Galvanisch abgeschiedene Lote auf hochreinen Aluminiumoxidkeramiken

Werkstoffe 08. 07. 2013

Von Ingolf Scharf, Markus Müller, Roy Morgenstern, Cornelia Mainka, Daniel Wett, Daisy Nestler, Ina Hoyer, Sebastian Weis, Bernhard Wielage und Thomas Lampke, Technische Universität Chemnitz

Für medizinische Implantate werden oftmals Aluminiumoxidkeramiken wegen ihrer guten Bioverträglichkeit eingesetzt. Als Verbindungstechnik für Metalle und Keramiken eignet sich prinzipiell das Löten, wobei die Verträglichkeiten der Lotwerkstoffe gegenüber der jeweiligen biologischen Umgebung besondere Aufmerksamkeit zukommen muss. Als Aktivelement für diese Verbindung wird eine Titanschicht aus einem PVD-Prozess aufgebracht. Um eine Oxidbildung auf der Titanschicht zu vermeiden, wurde Zink im gleichen PVD-Prozess als Schutzschicht abgeschieden. Durch anschließende nasschemische Verfahren wird zunächst das Zink abgetragen und dann die Titanschicht als „Verbindungselement“ für die Abscheidung der Edelmetalllegierungsschicht wirksam. Strukturierte Metall-Keramik-Verbindungen zeigen gute Verbindungsfestigkeiten.

Electrodeposited Solders on High-purity Alumina Ceramics

Where surgical implants are involved, alumina ceramics are often used because of their excellent biocompatibility. In order to join them to other components, soldering lends itself well, subject to the condition that the solder alloy used is itself compatible with the biological environment. To ensure good bonding between ceramic and solder, a thin metallic layer of titanium is coated using PVD and this, for example, can be protected against oxidation using zinc. Using wet chemical processing, then zinc is removed in first step. The titanium works in this case as a connecting element for depositing a noble metal coating. This being a suitable substrate for the solder application process.

Hochreine Aluminiumoxidkeramiken finden in medizinischen Applikationen häufig Verwendung. Vor allem die chemische Beständigkeit gegen eine Vielzahl von Chemikalien und körpereigene Substanzen prädestiniert a-Aluminiumoxid für dieses Anwendungsfeld. Die äußerst hohe chemische Beständigkeit verleiht dieser hochreinen Keramik eine hervorragende Biokompatibilität. Das Anforderungsprofil medizinischer Anwendungen erfordert meist eine Kombination­ artungleicher Werkstoffe. Speziell für Metall/Keramik-Verbunde stellt das Löten ein geeignetes Fügeverfahren dar. Herausforderungen bestehen dabei zum einen in der eingeschränkten Benetzbarkeit keramischer Oberflächen durch metallische Werkstoffe und zum anderen in der Minimierung thermisch induzierter Eigenspannungen.

Oxidkeramiken sind üblicherweise eine Mischung von unterschiedlichen Metalloxiden­ auf Basis der namensgebenden Komponente. Für medizinische Anwendungen, bei denen die Biokompatibilität das Hauptkriterium darstellt, enthalten diese nur sehr geringe Anteile weiterer Oxide. Eine Möglichkeit zur Herstellung von Metall/Keramik-Verbunden besteht im Löten von zuvor metallisierten Keramiken. Bei konventionellen Metallisierungsverfahren werden die Zuschlagstoffe in der Keramik, wie Magnesium- oder Kupferoxid, durch konzentrierte Laugen oder Säuren herausgelöst. In einem zweiten Schritt erfolgt dann ionogen eine Bekeimung der aufgerauten Oberfläche mit Palladium. Dies ist Voraussetzung für die Abscheidbarkeit von Schichten durch eine außenstromlose Metallisierung und deren gute Haftfestigkeit. Die hohe Reinheit der Aluminiumoxidkeramik und damit das Fehlen herauslösbarer Komponenten verhindert die Anwendung dieses Verfahrens. Stattdessen kommt im vorliegenden Fall ein PVD-Verfahren (Physical Vapor Deposition) mit anschließender galvanischer Abscheidung des Lotwerkstoffs zum Einsatz. Zur Reduzierung von thermisch induzierten ­Eigenspannungen wird zusätzlich eine Strukturierung der Fügefläche vorgenommen. Die Prozesskette ist in Abbildung 1 dargestellt.

Abb. 1: Prozesskette zur Herstellung einer eigenspannungsoptimierten Metall-Keramik-Fügezone

 

Als Basis für eine nachfolgende galvanische Beschichtung wurde zunächst Titan im Vakuum auf die Keramik gesputtert (Verfahren: reaktives DC-Magnetronsputtern). Da die Schicht verfahrensbedingt mit etwa 100 nm nur sehr dünn und damit in der ­Größenordnung einer Passivschicht wirtschaftlich aufgebracht werden kann, muss sie vor Oxidation durch Luftsauerstoff geschützt werden. Dies erfolgte durch anschließendes Auftragen einer Zinkschicht im gleichen PVD-Prozess (Abb. 2). Die Verwendung von zwei Targets (Titan und Zink) in einer Beschichtungskammer gestattet die Erzeugung eines oxidfreien Übergangs durch die Abscheidung von Titan und Zink. Die schützende Zinkschicht kann anschließend vor der galvanischen Prozesskette durch verdünnte Salzsäure abgelöst werden. Eine oxidationsfreie Weiterverarbeitung der freigelegten Titanschicht ist somit nass in nass – also in einem durchgängigen elektrochemischen Prozess ohne weitere physikalische Zwischenarbeitsschritte – möglich. Für längere Prozesspausen kann die Oxidationsbeständigkeit der Zinkschicht durch Passivierung weiter erhöht werden.

Abb. 2: Zur Charakterisierung erzeugte Bruchkante einer PVD-Beschichtung mit Titan und Zink auf einem Aluminiumoxidsubstrat

 

Beim Löten von Metall und Keramik entstehen durch die stark unterschiedlichen thermischen Ausdehnungskoeffizienten von Metall und Keramik während des Abkühlvorgangs starke Eigenspannungen, welche zum vorzeitigen Versagen des Verbundes führen können. Dabei sind insbesondere Zugspannungen als kritisch einzustufen. In der Nähe der Lötnaht ist der Zugspannungsanteil im äußeren Bereich der Keramik besonders hoch. Eine Minimierung kann zum einen durch eine lötgerechte Gestaltung der Fügefläche und zum anderen durch ein geeignetes Temperatur-Zeit-Regime erreicht werden. Durch eine Strukturierung der Metallisierung bereits im PVD-Prozess wird eine Verkleinerung der Einzelfügeflächen erreicht. Dabei können durch den Einsatz von Masken Strukturbreiten von minimal 1 mm hergestellt werden. Zum Erhalt der Konturtreue ist eine gezielte Anpassung der Salzsäurekonzentration beim Ablösevorgang der Zinkschutzschicht notwendig. Je geringer die Strukturbreite gewählt wird, desto langsamer muss die Zinkschicht entfernt werden, beispielsweise durch Verwendung einer niedrig konzentrierten Salzsäure. Das anschließende galvanische Abscheiden des Lotes auf die PVD-Titanschicht in einer nass­chemischen Prozesskette gestattet die Gestaltung eines oxidfreien Interfaces.

Durch die Auswahl des Lotwerkstoffs und eines optimierten Temperatur-Zeit-Regimes­ beim Lötprozess besteht eine weitere Möglichkeit, Spannungen im Verbund zu redu­zieren. So wurden für die Applikation Weichlote ausgewählt, welche Liquidustemperaturen von unter 300 °C aufweisen. Um eine gute Biokompatibilität zu gewährleisten, wurde Gold als Basiselement ausgewählt. Die gute physiologische Verträglichkeit von Zinnverbindungen begründete die Auswahl als Legierungselement. Für die galvanische Abscheidung dieses Lotes kam ein cyanidischer Elektrolyt zum Einsatz. Dieser zeichnet sich durch eine selektive Wirkungsweise des Komplexbildners aus, der die gezielte Einstellung der Legierungs­zusammensetzung über die Zinnkonzentration im Elektrolyten erlaubt. Angestrebt wurde das Gold-Zinn-Eutektikum bei einer Zusammensetzung von AuSn29 (in At-%), das eine Schmelztemperatur von 278 °C aufweist. Um eine reaktive Anbindung des Titans an die Keramik zu erreichen sind jedoch Löttemperaturen von 700 °C bis 800 °C erforderlich. In diesem Temperaturbereich liegt die Gold-Zinn-Legierung als Schmelze vor. Die niedrige Solidustemperatur wirkt sich positiv auf das Spannungsfeld beim Abkühlvorgang aus, da die Erstarrung erst bei unter 300 °C einsetzt. Zudem wurden generell geringe Heiz- und Abkühlraten verwendet. Die so gelöteten Proben versagten im Zugversuch fast ausschließlich innerhalb des keramischen Substrats, solange die Löttemperatur über 700 °C gewählt wurde (Abb. 3).

Abb. 3: Im Zugversuch geprüfte Metall-Keramik-Verbindung mit Bruch im keramischen Substrat, was auf eine gute Fügeverbindung hindeutet

 

Das vorgestellte Verfahren zur Metallisierung von hochreinem Aluminiumoxid (Abb. 3) ermöglicht die Herstellung eines haftfesten, oxidfreien Interfaces zwischen Keramik und strukturiert abgeschiedenem Lotwerkstoff. Damit ist ein kostengünstiges Fügen mit sicherer Prozessführung zur spannungsreduzierten Herstellung von Metall-Keramik-Verbunden möglich.

Hinweis

Das IGF-Vorhaben 16.892 BR/1 der Forschungsvereinigung Deutsche Gesellschaft für Galvano- und Oberflächentechnik e. V. (DGO) wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

DOI: 10.7395/2013/Scharf1

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