Korrosionsbeständige PVD-Schichten für chirurgische ­Instrumente

Medizintechnik 06. 11. 2019

Von Dipl. Phys. Dietmar Kitta, Dr.-Ing, Jana Reinhold, Institut für Oberflächentechnik, Hochschule Zittau Görlitz, und Maik Kirchner, Techno-Coat Oberflächentechnik GmbH, Zittau

Chirurgische Instrumente müssen hohe Anforderungen in Bezug auf Korrosionsbeständigkeit, Biokompatibilität und Funktionalität erfüllen. Aus diesem Grund kommen vor allem korrosionsbeständige Stähle mit hoher Festigkeit zum Einsatz. Zur Erhöhung der Stabilität im Gebrauch erhalten diese häufig eine zusätzliche Hartstoffbeschichtung. Allerdings zeigen Untersuchungen, dass konventionelle Hartstoffschichten auf Basis von Titan, Zirkon, Chrom, Aluminium in Verbindung mit Stickstoff (Nitridschichten) sehr wahrscheinlich aufgrund ihrer säulenartigen Mikrostruktur zum Eindringen von Chlorid der Reinigungsmedien sowie der Körperflüssigkeiten und damit zu einer deutlichen Korrosion des Stahlsubstrats führen. Durch die Erzeugung von Multilayern mit stark modifizierten und angepassten PVD-Beschichtungsverfahren gelingt es, Zwischenschichten mit amorpher Mikrostruktur herzustellen. Dazu kommt neben dem konventionellen Sputtern mit vergleichbar hohen Abscheideraten das HIPIMS-Sputtern mit sehr geringen Auftragsraten zum Einsatz. Die damit hergestellten Multilagen zeigen auf korrosionsbeständigen Stahlsubstraten eine bis zu 50-fach höhere Korrosions­beständigkeit gegenüber rein durch Sputtern aufgebrachte Beschichtungen.

1 Einleitung

Der vorliegende Artikel beschreibt das Ergebnis eines Verbundprojekts zwischen dem Institut für Oberflächentechnik (IOT) an der Hochschule Zittau/Görlitz und der Techno-Coat Oberflächentechnik GmbH in Zittau. Ein großer Anteil der Kunden der Techno-­Coat Oberflächentechnik sind Hersteller medizinisch-chirurgischer Instrumente. Je nach Verwendungszweck werden zum Beispiel gewebedurchtrennende ­Instrumente (Skalpelle, Scheren, Messer), ­gewebefassende Instrumente (Pinzetten und Klemmen) oder gewebehaltende Instrumente (Wundhaken, Retraktoren, Spekula) unterschieden. Aus der Sicht des Chirurgen sind ­insbesondere für gewebetrennende Instrumente Eigenschaften wie Härte, Verschleißbeständigkeit, Schärfe und Schnitthaltigkeit gefordert.

Hinsichtlich der Fertigungstechnik muss ein medizinisches Instrument aus einem Material bestehen, das solche Bearbeitungsschritte wie Spalten, Schmieden, Glühen, Fräsen, Schleifen und Verformen gestattet. Daraus geht hervor, dass als Ausgangsmaterial für moderne medizinische Instrumente heute ein Werkstoff gefordert wird, der nach Möglichkeit sowohl die notwendigen Eigenschaften für die Chirurgie als auch die Forderungen der Fertigungstechnik erfüllt. Werden zudem die Aspekte der Biokompatibilität berücksichtigt, kommen für chirurgische Instrumente fast ausschließlich spezielle Edelstähle in Betracht. Diese werden als ­Medizinstähle oder Chirurgische Stähle bezeichnet. Hierbei handelt es sich um Edelstähle, die mindestens 13 Gew.-% Chrom aufweisen und je nach Verwendungszweck zusätzliche Legierungselemente, vorrangig Nickel oder Molyb­­dän, enthalten. Als typische Medizinstähle seien hier die Stahlsorten 1.4021, 1.4034 oder 1.4117 genannt.

Medizinische Instrumente bedürfen einer ­intensiven Pflege und sachgemäßen Reinigung. Wird das vernachlässigt, kommt es zu Beschädigungen, in einfacher Form von Wasserflecken, Anlauffarben oder Operationsrückständen. Durch Blut, Sekrete, Desinfektions- beziehungsweise Reinigungsmittel und Sterilisation sind chirurgische Instrumente einer hohen chemischen und thermischen Belastung ausgesetzt. Dadurch kann es trotz eines Chromgehalts von mehr als 13 Gew.-% zu korrosiven Erscheinungen kommen. Korro­sion könnte mit einer Erhöhung des Chromgehalts im Stahl weiter minimiert werden, was jedoch zu einem Härteverlust führen würde. Eine Lösung für dieses Problem ist die Beschichtung von medizinischen Instrumenten.

Auf dem medizintechnischen Sektor, insbesondere im Bereich der chirurgischen Instru­mente, bietet die überwiegende Zahl der Produzenten beschichtete Instrumente an. Dabei hat sich seit Jahren die PVD-Technik als eine der besten ­Beschichtungsarten für derartige Produkte durchgesetzt. PVD-Schichten sind für die Medizintechnik ideal geeignet. Sie weisen Schichtdicken von maximal 4,5 µm auf und besitzen eine große Härte (> 2500 HV0,025). Die reaktive PVD-Technik ermöglicht mit Schichtmaterialien wie TiN, ZrN, TiCN, TiAlN oder CrCN durch Dosierung des Reaktivgases eine hohe Farbenvielfalt, die kennzeichnend den Ablauf einer Opera­tion unterstützt (Abb. 1).

Abb. 1: Mikro-Nadelhalter Castroviejo, vollständig mit ZrN (Arc) beschichtet

 

In den letzten Jahren haben sich in der chirurgischen Praxis minimal-invasive Operationstechniken fest etabliert und dabei viele konventionelle Operationsverfahren mit ausgedehntem Schnitt verdrängt. Diese Operationsmethode ist in letzter Zeit durch die ­Single-Port-Operationstechnik ergänzt worden. Hier erfolgt der Zugang durch natürliche Körperöffnungen und es wird nur noch ein einziger Zugang für Endoskop und Instrumente benutzt. Bei dieser Operations­methode sind gegenwärtig nur Instrumente für den Einmalgebrauch vorgesehen, Mehrfachgebrauch erfolgt in klinischen Studien.

Bei allen minimal-invasiven Operationstechniken, aber auch bei konventionellen Operationstechniken, ist vor allem die Blendfreiheit der verwendeten Instrumente ein wichtiges Kriterium für den Chirurgen. Gegenwärtig kann mit nahezu schwarzen TiAlN-Sputterschichten (L* < 25) diese Forderung am besten realisiert werden (Abb. 2 und 3).

Abb. 2: Dentalinstrument (Heidemann-Klemme), im Schaft mit TiAlN (Sputter) beschichtet

 

Abb. 3: Ophtalmologisches Instrument (Iris­pinzette), vollständig mit TiAlN (Sputter) beschichtet

 

2 Korrosion PVD-­beschichteter medizinischer Instrumente

Medizinische Instrumente sind hochwertige und dementsprechend teure Werkzeuge in der Hand des Arztes. Durch den permanenten Kontakt mit lebendem Gewebe stehen hier die Biokompatibilität, Lebensdauer und Korrosionsbeständigkeit an erster Stelle. Korrosive Erscheinungen medizinischer Instrumente sind unerwünscht, weil sie die ­Instrumente unbrauchbar machen und ihre Lebensdauer herabsetzen.

Es ist bis heute eine weit verbreitete Meinung, dass eine PVD-Schicht eine korro­sionshemmende Wirkung hat. Dies basiert auf der (nachvollziehbaren) Annahme, eine Schicht hat immer eine schützende Wirkung. Funktionelle PVD-Schichten unterstützen zwar solche geforderten Eigenschaften wie Härte oder Farbe, haben aber keinen Schutzmechanismus gegen Korrosion. Bereits kurzzeitige Korrosionstests (Salzsprühnebeltest, CASS-Test) zeigen, dass eine PVD-Schicht keine oder nur eine minimale korrosions­hemmende Wirkung auf das Substratmaterial besitzt (Abb. 4).

Abb. 4: Mit TiCN (Arc) beschichteter Federbügel eines medizinischen Instruments (Stahlsorte 1.4021) nach 20 h Salzsprühnebeltest

 

Abb. 5: Scherenspitze, unbeschichtet nach 24 h Salzsprühnebeltest

 

Abb. 6: Scherenspitze TiAlN-beschichtet nach 24 h Salzsprühnebeltest

 

Die PVD-beschichteten Substrate können unter Umständen sogar anfälliger gegenüber Korrosion sein, als der unbeschichtete Werkstoff! (Abb. 5 und 6).

Die Ursachen für dieses Verhalten ­konnte durch den Einsatz der Elektronenmikroskopie in der Oberflächenanalytik gefunden werden. Erst hochauflösende, mindestens 10 000-fache Vergrößerungen sind nötig, um die für die korrosiven Eigenschaften verantwortlichen Oberflächen- und Schichtstrukturen zu erkennen. In der Praxis treten bei allen PVD-Schichten Schichtdefekte auf. Löcher, Verwerfungen oder Eigenspannungen in der Schicht bewirken Aufwachsfehler (Abb. 7).

Abb. 7: Fehlstellen auf der Oberfläche der mittels Sputtern aufgebrachten TiAlN-Schicht (10 000-fach)

 

Korrosive Medien, insbesondere Chloride, finden durch die Fehlstellen in PVD-Schichten einen Zugang zum Grundwerkstoff. Im Falle eines hochlegierten Chromstahls treffen sie zunächst auf die nur wenige Nanometer dicke Passivschicht. Hier kann es zur Zerstörung der aus Eisendichromat (FeCr2O4) bestehenden Passivschicht kommen. Die Chloridionen verdrängen aus den Chromoxiden den Sauerstoff und erzeugen dadurch einen punktuellen Bereich, an dem das Metall nicht mehr durch die passivierend wirkende Oxidschicht geschützt wird. In der Folge kommt es zur Korrosion (Rostbildung) des eigentlichen Substrats. Diese Fehlstellen sind unvermeidbar und können durch ­atomare Gitterfehler und Verunreinigungen unterstützt werden.

Fehlstellen sind jedoch nicht die alleinige ­Ursache für einen korrosiven Befall des Substratmaterials. Es hat sich gezeigt, dass eine konventionelle TiAlN-Sputterschicht bei Beschichtungstemperaturen um 250 °C eine säulenförmige Struktur aufweist. Diese Säulenstruktur der PVD-Schicht kann im Elektronenmikroskop sichtbar gemacht werden, indem ein beschichteter Objektträger aus Glas gebrochen und die Bruchstelle von der Seite betrachtet wird (Abb. 8). Es liegt auf der Hand, dass diese porös nebeneinander liegenden nadelförmigen Säulen von etwa 0,30 µm Durchmesser und je nach Beschichtungszeit bis zu 4 µm Länge, eine Kapillarwirkung aufweisen. Durch diese Kapillarwirkung gelangen korrosionsfördernde Substanzen bis auf das Substratmaterial.

Abb. 8: Säulenstruktur einer konventionellen TiAlN-Sputterschicht

 

Korrosion in hochlegierten Edelstählen wird durch den Einfluss von löslichen Halogeniden (Chloriden, Jod und Brom) begünstigt. Diese Substanzen kommen in medizinischen Bereichen in Bleich- und Desinfektionsmitteln zum Einsatz. Ein weiteres Beispiel ist der Einsatz der isotonischen Kochsalzlösung, die als Trägerlösung für Medikamente Verwendung findet. Zusammengefasst ergibt sich folgende Ausgangssituation:

  • Die kombinierten Einflüsse aus Struktur und Schichtdefekten bewirken auch bei hochlegierten Stählen Korrosion. Bei konventionellen PVD-Sputterschichten, aber auch bei Arc-Schichten, zeigt sich eine mehr oder minder stark ausgeprägte kolumnare Struktur
  • Die vielfach vertretene Meinung, eine konventionelle PVD-Schicht weist eine korrosionshemmende Wirkung auf, ist ein Irrtum. Bedingt durch die Struktur der Sputterschichten, verbunden mit den dadurch entstehenden Kapillarwirkungen und den ­unvermeidbaren Schichtdefekten können PVD-beschichtete Substrate unter Umständen sogar anfälliger gegenüber Korrosion sein, als der unbeschichtete Werkstoff

Da auf Schichtdefekte kein Einfluss genommen werden kann, war es das Ziel, die Beschichtung so zu verändern, dass die Wirkung der kolumnaren Struktur eliminiert und idealerweise durch eine amorphe Struktur ersetzt wird. Je glatter eine Schicht, umso geringer ist die Kapillarwirkung und somit kann weniger Feuchtigkeit in die Schicht eindringen. Eine glatte Schicht sollte also die Korrosionsanfälligkeit deutlich mindern.

3 Lösungsansatz

Ende der 1960-iger-Jahre wurden von B. A. Movchan und A. V. Demchishin erstmals die Strukturen und Eigenschaften von im Hochvakuum (bei 10-4 Pa bis 10-3 Pa) aufgedampften, bis zu 2 mm dicken Schichten, aus Titan, Niob, Wolfram, Zirkonoxid (ZrO2) und Aluminiumoxid (Al2O3) als Funktion des Verhältnisses TS/Tm untersucht [2]. Hier ist TS die Sub­strattemperatur und Tm die Schmelztemperatur des Targetmaterials.

Sie beschrieben ihre Ergebnisse im so genannten Dreizonen-Modell. Das zeigt die Abhängigkeit der Schichtstruktur und damit auch zwangsläufig der Oberflächenstruktur von den beiden Parametern Substrattemperatur des zu beschichtenden Materials (TS) und Schmelztemperatur des Targetmaterials (Tm). Bei niedrigen Substrattemperaturen (TS) zeigt eine Sputterschicht eine säulenförmige Struktur, die mit steigender Temperatur einen amorphen beziehungsweise grob-kristallinen Charakter annimmt. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies: Je heißer ein Beschichtungsprozess betrieben wird, umso mehr tendiert eine PVD-Sputterschicht zu einem amorphen Charakter. Offensichtlich ist eine hohe Energie der abzuscheidenden Teilchen, die auf hohe Beschichtungstemperaturen beziehungweise einen hohen Ionisationsgrad des Plasmas zurückzuführen ist, von großer Bedeutung für die Güte einer PVD-Schicht. Da einer Temperaturerhöhung jedoch anlagentechnisch eine Schranke gesetzt ist, kann beim konventionellen DC-Sputterverfahren ein hoher Ionisationsgrad, damit eine hohe Sputterintensität, nur durch eine Steigerung der Leistungsdichte, also die Leistung pro Fläche des Targetmaterials (W/cm2), erzielt werden. In Abbildung 9 wird der Einfluss der Sputterintensität auf die Schichtstruktur verdeutlicht.

Abb. 9: Einfluss der Sputterintensität auf die Struktur einer Cr2N-Schicht [6]

 

Bei der Anwendung hoher Sputterintensitäten ist eine deutliche Strukturänderung im Sinne eines Übergangs von einer Stängelstruktur (a) zu einem fast amorphen Charakter (d) zu erkennen. Jedoch wird bei einer permanenten Anhebung der Kathodenleistungsdichte, durch die damit verbundene stärkere thermische Belastung der Kathoden und der zu beschichtenden Substrate, schnell eine Grenze erreicht. An diesem Punkt setzt HIPIMS an. Das Hochenergie-Impulsmagnetronsputtern (englisch high power impulse magnetron sputtering, HIPIMS oder high power pulsed magnetron sputtering, HPPMS) ist ein spezielles Magnetronsputterverfahren zur Abscheidung von Dünnschichten [unter anderem: 3-5]. HIPIMS verwendet sehr hohe Leistungsdichten, bis zu einigen kW/cm2, aber in kurzen Pulsen von einigen Mikrosekunden. Das geringe Tastverhältnis (Ein-Aus-Verhältnis) von kleiner als zehn Prozent ist ein charakterisierendes Merkmal des HIPIMS-Verfahrens. Da die Pulse in der Ein-Zeit nur kurz auf das Targetmaterial wirken und sich daran eine relativ lange Aus-Zeit anschließt, ergeben sich niedrige durchschnittliche Kathodenleistungen (1 kW-10 kW). So kann sich das Targetmaterial in der Aus-Zeit abkühlen Es führt damit zu keiner Überhitzung und die Prozessstabilität ist gewährleistet.

Dieser Prozess besitzt jedoch einen entscheidenden Nachteil. Die eigentliche Beschichtungsphase ist die sehr kurze Ein-Zeit, aus der relativ niedrige Beschichtungsraten und ein langsames Aufwachsen der Schicht folgen. Mit der vorhandenen Anlagentechnik des Industriepartners (Abb. 10) würde die Herstellung einer 2 µm dicken Schicht eine Beschichtungszeit von über sieben Stunden erfordern. Das ist prozesstechnisch und ökonomisch für einen industriellen Prozess nicht vertretbar. Zudem müssen die Schichten die Ansprüche der Kunden hinsichtlich der Farbe und Härte erfüllen.

Abb. 10: Sputteranlage Impax 1200 mit vier DC-Magnetrons und einem HIPIMS-Magnetron

 

Ein möglicher Ausweg ist es, den Schichtaufbau als Multilayer zu gestalten: Eine dünne HIPIMS-Schicht mit amorpher Struktur ohne Kapillarwirkung wird als Sperre gegen die eindringenden kontaminierenden Substanzen in die Mehrlagenschicht integriert. Multi­layer sind in der PVD-Technologie nichts Außergewöhnliches. Im Gegensatz zur bisherigen bekannten, einfachen Verknüpfung von verschiedenen PVD-Schichten zu einem Multilayer (basierend auf der Variation des Targetmaterials oder des Reaktivgasflusses), soll im vorliegenden Fall eine HIPIMS-Sperrschicht in Kombination mit einer konventionellen Sputterschicht zu einem Multilayer zusammengefügt werden. Sie muss primär aufgetragen werden und liegt somit vor der nachfolgenden Funktionsschicht, die den Anforderungen des Kunden gerecht wird. Schematisch ist das Verfahren in Abbildung 11 dargestellt.

Abb. 11: Schematischer möglicher Gesamtschichtaufbau mit HIPIMS-Sperrschicht

 

4 Experimentelle Arbeiten

Das wichtigste Kriterium für die Schicht ist die Korrosionsbeständigkeit. Diese wurde durch drei Prüfungen qualitativ und quantitativ beurteilt:

  • Kondenswasser-Konstantklimatest nach DIN EN ISO 6270-02
  • Salzsprühnebeltest nach DIN EN ISO 9227
  • Sterilisationstest (3 Durchläufe im Zustand unverpackt bei p = 210 kPa, T = 135 °C und t = 3 min)

Von diesen Korrosionstests stellt der Salzsprühnebeltest die höchsten Anforderungen an das Substrat. Um einen Ausgangspunkt festzulegen, wurde das Korrosionsverhalten zwischen unbeschichteten Proben und beschichteten Proben verglichen. Als Substrate dienten Musterteile chirurgischer Instrumente, die von verschiedenen Produzenten aus dem Kundenstamm des Industriepartners zur Verfügung gestellt wurden. Das Korrosionsverhalten unbeschichteter beziehungsweise konventionell beschichteter Substrate wurde durch umfangreiche Vorversuche ermittelt.

Eine mit einer konventionellen TiAlN-Sputterschicht versehene Probe versagte bereits nach relativ kurzer Zeit (Abb. 12). Die Oberfläche und die Schichtstruktur wurden mit ­einem Rasterelektronenmikroskop (REM) untersucht. Dazu kamen Wafer als beigestellte Probekörper zum Einsatz. Wafer lassen sich problemlos brechen und das erlaubte bei hohen Vergrößerungen zwischen 15 000-fach und 30 000-fach sowohl im Bruch als auch an der Oberfläche eine gute Beurteilung der Schichtstruktur. Die Haftfestigkeit der Schichten untereinander und auf dem Substrat wurde mit einem Micro-Combi-Tester, versehen mit einem Rockwell-Indenter (100 µm Spitzenradius), in einem Scratchtest beurteilt. Die damit ermittelte quantitativ kritische Last sollte mindestens 30 N erreichen. Die Härte der Schicht wurde mit einem Micro-Combi-Tester mit Vickers-Indenter quantitativ beurteilt. Die Farbe wurde nach CIE-Lab mittels Farbmessgerät gemessen.

Abb. 12: Griff einer Schere (1.4021) mit konventioneller TiAlN-Sputterschicht (Schichtdicke 2,85 µm) nach fünf Stunden Salzsprühnebeltest

 

Das Magnetron zur Erzeugung der HIPIMS-Sperrschicht kann mit einer Leistung von bis zu 7 kW betrieben werden. Auf der Grundlage umfangreicher Vorversuche mit einer Laboranlage am IOT wurden die HIPIMS-Versuchsparameter Spannung, Pulsperiode und Pulszeit variiert. Ebenso die Beschichtungsparameter Leistung, Spulenstrom und Beschichtungszeit. Um den Einfluss der Parameter zu identifizieren, wurde immer nur eine physikalische Größe geändert. Die Folge davon war eine sehr umfangreiche Versuchsreihe, die über den Zeitraum eines Jahres hinaus andauerte.

Bei der Entwicklung der HIPIMS-Sperrschicht war anfangs eine relativ dicke Schicht angestrebt worden. Das Tastverhältnis (Pulszeit im Verhältnis zur Periode) lag bei zehn Prozent. Damit gelang es bei einer Beschichtungszeit von etwa 120 min ­Schichtdicken von etwa 0,5 µm zu erreichen. Ein Problem war eine unzureichende Haftung. Sowohl auf dem Substrat als auch zwischen der HIPIMS-Sperrschicht und der darauffolgenden konventionellen TiAlN-Funktionsschicht (Abb. 13). Gut zu erkennen ist hierbei die mangelnde Schichthaftung der HIPIMS-Schicht (Chrom) auf dem Substrat sowie ebenfalls die schlechte Schichthaftung zwischen der HIPIMS-Schicht und der folgenden TiAlN-Funktionsschicht. Zudem ist immer noch eine kolumnare Struktur bei der etwa 0,5 µm dicken HIPIMS-Sperrschicht vorhanden. Diese Probleme konnten zwar in weiteren Versuchen durch die Verwendung einer extrem dünnen haftvermittelnden Zwischenschicht (Delay) verbessert, aber nicht vollständig behoben werden. Die Haftfestigkeit wurde erst zufriedenstellend, als dazu übergegangen wurde, die HIPIMS-Sperrschicht reaktiv zu erzeugen. So entsteht an Stelle einer Chrom eine Chromnitridschicht. Dennoch blieb der erhoffte Durchbruch hinsichtlich der Korro­sionshemmung aus.

Abb. 13: Bruchbild des Schichtsystems aus HIPIMS-Sperrschicht und TiAlN-Deckschicht

 

Auf Grund dieser Resultate setzte sich die Erkenntnis durch, dass nicht die Dicke der Sperrschicht entscheidend ist, sondern deren Struktur.

Das führte zu einem radikalen Schnitt. Durch Modifikation von Sperrschicht und Tastverhältnis konnte bei einer Schichtdicke von 0,20 µm eine ausgeprägte amorphe Struktur erzeugt werden. Auf diese Sperrschicht wurde eine 2 µm dicke konventionelle TiAlN-Schicht aufgebracht. Das Schichtsystem erbrachte auf einem Stahl 1.4021 eine Korrosionsresistenz von 25 Stunden im Salzsprühnebeltest. Dies bedeutet eine erheb­liche Verbesserung! (Abb. 14).

Abb. 14: Bruchbild eines Wafers mit reiner HIPIMS-Sperrschicht und TiAlN-Funktionsschicht

 

Abb. 15: Oberfläche einer TiAlCN-Schicht, die eine gut erkennbare dichte und glatte Oberfläche aufweist

 

Abb. 16: Kombination aus CrN-Sperrschicht und TiAlCN-Funktionsschicht

 

Aus Erkenntnissen zurückliegender Versuche beim Industriepartner wurde in einem weiteren Schritt versucht, die Funktionsschicht selbst strukturell zu verbessern. Es war das Ziel, die feinnadlige Struktur der bisherigen TiAlN-Funktionsschicht zu verändern und so ein Glätten der Schicht zu erzielen. Die TiAlN-Schicht wurde dazu durch die Zugabe eines weiteren Reaktivgases verändert. Die Struktur der so erzielten TiAlCN-Schicht zeigt im Vergleich zu einer TiAlN-Schicht einen größeren Säulendurchmesser. Die Schicht ist glatter, dichter und nur noch von wenigen Fehlstellen durchsetzt (Abb. 15). Dadurch wird die Kapillaritätswirkung der Funktionsschicht selbst herabgesetzt. Abbildung 16 zeigt die komplette Beschichtung, bestehend aus HIPIMS-Sperrschicht und aufgesetzter TiAlCN-Funktionsschicht im Bruch.

Ein Kondenswasser-Konstantklima-Test einer beschichteten Pinzette zeigte nach 240 Stunden keine Korrosionserscheinungen. Danach wurde diese einem Salzsprühnebeltest unterzogen, bei dem ebenfalls keine Korrosionserscheinungen festzustellen waren. Die Pinzette überstand auch drei Durchläufe durch den Sterilisator unbeschadet (Abb. 17).

Abb. 17: Mikropinzette nach 240 Stunden Kondenswasser-Konstantklima-Test, 240 Stunden Salzsprühnebeltest und drei Durchläufen im Sterilisator

 

5 Zusammenfassung

Das mit dieser Beschichtung versehene In­strument erwies sich als korrosionsresistent. Die TiAlCN-Schicht in Verbindung mit einer HIPIMS-Sperrschicht verbessert das Korro­sionsverhalten im Vergleich mit einer bisherigen TiAlN-Schicht auf das 50-fache.

Hinsichtlich Härte und Haftfestigkeit gibt es keine Unterschiede zu bisherigen Beschichtungen mit TiAlN. Einziger Unterschied ist ein etwas größerer L*-Wert; die Schichtfarbe tendiert damit zu einem grauen Anthrazit-Ton. Die a*- und b*-Werte sind im Vergleich zur TiAlN-Schicht unverändert.

Die Beschichtung bestand den Zytokompatibilitätstest für ein Ultrakurzzeitimplantat und erweist sich damit als biokompatibel. Mittlerweile hat diese neue Beschichtung, die übrigens in einem ökonomischen Zeitraum durchgeführt wird, einen festen Platz im Repertoire des Industriepartners Techno-­Coat Oberflächentechnik GmbH.

Das Projekt wird gefördert aus Mitteln der Europäischen Union.

Literatur

[1] U. Depner-Miller: Experimentelle Bewertung des Korrosionsschutzvermögens von PVD-Schichten im Hinblick auf Substratvorbehandlung und Schicht­architektur; Shaker, Aachen, 2013

[2] B. A. Movchan, A. V. Demchishin; Physics of Metals and Metallography, 28 (1969), S.. 653

[3] W.-D. Münz: HIPIMS: Die neue PVD-Technologie; Vakuum in Forschung und Praxis, Volume 19, Issue 1 (February 2007), S. 12–17

[4] V. Kouznetsov, K. Macak, J. Schneider, U. Helmersson, I. Petrov: A novel pulsed magnetron sputter technique utilizing very high target power densities; Surface and Coatings Technology, 122 (1999), S. 290–293

[5] P. Ehiasarian, W.-D. Münz, L. Hultman, U. Helmersson, I. Petrov: High Power Pulsed Magnetron Sputtered CrNx Films; Surface and Coatings Technology, 163-164 (2003), S. 267–272

[6] TU Dresden, Fakultät Maschinenwesen, Institut für Fertigungstechnik, Lehrstuhl für Laser- u. Oberflächentechnik

DOI: 10.7395/2019/Reinhold1

Video(s) zum Thema

Werbepartner

Links zu diesem Artikel

Aus- und Weiterbildung

Top