BiClean – Smarte antibakterielle Oberflächen mittels bidirektionaler ­Displaytechnologie

Medizintechnik 06. 11. 2019
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Das Fraunhofer FEP, Dresden, beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Entwicklung von Prozessen und Anlagen zur Reinigung, Sterilisation und Oberflächenmodifizierung. Das Institut hat sich im Rahmen eines internen Förderprojekts mit ­einem neuartigen Ansatz zur automatisierten Detektion und Inaktivierung von Biofilmen beschäftigt.

Man findet sie überall – am Duschvorhang, in Rohrleitungen oder am Wasserhahn. Biofilme können sich auf nahezu jeder Oberfläche bilden, sofern die Versorgung mit Feuchtigkeit stimmt. Das Wort Biofilm bezeichnet eine Ansammlung von Mikroorganismen, bei der die Bakterien in enger Gemeinschaft innerhalb einer schleimartigen Substanz zusammenleben. Da sie sehr hartnäckig sind, stellen sie in vielen Bereichen des täglichen Lebens ein bisher ungelöstes Problem dar. Besonders in der Medizin besteht durch das Wachstum von Biofilmen auf Implantaten und Kathetern ein hohes Infektionsrisiko. Tatsächlich kann gegen Erreger in über 60 Prozent der Infektionskrankheiten nicht wirksam vorgegangen werden, da sie durch den Biofilm geschützt sind. Der Biofilm bringt für die Bakterien viele Vorteile mit sich: Sie sind vor antimikrobiellen Substanzen, wie zum Beispiel Antibiotika und Desinfektionsmittel geschützt und erweisen sich als deutlich resistenter gegenüber mechanischen Einwirkungen.

Typische Beispiele sind ­Fingerprintsensoren: regelmäßige Werkzeuge beispielsweise für Einreise- oder Zugangskontrollen oder im persönlichen Smartphone zur Authentifizierung – deren Oberfläche wird kontinuierlich und tausendfach täglich von Fingern berührt. Durch Schweißabsonderungen werden Biofilme generiert und diese zudem durch die verschiedensten Milieus mikrobiell verstärkt. Die Gefahr der Keimübertragung von Nutzer zu Nutzer ist dabei extrem hoch.

Bisher gibt es kein Verfahren, mit denen Biofilme effektiv verhindert ­beziehungsweise gezielt inaktiviert werden können. Das Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP in Dresden hat sich im Rahmen eines internen Förderprojekts mit einem neuartigen Ansatz zur automatisierten Detektion und Inaktivierung von Biofilmen beschäftigt. Das Projekt BiClean setzt am Beispiel der Fingerprintsensoren an, indem es ein innovatives technisches Hilfsmittel zur Erkennung und Beseitigung von Biofilmen bietet und damit die Gefahr der Übertragung pathogener Keime unterbindet. Dafür wurden bidirektionale Displays mit Titandioxid (TiO2) beziehungsweise TiO2-haltigen Schichtkombinationen beschichtet. Der Biofilm kann somit inaktiviert werden. Bidirektionale Displays können sowohl Licht oder Inhalte aussenden, als auch das zurückfallende Licht über eine integrierte Kamerafunktion detektieren und auswerten.

Die Entwicklung dieser Displaytechnologie zählt zu den Kernkompetenzen des Fraunhofer FEP. Die Bidirektionalität ermöglicht es, den Zustand der Oberfläche durch das Gerät selbst erfassen zu lassen. So ist es möglich, die Bildung von Biofilmen zu detektieren, um dann abhängig vom Verschmutzungsgrad ein Reinigungsintervall anlaufen zu lassen. Einen weiteren Forschungsschwerpunkt stellt die Reinigung der Oberfläche dar, welche ebenfalls durch Lichtemission aus dem Display erfolgen soll. Hier kommt eine weitere Kernkompetenz des Fraunhofer FEP zum Tragen: die Beschichtungstechnologien für leicht zu reinigende, so genannte easy-to-clean-Oberflächen.

Die Idee der Biofilmbekämpfung basiert nach den Worten von Dr. Gaby Gotzmann, Gruppenleiterin Hygienisierung, Sterilisation und Biofunktionalisierung, auf zwei Schritten. Im ersten Schritt werde die Oberflächenverschmutzung mittels Detektorfunktion analysiert. Liege eine Verschmutzung vor, werde im zweiten Schritt durch Lichtemission, und nur nach Bedarf, eine chemische Reaktion auf der Oberfläche ausgelöst, wodurch Bio­filme inaktiviert werden können.

Die späteren Anwendungsfelder der Idee sind vielfältig; von der effektiven Reinigung von Solar- und Photovoltaikanlagen über die Reinigung von Trinkwasserleitungen und flüssigkeitsführenden Systemen bis hin zur Biofilmbeseitigung auf Kathetern und der Behandlung auf Implantaten bietet sich ein weitreichendes Marktpotenzial.

Text zum Titelbild: Fingerprintsensoren basierend auf der bidirek­tionalen Displaytechnologie (©Fraunhofer FEP)

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