DIN EN 1090 – Neue Anforderungen an die Beschichtung von Stahltragwerken

Werkstoffe 10. 08. 2013
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Was Hersteller und Beschichter beachten müssen

Von Rechtsanwalt Lars Walther, Schwäbisch Gmünd

Die Anforderungen aus der EN 1090 über die Ausführung von Stahl- und Aluminiumtragwerken führen für die Hersteller von entsprechenden Tragwerken zu gewissen Nachweispflichten. Dies gilt unter anderem auch für die Anforderungen an den Korrosionsschutz, die sich direkt aus der EN 1090 beziehungsweise aus der ISO 12944 ergeben. Allerdings wird der Hersteller seine Beschichter aus Haftungs- und Kostengründen zukünftig verpflichten, einen Nachweis der Anforderungen zu bringen. Die Konsequenzen aus der seit Juli geltenden Regelung beziehen sich sowohl auf Feuerverzinkungen als auch auf Lackierungen von Tragwerken. Einen geeigneten Nachweis der Korrosionsschutzanforderungen stellen europäische Qualitätszeichen dar.

DIN EN 1090 New Requirements for Coating of Steel Structures. Implications for Fabricators and Coaters

The various requirements enshrined in EN 1090 for the manufacture of steelwork and aluminium structures impose a range of measures on the manufacturers of these items. This includes requirements relating to corrosion protection is which are expressly stated in EN 1090 as well as in ISO 12944. It is clear that the fabricator will increasingly require assurances from the coater both in terms of liability and cost. These new requirements which are in force since July, apply equally to hot dip galvanising and paint coatings of structures. Suitable guidance regarding corrosion protection requirements can be found in European Quality Standards as set out in EN 1090 Part 2.

Am 1. Juli 2013 ist die Bauproduktenverordnung der EU in Kraft getreten. Die Bauproduktenverordnung harmonisiert verschiedene europaweit unterschiedliche nationale Normen für Bauprodukte. Das bedeutet, dass der Hersteller eines Bauprodukts, das unter die Bauproduktenverordnung und die darin aufgeführten Normen fällt, dieses in der EU nur noch mit einer Leistungserklärung (Übereinstimmung des Bauprodukts mit der Norm) und CE-Kennzeichnung in Verkehr bringen darf.

Der Hersteller muss zukünftig erklären, dass sein Bauprodukt in Übereinstimmung mit der jeweiligen Norm hergestellt wurde. Verstöße gegen die Bauproduktenverordnung stellen eine Ordnungswidrigkeit dar und können mit einem erheblichen Bußgeld (bis zu 50 000,00 Euro) geahndet werden. Darüber hinaus können sich für den Hersteller umfangreiche haftungsrechtliche Problematiken ergeben, wenn sein Bauprodukt nicht mit der erklärten Leistung übereinstimmt.

Die EN 1090 Ausführung von Stahltrag­werken und Aluminiumtragwerken, Teile 1 bis 3,sind harmonisierte Normen, die über die Bauproduktenverordnung innerhalb der EU verbindlich eingehalten werden müssen. Die neue gesetzliche Regelung bringt insbesondere für Metallbaubetriebe, die im bauaufsichtlichen Bereich Tragwerke aus Stahl und Aluminium (Abb. 1) herstellen, eine Reihe von neuen, einzuhaltenden gesetzlichen Vorgaben. So müssen die Hersteller von Aluminium- und Stahltragwerken ihre werkseigene Produktionskontrolle (WPK) gemäß EN 1090 durch eine akkreditierte und notifizierte Stelle zertifizieren lassen, wobei für Hersteller die bereits nach der alten nationalen Norm (DIN 18800-7) zertifiziert sind, in Deutschland noch eine Übergangsfrist bis zum 1. Juli 2014 gilt.

 

Die zu erfüllenden Anforderungen und Prüfintervalle der Zertifizierungsstelle ergeben sich dabei aus den vier Ausführungsklassen (Execution Classes = EXC). Hier erfolgt eine Einteilung der Tragwerke in Abhängigkeit von der Beanspruchung, dem Werkstoff und dem Schweißverfahren. Der Hersteller solcher Tragwerke muss sich also vor einer Zertifizierung genau bewusst sein, welcher Ausführungsklasse seine Produkte unterliegen. Denn ist der Hersteller beispielsweise nach der EXC 2 zertifiziert, so kann er keine Tragwerke, die einer höheren Ausführungsklasse unterliegen, normgerecht und damit mangelfrei in Verkehr bringen. Die verschiedenen Ausführungsklassen werden wie folgt unterschieden:

  • In die EXC 1 fallen tragende Bauteile aus Stahl bis zur Festigkeitsklasse S275 und Aluminiumlegierungen, die vorwiegend ruhend beansprucht werden, beispielsweise Treppen, Einfamilienhäuser bis zu vier Geschossen oder Balkone
  • Die EXC 2 unterscheidet sich von der Klasse 1 darin, dass Stahl bis zur Festigkeitsklasse S700, die nicht ruhende Beanspruchung und Bauwerke bis einschließlich 15 Geschossen zusätzlich erfasst sind
  • In die EXC 3 hingegen fallen Bauteile, die nicht von der Klasse 1 und 2 erfasst sind. Dies sind Gebäude mit mehr als 15 Geschossen, großflächige Dachkonstruktionen, Stadien, Brücken im Straßenbau, fliegende Bauten (Achterbahn), Türme, Masten, Antennen
  • Die EXC 4 umfasst alle tragenden Bauteile der Klasse 3, wenn das Versagen eines solchen Bauteils zu extremen Folgen für Mensch oder Umwelt führen kann. Hier sind Brücken im Straßen- und Gleisbau über dicht besiedelten Gebieten, Industrieanlagen mit hohem Gefährdungspotenzial und Komponenten in Atomkraftwerken zu nennen.

Die Abstände für die Inspektion der werkseigenen Produktionskontrolle nach der erfolgreichen Erstinspektion durch die Zertifizierungsstelle erfolgt bei den EXC 1 und 2 im Rhythmus 1-2-3-3 (Jahre), für die EXC 3 und 4 im Rhythmus 1-1-2-3-3.

Der Metallbauverband spricht deutschlandweit von etwa 20 000 bis 30 000 Metallbaubetrieben, Schlossereien und ähnlichen Unternehmen, die derartige Tragwerke herstellen und sich einer laufenden Überwachung durch eine akkreditierte und notifizierte Stelle unterziehen müssen.

Vielen Herstellern und auch Beschichtern ist nicht bekannt ist, dass die mehr als 400-seitige EN 1090 auch Anforderungen an den Korrosionsschutz durch Beschichtung, die Ausführung dieser Arbeiten und das verwendete Beschichtungsmaterial regelt.

Auswirkungen der EN 1090 im Bereich Korrosionsschutz

Nachfolgend wird näher auf die grundsätzlichen Auswirkung der EN 1090 im Bereich des Korrosionsschutzes auf den Hersteller und seinen Beschichter eingegangen.

Anhang F der EN 1090 Teil 2 (Stahltragwerke)­ regelt, dass die Anforderungen an den Korrosionsschutz in den Ausführungsunterlagen festgelegt werden müssen. Somit muss der Hersteller dem Beschichter bei Auftragserteilung verbindlich mitteilen, welche Korrosivitätskategorie und Schutzdauer für den Auftrag einzuhalten sind, denn der Beschichter kann im Regelfall nicht einschätzen, ob das Produkt in den Geltungsbereich der EN 1090 fällt.

Des Weiteren ist zu klären, ob es sich bei dem Produkt überhaupt um ein tragendes Bauteil handelt oder ob es in der EU in Verkehr gebracht wird oder für die Schweiz oder Dubai bestimmt ist. Dann unterliegt es nicht dem Geltungsbereich der Norm. Der notwendige Korrosionsschutz, der durch die Beschichtung erreicht werden soll beziehungsweise muss, ist dem Beschichter verbindlich mitzuteilen, da dieser ebenfalls von vielen Faktoren (beispielsweise dem Standort des Bauwerks – Sylt oder Berchtesgaden, Umweltbedingungen, Industrie­belastungen, Einsatzgebiet, innen oder außen, und ähnlichen Unterscheidungen) abhängt und ohne Informationen durch den Beschichter nicht vorhergesehen werden kann.

Bringt der Hersteller das beschichtete Bauprodukt nun innerhalb der EU in Verkehr, so ist er generell verpflichtet, einen Nachweis über die Ausführung eines normgerechten Korrosionsschutzes zu führen und die Korrosivitätsklasse und Schutzdauer in der Leistungserklärung und der CE-Kennzeichnung offenzulegen. Dies kann der Hersteller nur dadurch erreichen, dass er die Ausführung des normgerechten Korrosionsschutzes überprüft beziehungsweise überprüfen lässt (Abb. 2) oder er seinen Beschichter verpflichtet, dies in einer geeigneten, nachprüfbaren und dokumentierten Weise zu belegen.

Abb. 2: Prüfer auf einem Strommast

 

Anwendungen von Korrosionsschutznormen

Bei der Pulverbeschichtung im Stahlbau (Abb. 3) ist zu klären, welche Korrosionsschutznorm zur Anwendung kommt.

Die EN 1090 enthält mehrere Verweise auf die ISO 12944 Korrosionsschutz von Stahlbauten durch Beschichtungssysteme. Daraus folgt, dass die Korrosionsschutzarbeiten nach dieser Norm auszuführen sind. Allerdings schließt die ISO 12944 Korro­sionsschutzbeschichtungen durch Pulverlacke aus. Querverweise zu anderen Normen oder Regelwerken sind leider nicht vorhanden. Insoweit muss nach Ansicht des Verfassers bei Pulverapplikationen eine analoge Anwendung der ISO 12944 vorgenommen werden.

Abb. 3: Beschichtung mittels Pulverlack (oben) und durch Feuerverzinken (unten)

 

Regelung der EN 1090 für Pulverapplikationen

Die EN 1090 Teil 2 regelt, dass genaue Arbeitsanweisungen zum Aufbringen der Beschichtungsstoffe vorliegen müssen. Bei der Pulverbeschichtung muss somit der ganze Ablauf der Applikation dokumentiert und entsprechend der ISO 12944 durchgeführt werden. Dazu zählen sowohl die mechanische und chemische Vorbereitung der Stahlbauteile, die ausgeführten Beschichtungsarbeiten und Trocknung, als auch die Lagerung.

EN 1090 – Managementsystem zum Nachweis

Nach Ansicht des Autors genügt ein Mana­gementsystem zum Nachweis der vorgeschriebenen Anforderungen nur bedingt. Innerhalb der EN 1090 ist geregelt, dass die Arbeitsabläufe einer werkseigenen Produktionskontrolle unterliegen müssen. Dies gilt auch für die Beschichtung, so dass die Norm grundsätzlich davon ausgeht, dass ein QS/QM-System genügt. Durch ein Managementsystem werden die Abläufe, die Beschichtungsbedingungen und beispielsweise Eigenkontrollmaßnahmen festgeleg­t und dokumentiert, so dass die von der Norm geforderte werkseigene Produktionskontrolle durch ein solches System grundsätzlich abgedeckt ist.

Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang nun allerdings stellt, ist, ob dies für den Hersteller/Auftraggeber des Beschichters eine wesentliche Erhöhung der Sicherheit bietet, da der Hersteller bei Mängeln als erstes in der Haftungskette in Anspruch genommen wird und mit seinem guten Namen für Mängel seiner Auftragnehmer geradestehen muss.

Bei einem QS/QM-System findet eine Überprüfung der Korrosionsschutzwirkung der aufgebrachten Beschichtung nicht statt. Der Auftraggeber kann sich insoweit nicht unbedingt darauf verlassen, dass die gestellten Korrosionsschutzanforderungen bei seinem Auftrag eingehalten wurden. Er kann im Vorfeld ohne aufwendige Prüfungen im Regelfall nicht genau feststellen, ob der Beschichter in der Lage ist, die gestellten Anforderungen zu erfüllen.

Ein Managementsystem ist daher nicht geeignet, den Nachweis über die Einhaltung der geforderten Korrosivitätsklassen des Herstellers zu führen.

Nachweis der Korrosionsschutzwirkung durch den Beschichter

Grundsätzlich sind mehrere Wege denkbar, wie der Beschichter den Nachweis der Korrosionsschutzwirkung erbringen kann.

Zum einen kann der Nachweis des normgerechten Korrosionsschutzes und der Korrosionsschutzwirkung gegenüber dem Hersteller für jeden einzelnen Auftrag durch eine fachlich geeignete Fremdüberwachung erbracht werden, welche die Überprüfung der Auftragsdokumentation und den Korrosionsschutz der Produkte umfasst. Dies mag im Einzelfall eine geeignete Maßnahme sein, ist aber bei mehreren Aufträgen, die in den Geltungsbereich der EN 1090 fallen, mit einem enormen Kostenaufwand verbunden, den der Auftraggeber des Beschichters tragen wird.

Einen weiteren Weg stellt der Nachweis über europäisch anerkannte Gütesiegel dar. Durch vorgeschriebene laufende Produktionskontrollen und deren Überprüfung durch unabhängige Prüfinstitute kann ein genereller Nachweis geführt werden. Auch wird der Nachweis der beim Beschichter möglichen Korrosivitätsklasse geführt, da bei den Fremdüberwachungen regelmäßig Probebleche beschichtet werden, die beim unabhängigen Prüfinstitut auf ihre Korro­sionsschutzwirkung untersucht werden.

Allerdings muss bei dieser Möglichkeit gesagt werden, dass selbst ein Qualitäts­zeichen keinen 100-prozentigen Schutz bieten kann. Der Auftraggeber hat durch das Siegel die zusätzliche Möglichkeit die erreichbare Korrosionsschutzklasse des Beschichters festzustellen und kann somit die Gewissheit erlangen, dass der gewählte Beschichter den Auftrag durchführen kann. Bei regelmäßigen Qualitätsprüfungen durch unabhängige Inspektoren wird dem Beschichter der Führerschein für die Korrosivitätskategorie erteilt.

Bei der Beschichtung von Tragwerken aus Aluminium ergibt sich diese Möglichkeit des Nachweises über ein Güte- oder Qualitätszeichen wörtlich aus der EN 1090 Teil 3. Hier gibt die Norm eindeutig vor, dass die Einhaltung der Anforderungen durch ein europäisch anerkanntes Gütesiegel nachgewiesen werden kann.

Die EN 1090 Teil 2, welche für den Stahlbau gilt, gibt jedoch keinen ausdrücklichen Hinweis auf Gütesiegel. Nach Ansicht des Verfassers muss aber für die Beschichtung von Tragwerken aus Stahl ein Nachweis über Gütesiegel möglich sein.

Unter dem Gesichtspunkt der Kostenbetrachtung erscheint der Nachweis über ein Güte- oder Qualitätszeichen die bessere Wahl zu sein, da das Label nicht nur für den einzelnen Auftrag, sondern für jeden Auftrag der in den Geltungsbereich der EN 1090 fällt, verwendet werden kann. Die Kosten können somit bei jedem Auftrag einkalkuliert werden, ohne dass dies beim einzelnen Auftrag zu einer wesentlichen Kostensteigerung führt. Ein weiterer Mehrwert ergibt sich daraus, dass die vorgeschriebene interne Qualitätskontrolle sowie die externe Qualitätsüberwachung auch für alle anderen Aufträge durchgeführt wird. Damit können Haftungsfälle wesentlich minimiert werden, wodurch die Kundenzufriedenheit und -bindung steigt. Das Qualitätslabel kann zu Marketingzwecken und zur Kundengewinnung zielgerecht eingesetzt werden.

Qualitätszeichen für die Beschichtung von Stahltragwerken

Die QIB – Qualitätsgemeinschaft Industriebeschichtung e. V. ist ein Industrieverband auf dem Gebiet der Lohn- und Industrie­lackierung, der sich durch eine konsequente­ Qualitätsorientierung seiner Mitglieder am europäischen Markt etabliert hat.

Darüber hinaus ist die QIB Generallizenznehmer des internationalen Qualitätszeichens Qualisteelcoat, das mittlerweile sieben eigenständige Landesverbände umfasst. Qualisteelcoat gilt speziell für die Beschichtung von Stahl und verzinktem Stahl im Architekturbereich und ist somit als Qualitätsnachweis bei der Beschichtung von Stahltragwerken nach der EN 1090 Teil 2 geeignet.

Das unabhängige IfO – Institut für Oberflächentechnik GmbH in Schwäbisch Gmünd nimmt als beauftragtes Prüfinstitut für die QIB und Qualisteelcoat die Lackzulassungs- und Beschichterprüfungen in Deutschland und Österreich wahr. Durch die Akkreditierung des Instituts nach EN 45011 und EN 17025 kann die QIB zuverlässige Qualitätsaussagen treffen.

Fazit

Grundsätzlich treffen zunächst den Hersteller von Stahl- und Aluminiumtragwerken verschiedenste Nachweispflichten aus der EN 1090. Dies gilt für die Anforderungen an den Korrosionsschutz, die sich direkt aus der EN 1090 ergeben beziehungsweise aus der ISO 12944. Allerdings wird der Hersteller seine Beschichter aus Haftungs- und Kostengründen zukünftig verpflichten, einen Nachweis der Anforderungen zu bringen. Einen geeigneten Nachweis der Korrosionsschutzanforderungen stellen europäische Qualitätszeichen dar. Für den Geltungsbereich der Stahltragwerke nach EN 1090 Teil 2 eignet sich das internationale Qualitätszeichen Qualisteelcoat.

DOI: 10.7395/2013/Walther1

Kontakt

QIB – Qualitätsgemeinschaft Industriebschichtung e. V., RA Lars Walther, Alexander-von-Humboldt-Straße 19, D-73529 Schwäbisch Gmünd;
Tel.: 07171/10408-33; E-ail: info@qib-online.com

 

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