Neue Schulgalvanik zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Technischen Berufskollegs Solingen

Werkstoffe 05. 08. 2018

Die Entwicklung geht in allen Berufszweigen rasant voran, so auch in der Galvanotechnik. Die Ausbildungsbetriebe beklagen nicht nur, dass es zu wenige ausbildungsfähige junge Menschen gibt, sie beklagen auch die Ausbildungsmöglichkeiten an den berufsbildenden Schulen. Das Technische Berufskolleg Solingen (TBK) wird diesem Zustand durch eine umfassende Modernisierung mit Neubauten und zukunftsweisenden Einrichtungen ein Ende bereiten.

Gerade auch in der Galvanotechnik bahnt sich seit einigen Jahren eine Umorientierung an. Dies ist nicht zuletzt gesetzlichen Regelungen geschuldet. Beispiele sind hier die REACh-Verordnung (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals) und das angestrebte Verbot zur Verwendung von Chrom(VI)verbindungen. Die Auswirkungen sind inzwischen bei der dekorativen Verchromung und der galvanischen Beschichtung von Kunststoffen bekannt. Die Galvanotechnik hat hierfür bereits Ersatzverfahren gefunden, die in der Industrie angewendet werden. Doch an den berufsbildenden Schulen, so auch am TBK in Solingen, können diese Verfahren bisher nur theoretisch unterrichtet werden. Dieser Zustand wird 2022 am TBK ein Ende haben. Die Anträge für eine komplette Sanierung der Schulgalvanik sowie die Finanzierung sind bewilligt. Der Baubeginn ist für 2020 geplant. Doch bereits in diesem Sommer werden die ersten vorbereitenden Arbeiten während der Schulferien durchgeführt.

Der Einzugsbereich des TBK umfasst das gesamte Bundesgebiet. 150 bis 160 Schülerinnen und Schüler werden in der Oberflächenbeschichtung ausgebildet, zwischen 50 und 70 Auszubildende pro Jahrgang. Für die Oberflächenbeschichtung bedeutet die Sanierung einen großen Gewinn an zukunftsweisender Ausbildung, was aus der Branche, sowohl aus dem Handwerk als auch aus der Industrie, sehr begrüßt wird.

Mit der Galvanikanlage werden die angrenzenden Anlagen ebenfalls grundsaniert. Das Chemikalienlager wird auf den aktuellen Stand gebracht und der Umgang mit Chemi­kalien und Gefahrstoffen sicherer ­gestaltet, indem die Transportwege verkürzt und die Arbeitssicherheit verbessert werden. Die Zu- und Abluftanlage wird erneuert. Die Abwasseranlage wird auf den Stand der Technik ­gebracht.

Nahezu abwasserfreies Arbeiten schafft Platz für zusätzliche Arbeitsplätze. So werden die bisher sieben Werkbänke im Vorbereitungsraum auf zwölf Arbeitsplätze erweitert, beispielsweise für die Ausbildung im ­Gestellbau. Auch der Werkraum für Schleif- und Polierarbeiten zur mechanischen Vorarbeit von Werkstücken wird erneuert und ­vergrößert. Mit einbezogen werden die analytischen Labors, sodass die Auszubildenden und Studenten der Techniker- und Meisterschule hier ebenfalls umfassende praktische Kenntnisse erlangen können.

Auf einer Lernebene von der Größe zweier Klassenräume wird die Umsetzung des Konzepts des selbstorganisierten Lernens ermöglicht. In dieses Konzept fällt auch die Ausbildung, die unter dem Stichwort Industrie 4.0 durchgeführt wird, also die Digitalisierung der Anlagensteuerung. Das Angebot wird durch zwei Besprechungsräume erweitert. Durch zusätzliche Umkleideeinrichtungen und Sanitärräume für Schülerinnen wird das Angebot für junge Frauen interessanter.

Solingens Oberbürgermeister Tim ­Kurzbach ist stolz auf die Arbeit seiner Mitarbeiter, die für dieses Projekt im Gesamtumfang von 12,5 Millionen Euro Fördergelder in Höhe von 10,8 Millionen Euro einwerben konnten. Allein 9,6 Millionen Euro stammen aus dem Programm Verbesserung der regionalen Wirtschaft (GRW). Weitere 1,2 Millionen Euro werden aus dem Topf Gute Schule 2020 beigesteuert. Somit verbleiben für die Stadt ­Eigenmittel von 1,3 Millionen Euro.

Mit diesem Konzept verfolgt der Schulleiter des TBK, Michael Becker, das Ziel, jungen Menschen und den Betrieben eine umfassende Ausbildung zu bieten, in Zukunft wieder mehr Studenten für die Technikerausbildung anwerben zu können und darüber hinaus die Meisterausbildung zentral durchführen zu können. Die modernen Bauten ermöglichen es, neue elektrolytische Verfahren in die Schulgalvanik aufzunehmen. Hierzu zählt eine komplette Linie zur Kunststoffgalvanisierung bestehend aus ABS-Beize, Palladium-Aktivator, chemisch abscheidende Verfahren für Nickel und/oder Kupfer, Entwickler und Beschleuniger. Im Hinblick auf nickelfreie Oberflächen werden Zinn-, ­Weißbronze- und Zink-Eisen-Verfahren in die Anlage integriert. Auch Chrom(III)verfahren, als Alternative zum bisher üblichen Verfahren auf Basis von Chrom(VI), werden zukünftig praktisch unterrichtet werden können.

Die zeitgemäßen Techniken ermöglichen einen anschaulichen Unterricht in allen Bereichen, die sich rund um eine galvanische Anlage bewegen. Somit sind Umweltschutz und der Umgang mit Gefahrstoffen unter aktuellen Gesichtspunkten nicht mehr reine ­Theorie.

Mit seiner langjährigen Erfahrung in Galva­notechnik und seinem umfangreichen Wissen über Chemikaliengesetze und Umweltschutzrichtlinien stand Herbert Breidenbach der Stadt Solingen und dem TBK beratend zur Seite. Die Stadt schafft die baulichen Grundlagen für dieses Ausbildungskonzept. Wie in den vergangenen Jahren unterstützen die ausbildenden Betriebe und die galvanotechnische Industrie die Schulgalvanik zum Beispiel mit Elektrolyten und Chemikalien, um auch in den neuen Einrichtungen einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten.

Recherche und Text

Dr. Andreas Timmer, Christian Lohr

 

Schulgebäude aus dem Schulkomplex des TBK (Quelle: Präsentation zum Projekt Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Technischen Berufskollegs Solingen)

 


Erweiterungsneubau(Quelle: Präsentation zum Projekt Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Technischen Berufskollegs Solingen)

Schulgalvanik Solingen

  • Reihe 1, cyanidisch: dekorative Beschichtungen (Messing, Bronze)
  • Reihe 2, cyanidisch: Dekorativ (Gold), Vorkupfer (dient dazu Werkstoffe, die sich nicht mit sauer Kupfer beschichten lassen, darauf vorzubereiten)
  • Reihe 3, Aluminium: Elektrolytische Oxidation von Aluminium und Färben der Eloxalschicht. Ist dekorativ und hat technische Anwendungen (Straßenschilder, Fassaden oder zum Beispiel Fensterrahmen)
  • Reihe 4, Zink Nachbehandlung: Färbung von Zink- und Zinklegierungsschichten mit Chrom(III)haltigen Farblösungen nach vorheriger Aufhellung der Zinkschicht mit Salpetersäure zur Verbesserung des Korrosionsschutzes.
  • Reihe 5, Zinkbeschichtung: Beschichtung mit alkalischen Zink- oder Zink-Nickel-Legierungselektrolyten, Korrosionsschutz
  • Reihe 6, funktionelle Beschichtung: Verschleißschutz, Korrosionsschutz
  • Reihe 7, Dekorative Beschichtung: dekorativ plus Verschleiß- und Korrosionsschutz für
    Automobilindustrie, Walzen
  • Reihe 8, Kunststoff: Nichtleitender Kunststoff wird leitend gemacht und mit chemisch
    Nickel, elektrolytisch Kupfer, Nickel und Chrom beschichtet. Anwendung in der Automobilindustrie, Badarmaturen, dekorativen Elementen.
  • Reihe 9, Vorbehandlung Entfettung: Vorbreiten der Werkstücke auf die nachfolgende Beschichtung; Entfernen von Fetten und Ölen
  • Reihe 10, Vorbehandlung Beizen: Vorbereiten der Werkstücke auf die nachfolgende Beschichtung; Aufrauen und Aktivierung der Oberfläche für die nachfolgende Beschichtung.

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