Oberflächen für Werkstoffe mit Zukunft

Oberflächen 10. 12. 2013
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Franz Rieger Metallveredlung in Steinheim – seit 60 Jahren erfolgreicher Dienstleister für Oberflächentechnologie

Die Entwicklung der modernen Flugzeugtechnologien ist vor allem mit dem Leichtmetall Aluminium verbunden. Die guten mechanischen und chemischen Eigenschaften, verbunden mit dem geringen Gewicht, ermöglichen den Bau von leichten und zugleich stabilen Konstruktionen. Dieser Vorteil wird seit einigen Jahren in zunehmendem Maße auch im Fahrzeugbau genutzt. Darüber hinaus haben Aluminium und dessen Legierungen aber auch in der Elektrotechnik aufgrund des geringen spezifischen Gewichts und der relativ guten Leitfähigkeit eine verbreitete Anwendung.

Alle diese Vorteile machen es aber erforderlich, dass die Aluminiumbauteile durch unterschiedliche Oberflächentechnologien bearbeitet werden. Sei es durch Polieren zur Erhöhung des Glanzes, durch Verstärken der natürlichen Schutzschicht und der daraus folgenden Verbesserung der Verschleiß- und Korrosionsbeständigkeit oder durch Auftragen einer löt- und kontaktfähigen Metallschicht. Dies ist eines der Geschäftsfelder, auf denen die Rieger Metallveredlung in Steinheim seit langem mit Erfolg tätig ist. Darüber hinaus eignen sich die Beschichtungsverfahren des Unternehmens aber auch für Stähle und Kupfermetalle.

Schichten auf Aluminium

Aluminium ist mit einem Anteil von 7,5 Prozent das dritthäufigste Element der Erdkruste und das häufigste Metall – damit ist es ausgezeichnet verfügbar. Dass Aluminium aber erst seit etwas mehr als 100 Jahren in der heute bekannten metallischen Form eingesetzt wird, ist durch die Gewinnung durch Schmelzflusselektrolyse, bei der das verfügbare Aluminiumoxid in Aluminiummetall umgesetzt wird, begründet. Das chemisch sehr stabile Aluminiumoxid bildet sich auch auf der Außenseite jedes Aluminiumkörpers und schützt diesen dadurch vor dem weiteren Angriff durch Sauerstoff. Das Oxid ist sogar so stabil, dass es nur in Säuren und starken Laugen erkennbar angegriffen wird. Im thermodynamischen Sinn ist Aluminium sehr unedel, woraus sich die hohe Reaktionsfreudigkeit mit Sauerstoff und die Bildung der Oxidschicht ableiten lässt. Im direkten metallischen Kontakt mit nahezu allen anderen verfügbaren Metallen macht sich diese Tatsache jedoch negativ bemerkbar, indem im Kontaktbereich bei Vorliegen einer wässrigen Lösung das Aluminium stark korrodiert.

Die Oberflächenbehandlung bietet nun verschiedene Verfahren, um die Beständigkeit von Aluminium und Aluminiumlegierungen unter solchen Bedingungen zu verbessern. Prinzipiell kann in zwei grundsätzlich unterschiedliche Arten der chemischen beziehungsweise elektrochemischen Beschichtung auf Aluminium unterschieden werden.

Beim Anodisieren – auch als Eloxieren (elektrolytisch Oxidieren) bezeichnet – wird mit Hilfe des elektrischen Stroms die natürliche Oxidschicht durch eine künstliche, dickere Oxidschicht ersetzt. Im ersten Schritt wird in der Regel das vorhandene natürliche Oxid durch Einwirken von Säuren oder Laugen entfernt. Anschließend wird durch das Anlegen von Strom in einer Säure an der Aluminiumoberfläche durch Zersetzen des Wasseranteils der Säure Sauerstoff entwickelt, der sofort mit dem Aluminium zum sehr beständigen Aluminiumoxid reagiert. Hierbei ist das Aluminiumwerkstück die Anode im elektrischen Stromkreis. Je nach Art der Legierung, der Art und Zusammensetzung der Säure oder auch der Gestaltung des verwendeten Stromkreises (Gleichstrom oder Wechselstrom mit unterschiedlicher Spannung und Stromstärke) können dünnere porenfreie oder dickere poröse Schichten hergestellt werden. Poröse Schichten eignen sich beispielsweise zum Einschließen von Farbstoffen zum Färben der Oxidschicht. Mit einer abschließenden Nachbehandlung (bezeichnet als Sealen) können die Poren mit einer Mischung aus Aluminiumoxidhydroxid verschlossen werden.

Die künstlich erzeugten Oxidschichten zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie eine sehr gute Haftung auf dem Grundmaterial besitzen, da sie durch eine Umwandlung der Aluminiumoberfläche in Aluminiumoxid entstanden sind. Sie entstehen daher auch auf der gesamten Oberfläche des Bauteils in annähernd konstanter Dicke. Verfahrensbedingt kann die Dicke der Oxidschicht in gewissen Grenzen eingestellt und so die Verschleißbeständigkeit variiert werden. Für dekorative Zwecke werden geringere Schichtdicken gewählt, da mit zunehmender Dicke eine Eintrübung beziehungsweise Verminderung des Glanzes auftritt. Für funktionelle Anwendungen sind dagegen dickere Schichten sinnvoll. Die Rieger Metallveredlung bietet Lösungen für beide Arten der anodischen Oxidation an und auch das Polieren der Bauteile zur Erzeugung von glänzenden Oberflächen wird im eigenen Haus vorgenommen. Dadurch ist das Unternehmen in der Lage, die Kundenwünsche schnell und mit konstant hoher Qualität auszuführen.

Als zweite Art der Oberflächenbehandlung von Aluminium steht die galvanische Beschichtung mit Metallen zur Auswahl. Einer direkten Metallisierung nach den üblichen Verfahren der Galvanotechnik steht die natürliche Oxidschicht auf Aluminium entgegen. Einerseits behindert die Isolationswirkung der Oxidschicht den Austausch von elektrischen Ladungen zwischen Grundmetall und dem in Ionenform vorliegenden Metall des Elektrolyten. Zum anderen ist die Haftung von Metall auf der Aluminiumoxidschicht bei der elektrochemischen Reduktion von Metall aus Ionenform stark vermindert. Gelöst wird diese Herausforderung, indem in speziellen Prozessen das Aluminiumoxid in einer wässrigen Lösung aufgelöst und in der selben Lösung sofort nach Entfernen des Oxids mit einem Metall wie Zink, Nickel oder Kupfer belegt wird. Diese erste Belegung verhindert die Entstehung einer erneuten Aluminiumoxidschicht. Die Rieger Metallveredlung hat bereits vor mehr als 40 Jahren ein Verfahren zur Metallisierung von Aluminium entwickelt und patentiert. Schon 1971 ging die ersten Anlage zum galvanischen Beschichten von Aluminium nach dem Nical-Verfahren in Betrieb. Dafür wurde dem Unternehmensgründer Franz Xaver Rieger am 29. Oktober 1988 der renommierte und begehrte Dr.-Rudolf- Eberle-Preis, der Innovationspreis des Landes Baden-Württemberg, verliehen [1]. Bis heute wurden drei weitere Technologien für die Vorbehandlung und Metallisierung von unterschiedlichen Aluminiumlegierungen und mit verschiedenen Beschichtungsmetallen (Rical, Richemal und Cucal) entwickelt. Damit ist das Unternehmen in der Lage, eine breite Palette an Legierungen für die unterschiedlichsten Anforderungen und Einsatzmöglichkeiten zu beschichten. Die Art und Ausführung der Endschicht ist nach der Herstellung der direkten Kontaktschicht auf der Aluminiumoberfläche beliebig wählbar. Bei Rieger wird hier bevorzugt mit einer Kombination aus Kupfer, Nickel und Chrom gearbeitet. Diese bietet einen guten Korrosionsschutz und zugleich ein dekoratives Aussehen. Für den Einsatz in der Elektrotechnik, beispielsweise für Bauteile zum Hochstrommanagement, eignet sich eine Zinnbeschichtung, die gute Kontakteigenschaften mit hoher Korrosionsbeständigkeit vereint. Zu den größten Herausforderungen bei der galvanischen Beschichtung von Aluminium zählen einerseits eine gute Haftung zwischen Substrat und Beschichtung und zum anderen eine absolut porenfreie Metallschicht in ausreichender Dicke. Beide Anforderungen werden mit den Verfahrenstechnologien der Rieger Metallveredlung erfüllt.

Funktionelle und dekorative Oberflächentechnik

Für die Beschichtung von Bauteilen stehen bei der Rieger Metallveredlung die Verfahren Verkupfern, Vernickeln (matt, halbglanz, glanz), Verchromen (Hart-, Glanz-, Schwarzverchromen) und Verzinnen zur Verfügung. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit zur Auftragung von harten und verschleißfesten, chemisch abgeschiedenen Nickelschichten. Die guten mechanischen und chemischen Eigenschaften beruhen hier auf der Mitabscheidung von Phosphor, wodurch eine Nickellegierung mit etwa 10 % bis 15 % Phosphor hergestellt werden kann.

Die verschiedenen Beschichtungen werden – neben dem bereits genannten Aluminium – auf Stahl und Edelstahl sowie auf Kupfer und Kupferlegierungen abgeschieden. Auch hier kann bei Bedarf eine mechanische Vorbehandlung durch Schleifen und Polieren vorgenommen werden. Beschichtbar sind Einzelbauteile mit Abmessungen von bis zu 2800 mm x 1100 mm x 300 mm und einem Gesamtgewicht von etwa 250 Kilogramm sowie Kleinbauteile als Schüttgut.

Für die Beschichtungen ist die Rieger Metallveredlung gemäß DIN ISO 9001:2008 zertifiziert. Die Qualität der Bearbeitung wird mit Hilfe von Schichtdickenmessungen (Röntgenfluoreszenz, Wirbelstrom- und Magnetmessung) überprüft.

Ethik als Baustein zum Erfolg

Die Rieger Metallveredlung konnte in diesem Jahr ihr 60-jähriges Jubiläum feiern – ein Beleg für die erfolgreiche Arbeit des Unternehmens, sowohl in technischer als auch in wirtschaftlicher Sicht. Darüber hinaus haben aber auch weitere Punkte zum Erfolg des Unternehmens beigetragen, beispielsweise das soziale Engagement gegenüber den Mitarbeitern, eine wertorientierte Personalarbeit, der verantwortungsvolle Umgang der Position innerhalb der Lieferkette oder die Bemühungen für einen hohen Umweltschutz. Solche Größen stehen im Mittelpunkt des Bündnisses Ethics in Business. Hierzu werden Unternehmen vom Schweizer Institut für Wirtschaftsethik der Universität St. Gallen unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Thomas Beschorner beurteilt.

Im Rahmen der Untersuchung wurde das starke Engagement von Rieger für den Umweltschutz betont, beispielsweise durch Einführung einer innovativen Abwasserbehandlung in den 1990er Jahren sowie die Kreislaufführung zur drastischen Reduzierung des Wasserverbrauchs. Seit 2011 wird mit Hilfe von Solarzellen auf dem Dach der Produktionsstätte ein erheblicher Teil des notwendigen Stroms selbst erzeugt. Das nächste Ziel ist der ausschließliche Bezug von Strom aus regenerativen Quellen, die der Geschäftsführer Franz Rieger für Ende 2014 anstrebt, auch wenn dafür höhere Kosten für Energie anfallen.

Ebenfalls positiv bewertet wurde die intensive Zusammenarbeit mit den Kunden, um die Qualität der beschichteten Bauteile zu verbessern. Hier ist vor allem die Unterstützung der Kunden bereits in der Design- und Konstruktionsphase zu nennen. Durch das beschichtungsgerechte Konstruieren steigt die Qualität des Endprodukts, gleichzeitig sinkt der Aufwand zur Erzielung einer optimalen Beschichtung – ein Vorteil, der Kunde und Lieferant in der Prozesskette zugute kommt.

Als einer der Ersten im Bereich der Oberflächenbehandlung hat die Rieger Metallveredlung im vergangenen Jahr das Gildezeichen Ethics in Business erhalten [2].

Gut gerüstet für die Zukunft

Dass Franz Rieger heute mit 38 Mitarbeitern nicht viel mehr Beschäftigte hat als sein Vater vor fünf Jahrzehnten, begründet er mit dem Schlagwort Automatisierung. Dem Unternehmen stehen zwei Automatikanlagen und eine manuelle Prozesslinie für Spezialbeschichtungen und Musterbearbeitung zur Verfügung. Die Prozesslinie zur Oberflächenbehandlung von Aluminiumbauteilen, die den Hauptteil der derzeitigen Bearbeitung ausmacht, wurde vor kurzem komplett überholt und modernisiert. Im Rahmen der Erneuerung kam eine roboterunterstützte Prüf- und Verpackungsanlage für die Bauteile hinzu. Mit dieser Anlage ist es möglich, jedes Bauteil mit einer eigenen Seriennummer zu versehen und die Bearbeitung mit allen verfügbaren Arbeitsparametern und Prüfwerten zu archivieren.

Susanne Rieger, Tamara Rieger, BM Olaf Bernauer und Franz Rieger (v.l.n.r.) 

Einen weiteren Baustein zur Zukunftssicherung des Unternehmens sieht Franz Rieger in der Aus- und Weiterbildung von Fachkräften für die Oberflächenbeschichtung und die Verwaltung. Dadurch steht dem Unternehmen das erforderliche Fachpersonal für Entwicklungsaufgaben und die Umsetzung neuer Verfahren in der Praxis zur Verfügung. Franz Rieger bietet aber auch dem Nachwuchs die Chance, in der zukunftsträchtigen Oberflächentechnologie eine Lebensaufgabe zu finden.

Und auch in Sachen Nachfolge kann Franz Rieger mit Zuversicht in die Zukunft blicken: Sein 22-jähriger Sohn Alexander Rieger ist nun, wie der Vater einst, Assistent der Geschäftsleitung, und sichert dem Familienunternehmen Rieger Metallveredlung, den Mitarbeitern und den Kunden auch zukünftig hochwertige Oberflächenbeschichtungen für wichtige Bauteile.

Quellen:

[1] Wirtschaft Regional (Ostalbkreis), Oktober 2013, S. 10–11

[2] Ulrich Wickert: Es ist an der Zeit – Ethics in Business; Redline Verlag 2013; S. 43

 

Rieger Metallveredlung in Zahlen

1953: Gründung „Galvanische Anstalt“
in Heidenheim

1960: Umzug des Betriebs nach Steinheim

1969: Bau der Abwasseranlage

1971: Inbetriebnahme der patentierten Nical-Anlage

1977: Inbetriebnahme der ersten vollautomatischen Anlage zur Nical-Beschichtung

1988: Franz Xaver Rieger erhält den Innovationspreis des Landes für das Nical-Verfahren

1990: Inbetriebnahme einer Hartchromautomatenanlage und einer mikroprozessorgesteuerten Aluminiumgalvanisieranlage

1993: Entwicklung des Qualitätssiegels geprüfte Rieger-Qualität

1997: Übergabe an Franz A. Rieger

2008: Inbetriebnahme des Trommelautomaten für Kupfer, Zinn und Nickel

2013: Inbetriebnahme der roboterunterstützten Prüf- und Verpackungsanlage für eloxierte Bauteile

 

 

Text zum Titelbild: Roboter zur Prüfung und Verpackung von beschichteten Bauteilen

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