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Stuttgarter Oberflächentechnik-Preis - die Gewinner
Auszeichnung mit dem Stuttgarter Oberflächentechnik-Preis DIE OBERFLÄCHE; die Preise entgegengenommen haben (von links) Sönke Sachs von der TE Connectivity (Platz 3), Maik Hormel von der Holzapfel Metallveredelung (Platz 1) und Michael Topp von der J. Wagner (Platz 2) (Bild: Deutsche Messe AG / Ole Spata)
Ein wendiges Galvanikgestell, ein Regelsystem für die Pulverbeschichtung und ein umweltfreundlicher Beschichtungsprozess für Steckverbinder: Die Produkt- und Prozessinnovationen dreier Unternehmen sind am ersten Tag der Fachmesse SurfaceTechnology Germany mit dem Stuttgarter Oberflächentechnik-Preis DIE OBERFLÄCHE 2024 ausgezeichnet worden.
Die Oberflächentechnik ist oft maßgeblich am Innovationsgrad und Fortschritt zahlreicher Branchen beteiligt, ohne dass dies einer breiten Öffentlichkeit bekannt wird, wie Martin Metzner, Leiter der Abteilung Galvanotechnik am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, einleitend betonte. Um diese allgegenwärtige und dennoch oft übersehene Querschnitts- und Schrittmachertechnologie zu würdigen, wurde 2012 der Stuttgarter Oberflächentechnik-Preis DIE OBERFLÄCHE ins Leben gerufen und vom ihm als Jury-Mitglied bewertet.
Bis 8. April waren Unternehmen und Einzelpersonen aus allen Disziplinen der Oberflächen- technik aufgerufen, sich um die Auszeichnung zu bewerben. Sechs Unternehmen kamen in die engere Wahl, drei davon haben Dr. Metzner sowie Dr. Michael Hilt und Dr. Martin Riester als weitere Juroren am 4. Juni auf dem Fachforum der SurfaceTechnology Germany 2024 mit dem Preis gewürdigt.
Platz 1: Dreh- und kippbares Galvanikgestell
Um den wachsenden Anforderungen an multifunktionale Oberflächen von Kühlkörpern für die Leistungselektronik gerecht zu werden, hat die Holzapfel Metallveredelung ein motorisiertes dreh- und kippbares Galvanikgestell entwickelt. Es ist mit einer speicherprogrammierbaren Steuerung ausgestattet, sodass es prozessindividuelle Bewegungsabläufe ausführen kann. Dank des stufenlosen Schwenkwinkels wird einerseits eine bisher unerreichte Beschichtungsqualität möglich und andererseits eine sehr große Variabilität bei der Bauteilausrichtung. Diese Wendigkeit spart Ressourcen. Denn das dreh- und kippbare Galvanikgestell ermöglicht es, Bauteile nur auf einer Seite zu beschichten, ohne sie vorher maskieren zu müssen. Der Metallverbrauch sinkt deshalb um bis zu 60 Prozent und der Einsatz von Chemikalien sogar fast 80 %. Außerdem verringert sich der Energiebedarf für galvanische Beschichtungen aufs Jahr gerechnet um 385 Tonnen Kohlenstoffdioxid (CO2).
Die Innovation spart den Ausführungen von Dr. Metzner zufolge nicht nur Material, Energie und Emissionen ein, sondern stellt eine echte Enabler-Technologie für die Endanwendung dar. Zudem ist die Entwicklung industrialisiert, was die Jury insbesondere vor dem Hintergrund der harten chemischen Randbedingungen in einer galvanischen Fertigung überzeugt hat.
Platz 2: Pulvermengen-Regelsystem
Juror Michael Hilt, Geschäftsführer der Forschungsgesellschaft für Pigmente und Lacke e.V., führte aus, dass die Dosierung von Feststoffen als Aerosol prozesstechnisch nach wie vor herausfordernd ist – bei der Pulverbeschichtung ist sie für eine hohe Qualitätskonstanz jedoch besonders wichtig. Es gibt bei der Dosierung von Beschichtungspulvern neben der nötigen Genauigkeit noch Effekte, die den Pulverausstoß zeitlich verändern. So führt zum Beispiel Verschleiß an der Beschichtungsanlage dazu, dass der Pulverausstoß und damit die Schichtdicke auf dem Lackierobjekt mit der Zeit unkontrolliert variiert. Das Regelsystem Flowsense des Unternehmens J. Wagner aus Markdorf kann nun erstmals den Pulverausstoß kontrollieren und konstant halten. Es erfasst in unterschiedlichen Prozessschritten Druckveränderungen im Pulverschlauch und ermittelt daraus einen Referenzdruckwert. Diese Regelgröße verhält sich proportional zur Pulvermenge – unabhängig vom Verschleiß. Ein Ampelsystem visualisiert den Verschleißzustand und zeigt an, wann der beste Zeitpunkt ist, um Verschleißteile auszutauschen.
Es steckt ein hoher Aufwand mit einem sehr guten und für die betriebliche Praxis relevanten Ergebnis in dieser Entwicklung, die den Sprung in die Praxis erfolgreich absolviert hat – eine echte Innovation in diesem Beschichtungsbereich, so Hilt.
Platz 3: Umweltfreundlicher Beschichtungsprozess für Steckverbinder
Die steigenden Anforderungen an die Steckverbinder in den Bordnetzen von Autos erfordern völlig neue beschichtete Kontaktoberflächen. Sie müssen leistungsfähig sein und umweltfreundlich hergestellt werden können. Das Unternehmen TE Connectivity aus dem hessischen Bensheim hat den physikalischen GreenSilver-Beschichtungsprozess entwickelt, bei dem eine Kombination der beiden leitfähigsten Metalle Kupfer und Silber die Kontaktoberfläche bildet. Aufgrund der feinkristallinen Struktur und des niedrigen Reibungskoeffizienten erzielt das Beschichtungsmaterial stabile elektrische Verbindungen, hält Temperaturen von bis zu 180 °C und hohen Vibrationsbelastungen stand. Das neue Beschichtungsverfahren ist trocken, erzeugt kein Abwasser und hat einen um bis zu 35 % kleineren CO2-Fußabdruck als etablierte galvanische Prozesse.
GreenSilver Contact Surface Technology ermöglicht leistungsfähige Steckverbindungen, die gegenüber herkömmlichen Verfahren deutlich ressourceneffizienter produziert werden, erläutert Juror Martin Riester, Referent der Fachabteilung Oberflächentechnik beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), zur Begründung der Vergabe des Preises. Die vorgestellte Signal- und Stromübertragung sowie Sensortechnologie und damit auch einen Beitrag für die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele dieser Branche leisten.
Drei weitere Unternehmen nominiert
Auf Platz vier landete die BMF aus Chemnitz. Sie hatte sich bei der Jury mit einer selbstlernenden Künstlichen Intelligenz beworben, die reproduzierbare und homogene Oberflächenbeschichtungen generiert und den Prozess überwacht. Den fünften Platz teilen sich die Unternehmen Dörken Coatings aus Herdecke und Chemetall aus Frankfurt am Main. Dörken Coatings war mit einer neuartigen Beschichtung für Schrauben und andere Gewindeteile ins Rennen gezogen, die ohne giftiges und äußerst langlebiges PFAS auskommt. Chemetall wollte den Wettstreit mit einer Beschichtungstechnologie für sich entscheiden, die auch an Kanten und auf Innenflächen eine homogene und rundum konsistente Beschichtung realisiert.
Der Stuttgarter Oberflächentechnik-Preis DIE OBERFLÄCHE wird alle zwei Jahre auf der internationalen Fachmesse Surface Technology Germany in Stuttgart verliehen. Hannes Weik