Intelligente Lösungen durch Oberflächentechnik

Medizintechnik 07. 05. 2017
Fachgruppe Oberflächen des microTEC Südwest trifft sich beim NMI in Reutlingen

MicroTEC Südwest – 2005 in Kooperation mit dem Wirtschaftsministerium des Landes gegründet und mit Hauptsitz in Freiburg im Breisgau – sieht sich international führend für intelligente Mikrosystemlösungen im Produktions- und Lebensumfeld. Dabei stehen intelligente, vernetzte und autonom agierende Mikrosysteme, wie sie in Produktionsanlagen und Alltags­gegenständen integriert sind, im Mittelpunkt. Sie erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit der produzierenden Unternehmen und leisten einen wesentlichen Beitrag zu mehr Sicherheit, Ressourceneffizienz und Lebensqualität. In diesem Sinne ist microTEC Südwest als ein international ­attraktiver Partner und ein Garant für Wachstum und Beschäftigung aktiv.

Das Netzwerk liegt als gewachsener Technologiecluster mit den Knotenpunkten Karlsruhe, Stuttgart, Villingen-Schwenningen und Freiburg in einer der stärksten Wissenschafts- und Industrieregionen Europas und profitiert von der Lage im Dreiländereck Deutschland-Frankreich-Schweiz. Die Mission des Netzwerks ist es nach eigenen Angaben, gemeinsam mit und für die Mitglieder in allen Feldern der Mikrosystemtechnik Kompetenzbereiche herauszuarbeiten, transparent zu machen und Synergien zu entwickeln.

Dazu machen sich die Mitlieder das Basis-Know-how gegenseitig zugänglich. So sollten Trends gestaltet und gesetzt werden, Marktpotentiale und Herausforderungen diskutiert und wichtige Handlungsfelder und -empfehlungen für Politik und die Forschungsförderung im Land und im Bund abgeleitet werden. Das Netzwerkt ermöglicht den Technologie- und Wissens­austausch zwischen den Mitgliedern (vor allem KMUs), schließt Wertschöpfungsketten und initiiert innovative Projekte. Dazu werden als ein zunehmend wichtiger Baustein Qualifizierungsmaßnahmen geboten und vermittelt.

MicroTEC Südwest betreut derzeit sieben Fachgruppen zu den Themenschwer­punkten

  • Drucktechnologien
  • Energieversorgung für Mikrosysteme
  • Intelligente Implantate
  • In-Vitro-Diagnostik
  • Kooperative Innovationsprozesse
  • Oberflächen
  • Smart Systems

Die Fachgruppe Oberflächen mit den Gruppensprechern Prof. Dr. Volker Bucher (Hochschule Furtwangen) und Dr. Andreas Schüle (Festo AG & Co. KG) unter Leitung von Dr. Christine Neuy (microTEC Südwest) traf sich am 22. Februar zu ihrer inzwischen elften Sitzung.

Institutsvorstellung NMI

Einleitend stellte Dr. Alfred Stett das gastgebende Institut NMI, Naturwissenschaftliches und Medizinisches Institut an der Universität Tübingen, vor. Das NMI ist Mitglied des innBW, Innovationsallianz Baden-Württemberg, und hat als vorrangiges Ziel die Übertragung von der Forschung in die Praxis. Mit den Sparten Pharma/Biotechnologie, Biomedizin sowie Oberflächen- und Werkstofftechnologie erzielt es einen Jahresumsatz von circa 14 Millionen Euro. Der Bereich Pharma/Biotechnologie erwirtschaftet dabei knapp 60 Prozent. Das NMI kann auf einen breit aufgestellten Mitarbeiterstab aus allen technisch-wissenschaftlichen Bereichen zurückgreifen. Aus den innovativen Aufgabenstellungen resultieren zahlreiche Ausgründungen, die vor allem im Umfeld des NMI im Technologiepark Tübingen-Reutlingen angesiedelt sind, wie zum Beispiel ­Retina Implantat, Signatope oder TETEC.

Oberflächen von ­Mikrosystemen und Implantaten

Wie Dr. Dagmar Martin einleitend betonte, spielt bei Medizinprodukten immer die gegenseitige Beeinflussung eine Rolle: Das Implantat darf die Körperzellen nicht schädigen (Biokompatibilität) und der Körper darf das Implantat nicht angreifen (Biobeständigkeit). Mit Blick auf die Biokompatibilität sind die Sauberkeit der Produkte, die Topologie der Implantatoberfläche und dessen Zusammensetzung ­entscheidende Punkte. Herausforderungen ergeben sich unter anderem durch die Auswahl der Möglichkeiten, Oberflächen in der optimalen Art und Weise zu verändern, beispielsweise durch Beschichten oder Aufrauen. Als Beispiel für eine derartige Anpassung stellte Dr. Martin die Nutzung von kohle­faserverstärktem PEEK vor. Nachteil dieses Werkstoffs ist die zu geringe Biokompatibilität. Dies könnte durch die Beschichtung mit Titan, das eine gute Biokompatibilität besitzt, behoben werden. Dafür empfiehlt sich die Abarbeitung einer Reihe von Prozessschritten: Vorbehandlung, Beschichtung, Qualifizierung der Beschichtung und Verhalten in Kombination aus Gewebe und Implantat. Besonders aufwendig ist die Abarbeitung der zahlreichen Vorgaben für Medizinprodukte.

Silberdotierte Hartstoffschicht in Aufsicht (REM, links) und im Querschnitt (FIB)

 

Ein weiteres Arbeitsgebiet der Vortragenden sind antibakterielle Eigenschaften von Oberflächen. Betrachtet wurden beispielsweise silberdotierte Hartstoffschichten (TiAlN), bei denen die antibakterielle Wirkung durch Silber und die generelle Beständigkeit gegen mechanische und chemische Belastung durch den Hartstoff zum Tragen kommen. Ein weiteres Beispiel für eine antibakterielle ­Oberfläche ist eine ­offenporige PVD-Schicht auf einer Kupfer­unterschicht; in diesem Fall werden Bakterien durch Kupferionen abgetötet. Als dritter Lösungsansatz wurde die Funktion­ einer speziellen Lackschicht untersucht. Hier kann erreicht werden, dass die Freisetzung des Hemmstoffs nur bei Kontakt erfolgt. Basis ist eine Biopolymerkomponente, die in einer Dicke von unter 10 µm aufgebracht ist. Auch hier spielt die Reinigungstechnik eine wichtige Rolle, die einerseits für die Haftung der Beschichtung verantwortlich ist und andererseits die oftmals häufige Reinigung von Medizintechnikprodukten überstehen muss.

Im Rahmen eines neuen Leuchtturmprojekts befasst sich das NMI mit System­immunologie.

3D-Messtechnik

Ähnlich wie am NMI sind auch am ILM, Institut für Lasertechnologien in der Medizin und Messtechnik an der Universität Ulm, unterschiedliche Fachgruppen ­beschäftigt, die ein hohes Maß an interdisziplinärer Kompetenz aufweisen. Michael Zint ging in seinen Ausführung kurz auf die Möglichkeiten ein, die verschiedenen Verfahren wie Photothermie, Streifenbeleuchtung oder chromatisch-konfokale Messverfahren einzusetzen. Die konfokalen Verfahren sollen beispielsweise die Herstellung von Abdrücken in der Dentaltechnik ersetzen. Bisherige Verfahren konnten nur dann eingesetzt werden, wenn die zu messenden Oberflächen vollkommen ruhig gehalten werden. Dies kann bei chromatisch-konfokalen Messungen entfallen. Damit lassen sich Proben von etwa 10x 10 mm2 bei einer Messtiefe von 10 mm erfassen und daraus 3D-Bilder erstellen. Erreicht werden Reproduzierbarkeiten von 9 µm und Genauigkeiten von 24 µm an einem Spiegel und 50 µm an einem Kiefer. Diese ­guten ­Werte gewährleisten die Anwendung in der Praxis. Inzwischen wird das Messverfahren für den Einsatz an archäologischen Proben oder elektronischen Bauelementen er­weitert.

Konfokale Messverfahren für die Dentaltechnik

 

­Maßgeschneiderte ­Polymeroberflächen

Dr. Thomas Prucker befasst sich mit der Herstellung von Polymeroberflächen mit chemischer Anbindung an das Substrat. Im Bereich der Medizin wird damit beispielsweise die Untersuchung der Zell­adhäsion vorgenommen. In der Regel erfordert dies aber auch, sich mit flüssigen Medien und dem Verhalten der Polymere in den ­Medien auseinanderzusetzen. Daraus bilden sich dann quellfähige Oberflächenzonen, mit denen die gewünschte ­Eigenschaft erzielt oder unterstützt wird. Wichtig sind mögliche Reaktionen zwischen den Kohlenstoff- und Wasserstoff­atomen in den Polymerketten (also das Vernetzen). Diese bieten die Möglichkeit, zum Beispiel Licht als Auslöser von Reaktionen zu nutzen.

Die Technologie kann unter anderem für die Herstellung von Schichten oder Multi­schichten genutzt werden, die sich beispielsweise durch gute Bindung zwischen den Schichten auszeichnen. Mit dem Verfahren lassen sich zum Beispiel Spiegel für enge Wellenlängenbereiche erzeugen. Eine weitere Nutzungsmöglichkeit von derartig aufgebauten Polymeren ist der Einsatz zur Verminderung des Augeninnendrucks, indem ein Ablaufkanal im Auge offengehalten wird.

Ein weiteres Projekt ist die Herstellung einer optischen Bank, bei der Polymerfolien miteinander verbunden werden und weitgehend frei von Delamination sind. Dies zeigt, dass die Verbindung zwar sehr unspezifisch, aber außerordentlich effektiv ist.

Projektarbeit

Nach der Besichtigung des NMI stand die Gruppenarbeit zum Schwerpunkt Mess­technik auf dem Programm. Hier wird daran gearbeitet, die durch die Gruppenmitglieder vertretenen Verfahren zur Oberflächenmessung für den ­industriellen Einsatz zugänglich zu machen und den Einsatz durch unterschiedliche Aktivitäten zu intensivieren. Interessenten in diesem Bereich können sich bezüglich möglicher Zusammenarbeiten gerne bei der Geschäftsführerin des microTEC Südwest, Dr. Christine Neuy, ­melden.

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