs mit einem Prüfkörper die Kraft und die Eindringtiefe kontinuierlich ­gemessen - ­daher die Bezeichnung instrumentierte Eindringprüfung (Abb. 2). Aus der daraus gewonnenen Kraft-Weg-Kurve werden die Härte, der oberflächennahe E-Modul, die Streckgrenze und weitere Materialkennwerte bestimmt (Abb. 3).

Abb. 2: Messvorrichtung für die instrumentierte Eindringprüfung

 

Abb. 3: Lastverlauf und Eindringtiefe bei der instrumentierten Eindringprüfung

 

Um die kohäsive Haftfestigkeit von Beschichtungen zu charakterisieren, hat sich die instrumentierte Eindringprüfung als geeignetes Verfahren erwiesen. Der Prüfkraftverlauf ist weichen Beschichtungen so anzupassen, dass dieser mit einer konstanten Dehngeschwindigkeit aufgebracht wird (Abb. 4). Somit werden den Relaxationsvorgängen im Werkstoff genügend Zeit zur Verfügung gestellt.

Abb. 4: Kraftverlauf der instrumentierten Eindringprüfung aufgrund einer konstanten Dehngeschwindigkeit

 

Abb. 5: Bestimmung des elastischen Anteils der Verformungsarbeit

 

Zu Bestimmung der kohäsiven Schichthaftung werden die elastische Verformungs­arbeit Welast und die plastische Verformungsarbeit Wplast aus dem Eindringvorgang des Prüfkörpers berechnet. Aus diesen kann anschließend der elastische Anteil der Verformungsarbeit hIT berechnet werden (Abb. 5). Diese Größe dient dazu, zwischen elastischen und plastischen Werkstoffverhalten einer Beschichtung zu differenzieren (Abb. 6).

Abb. 6: Kenngrößen für das elastische und plastische Werkstoffverhalten

 

Je kleiner der elastische Anteil der Verformungsarbeit hIT , desto eher zeigt der Beschichtungswerkstoff plastisches Werkstoffverhalten und weist daher eine geringere kohäsive Haftfestigkeit der Beschichtung auf.

Abbildung 7 zeigt beispielhaft Ergebnisse von Messungen an Steckkontakten, die durch unterschiedliche Haftfestigkeit auffällig wurden. Das beschriebene Analyseverfahren durch Bewertung des elastischen Anteils der Verformungsarbeit hIT differenziert sehr gut zwischen den festgestellten unterschiedlichen Quali­täten der Schichthaftung.

Abb. 7: Messungen an Steckkontakten belegen die Unterschiede zwischen guter und unzureichender Haftung einer Schicht

 

Das Steinbeis Transferzentrum Tribologie, Oberflächenanalyse und Materialprüfung an der Dualen Hochschule in Karlsruhe ist ein Dienstleister für Analysen für Industrie und Forschungseinrichtungen von Oberflächen, Materialien und Verschleiß. Hierzu gehören auch Analysen und Beratungen rund um die Themen Reibung und Verschleiß. Verschleißanalysen werden so durchgeführt, dass die grundlegenden Ursachen für das Reibungs- und Verschleißverhalten bestimmt werden. Hierbei werden alle Eigenschaften eines Tribosystem analysiert und durch tribologisches Wissen bewertet.

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