Atmosphärendruckplasma erlaubt es, unterschiedliche Grundmaterialien einer Feinstreinigung zu unterziehen und die Oberflächen zu aktivieren. Damit können Metalle, Kunststoffe oder anorganische Substrate mit einer Beschichtung versehen werden. Sehr gute Resultate liefert die Technologie bei der Herstellung von Produkten für die Medizintechnik, für Anlagen der Elektrotechnik und Elektronik, aber auch für die Herstellung von hochbelastbaren Werkstoffverbindungen.
Der 48. Workshop AK Atmosphärendruckplasma (ak-adp) Innovationen durch atmosphärische Plasmen in Chemnitz, eröffnet durch Dr. Kerstin Horn (Innovent Jena), bot den etwa 50 Teilnehmern interessante Anwendungen und Entwicklungen der Technologie und präsentiert die Ergebnisse des Wettbewerbs ZukunftADP.
Innovationsplattform des Freistaates Sachsen
Eröffnet wurde die Veranstaltung mit einer Vorstellung der Innovationsplattform futureSAX, mit der kleine und mittelständische Unternehmen bei der Arbeit an Innovationen unterstützt werden. Dazu gehören eine Steigerung der Bekanntheit, Netzwerkbildung oder Unterstützung bei Forschung und Entwicklung. So lassen sich beispielsweise der Zugang zu Fördermitteln oder die Suche nach Entwicklungspartnern für innovative KMUs vereinfachen. Thematische Schwerpunkte sind unter anderem Mikroelektronik, Maschinenbau, Automation oder Wasserstoff. Damit findet eine gute Einbindung in bestehende Standorte statt, wie dem Halbleiterstandort mit mehr als 30 Milliarden Euro Innovationskapital. Die primären Aktivitäten der Plattform besteht in der Netzwerkarbeit.
Plasmachemie bei Atmosphärendruck
Den ersten Fachvortrag bestritt Dr. Dirk Hegemann, Empa, St. Gallen, der den Einfluss der Gastemperatur beim Einsatz von Plasmachemie bei Atmosphärendruck in den Mittelpunkt rückte. Solche Plasmen lassen sich unter anderem zur Oberflächenbearbeitung von Werkstoffen einsetzen.
Dafür wird beispielsweise ein elektrisch erzeugtes Plasma genutzt, bei dem eine starke Kollision der Teilchen ausgelöst wird, infolgedessen wiederum chemische Reaktionen ermöglicht werden. Das erzeugte Plasma verändert die chemische Struktur von Molekülen oder Atomen an der Oberfläche eines Materials und erlaubt damit unter anderem die Einbringung von weiteren Stoffen, wie zum Beispiel Silanen.
Eine anderer Reaktionsstoff ist Sauerstoff, mit dem sich Katalysatorenoberflächen reaktivieren lassen. In der Medizin werden heute schon Geräte für atmosphärisches Plasma und unter Einsatz von Katalysatoren genutzt. Die optimale Energie bei derartigen Vorgängen lässt sich mit der Arrhenius-Gleichung abschätzen. Eingesetzt wird dies beispielsweise bei der Hydrophobierung mit SiO:CH3. Dies findet zum Beispiel bei Textilien Einsatz, um PFAS zu vermeiden. Aktuell kann der Effekt zwar erzeugt werden, allerdings noch nicht mit der erforderlichen Nutzungsdauer – durch mehrmaliges Waschen verliert sich der Effekt. Ein neuer Ansatz befasst sich damit, Kohlenstoffdioxid in nutzbaren Rohstoff umzusetzen.
Ebenso wird das Verfahren zur Erzeugung von Ozon herangezogen. Die Umsetzung ist temperaturabhängig, wobei die besten Ergebnisse bei niedrigen Temperaturen zu verzeichnen sind. Bei höheren Temperaturen verstärkt sich die Rekombination der aktivierten Teilchen. Solche Effekte führen zur optimalen Gestaltung von Anlagen zur Produktion. Aufwändiger gestaltet sich diese Optimierung, wenn mehrere Teilschritte einer Reaktion zu berücksichtigen sind. Als ein wichtiger Schritt gilt die Plasmaheizung, bei der sowohl Reaktionsenergien als auch Ionenströme zum Tragen kommen.
Reinigung für die Adhäsion von Lacken und Klebstoffen
Wie Dr. Sergey Stepanov, Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM, Bremen, einleitend betonte, finden Verfahren mit Atmosphärendruckplasmen zunehmend Eingang zur Reinigung von Werkstoffen oder der Verbesserung der Haftung von aufgebrachten Beschichtungen. Die Techniken eignen sich sehr gut für Inline-Prozesse oder zur Skalierung auf unterschiedlich zu bearbeitende Flächen. So kann Atmosphärendruckplasma beispielsweise das mechanische Aufrauen von Kunststoffen für das Verkleben ersetzen. Ähnliche positive Resultate werden bei der Verwendung von Trennmitteln für die Entformung von gespritzten Bauteilen oder der Reinigung von Formen oder Bauteilen erzielt. Für Spritzwerkzeuge werden auf ein Werkzeug zum Beispiel siliziumorganische Trennmittel für eine gute Entformung aufgebracht.
Als weiteres Reinigungsverfahren ging der Vortragende auf das Strahlen mit Kohlenstoffdioxidschnee oder mittels Laser ein. Maßgeblich für die Wahl des Verfahrens sind die Art des Substrats sowie die Art der Verunreinigung. Für den Einsatz von Lasern spielt das eingesetzte Laserlicht eine wichtige Rolle, das so auszuwählen ist, dass die Oberflächen des zu reinigenden Substrats nicht beschädigt werden. Als Kriterium für die Reinigungsqualität kann die Benetzbarkeit herangezogen werden.

Steigerung der Klebfestigkeit nach Behandlung mit Atmosphärendruckplasma (links) sowie Reinheit von Trennmitteln beziehungsweise Rückständen unter Einsatz einer Vorreinigung vor der Plasmareinigung (Bild: Dr. Stepanov)
Mit den vorgestellten Kombinationen von Technologien ist es möglich, ein breites Spektrum an Verunreinigungsgraden oder -arten stets optimal reinigen zu können. Für die Einstellung ist es hilfreich, die Reinigung mit einer Messmethode zur Prüfung der Reinheit zu ergänzen, zum Beispiel durch ein Interferenzverfahren.
Fügen von Kunststoff-Hybrid-Materialien
Die Anforderungen richten sich heute verstärkt auf die Möglichkeiten, Kunststoffe mit Metallen oder anderen Nichtkunststoffen mit hoher Haftung zu verbinden, beispielsweise in der Elektromobilität, um Gewicht einzusparen, wie Julian Kraft, Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT, Pfinztal, einführend erläuterte. Aktuell wird dazu eine Verbindungsschicht mit hoher Porosität zwischen beiden Materialien erzeugt, so dass eine große Oberfläche entsteht, in die der Kunststoff, in flüssiger Form aufgebracht, eindringen kann. Aufgrund der großen Fläche wird die erforderliche Verbindungsfestigkeit erzeugt. In der Praxis wird dazu beispielsweise eine Schicht aus Siliziumdioxid (SiO2) mittels Niederdruckplasmatechnik (PECVD) aufgebracht. Ziel ist es, eine nanoporöse Haftschicht zu erzeugen.
Bei dieser Technologie lassen sich die Arbeitsparameter der Plasmabeschichtung mit vertretbarem Aufwand variieren. So müssen die Parameter auf den jeweiligen Ausgangsstoff des einzusetzenden Polymers angepasst werden. Relevant sind vor allem die Temperatur und die Energie des Beschichtungsprozesses. Im Fall des Atmosphärendruckplasmas wird dazu der Wärmeeintrag in das Substrat ermittelt. So wird in entsprechenden Versuchen die lokale Wärmeverteilung auf dem Substrat unter Verwendung von Peltier-Elementen ermittelt. Aus den erhaltenen Messwerten kann mit Hilfe des Fourier-Scheiben-Theorems eine flächenbezogene absorbierte Leistung einer Wärmequelle erschlossen werden.

Versuchsaufbau zur Bestimmung des Wärmeeintrags in das Substrat bei Anwendung von Atmosphärendruckplasma (Bild: J. Kraft)
Eine weitere Methode zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit nutzt das Schichtwachstum auf einem Substrat, bei dem die Temperatur eine wichtige Rolle spielt.
Charakterisiert werden die Verfahren zur Verbesserung der Haftung durch Messen der Scherfestigkeit einer hergestellten Materialverbindung. Die aus diesen Daten gewonnenen Ergebnisse stellen die Grundlage dafür dar, die Technologie an komplexen Bauteilen zu prüfen.
ADP-Technologien zur Sterilisation und Desinfektion
Dr. Christian Bäuml, Relyon Plasma GmbH, Regensburg, stellte eine Technologie vor, mit der plasmaaktiviertes Wasser hergestellt werden kann, das wiederum für Prozesse der Sterilisation und Desinfektion eingesetzt wird. Dafür wird ein gepulster atmosphärischer Lichtbogen mit einer speziellen Geräteeinheit mit einer Leistung von etwa 1000 W und Prozesstemperaturen über 250 °C eingesetzt. Eine zweite Technologie arbeitet mit einer piezoelektrischen Direktentladung (DPD) beziehungsweise einer dielektrischen Barriereentladung (DBD). Diese Plasmatechnologien werden für die Oberflächenvorbehandlung beziehungsweise zur Feinstreinigung oder Vorbehandlung vor dem Lackieren eingesetzt. Die dielektrische Barriereentladung eignet sich für Anwendungen im Gesundheitswesen, der Industrie und der Landwirtschaft.
Zu den Besonderheiten des Reaktors zur Erzeugung einer flächigen Entladung zählt die spezielle Gestaltung der Reaktoroberfläche. Im Reaktor können verschiedene Gase eingesetzt werden, wobei in der Regel hohe Ozonkonzentrationen angestrebt werden und eine aktive Kühlung vorhanden ist. Je nach eingestellter Leistung und Temperatur unter Wirkung einer aktiven Kühlung unterscheiden sich die erzeugten Gaskonzentrationen (also zum Beispiel reaktive Sauerstoff- und Stickstoffverbindungen). Je nach Arbeitsparameter lässt sich Wasser in unterschiedlicher Zusammensetzung (Anteil an aktivierten Gasteilchen) herstellen.
Plasmaaktiviertes Wasser ist Wasser, das durch eine Plasmabehandlung oder mittels Plasma erzeugtem reaktiven Gas veränderte Eigenschaften hat. Es wird unter anderem zur Oberflächendesinfektion, Lebensmitteldekontamination, Verbesserung der Keimung von Samen und Saaten, Reinigung von Geräten in der Medizin und als Düngemittel für verbessertes Pflanzenwachstum eingesetzt. Es gibt allerdings keine konkrete Spezifikation für plasmaaktiviertes Wasser, da die Zusammensetzung stark von den jeweiligen Behandlungsparametern abhängig ist. Dies führt zu einer Änderung des pH-Werts, des Redox-Potentials und der elektrischen Leitfähigkeit des Wassers. Dieses Wasser hat eine antimikrobielle Wirkung, während das Wasser, das nur aus Strom, Wasser und Luft generiert wird, als eine günstige Desinfektionslösung genutzt werden kann.
Aus Luft lassen sich so atomarer Stickstoff oder Sauerstoff erzeugen, der je nach Spezies unterschiedlich schnell weitereagiert, zum Beispiel Wasserstoffperoxid oder Stickoxid. Je nach Zusammensetzung des Produkts werden unterschiedliche biologische Effekte ausgelöst, also beispielsweise im Hinblick auf die Zerstörung von Zellen. Mit den von Dr. Christian Bäuml, vorgestellten Reaktoren ist es möglich, serielle Zusammenschaltungen vorzunehmen und so mehrere Wirkgase zu erzeugen.
Antimikrobielle Beschichtungen
Antimikrobielle Beschichtungen, mit denen sich Adrian Würzl, Innovent Jena, befasst, sind im Bereich der Medizintechnik von großem Interesse. Für die Erzeugung und Abscheidung der Schichten eignet sich die ADP-Technik. Dabei übernimmt das Plasma sowohl die Bildung des Schichtwerkstoffs als auch die Aktivierung der Substratoberfläche. Aufgebracht wurden zum Beispiel Aluminiumoxidschichten mit unterschiedlichen Kupfergehalten, mit denen die antimikrobielle Eigenschaft von Kupfer genutzt werden kann und gleichzeitig die Abriebbeständigkeit erhöht wird. Die Schichtdicken lagen bei bis zu 60 µm. Je nach Stromstärke variieren die Porosität sowie die Neigung der Kupferpartikel zum Aufschmelzen.
Ein weiterer Einflussfaktor ist die Durchlaufzahl zur Erzeugung der Schicht. Zur Charakterisierung der Schicht wurden die Haftfestigkeit sowie der Abrieb herangezogen. Für den Abrieb spielt die Phasenverteilung eine Rolle, also die Größe der Kupferpartikel und deren Zustand bezüglich Schmelzgrad. Eine weitere Messgröße ist selbstverständlich die antimikrobielle Wirkung sowie der Zeitraum der Änderung dieser Wirkung. Die Untersuchungen lassen erkennen, dass bereits ab einem Gehalt von 5 % Kupfer in der Schicht eine vergleichbare Wirkung wie auf reinem Kupfer erzeugt werden kann.

Bewertung der viruziden Wirksamkeit gegen modizierten Vaccinia Virus nach 1 und 4 Stunden (Bild: A. Würzl)
Alle relevanten Ergebnisse der Beschichtungsversuche zeigen, dass die Schicht für den Einsatz in der Praxis geeignet ist. Durch die Kombination von Aluminiumoxid und Kupfer kann eine Schicht mit hoher Lebensdauer und geringer Empfindlichkeit gegen Feuchtigkeit hergestellt werden, was von reinen Kupferoberflächen unter den Anwendungsbedingungen nicht erfüllt wird.
Glasbarriereschichten
Die von Patrick With, Leibniz-Institut für Oberflächenmodifizierung, Leipzig, vorgestellten Glasbarriereschichten werden für Geräte und Einrichtungen für erneuerbare Energien oder zur Decarbonisierung der Energiewirtschaft benötigt und erfahren dementsprechend großes Interesse. Die Herausforderung ist hier eine kostengünstige Abscheidung auf kostengünstigen Substraten. Die Glasbarrieren haben die Aufgabe, eine Durchmischung von Stoffen durch Diffusion infolge von Konzentrationsgradienten zu unterbinden. Eingesetzt wurden hier Metalloxiddünnschichten aus Präcusoren wie Titan(IV)ethanolat. Damit weirden eine präzise Schichtdicke und geringe Arbeitstemperaturen gewährleistet.
Genutzt werden kann dafür die Photokonversion, mit der Metalloxid bei Normaldruck aufgebracht wird. Hierbei liegen die Temperaturen unter 80 °C bei einem Druck von 1 Atmosphäre. Wichtig sind die Messung der Beschichtungsatmosphäre und die Verfolgung des Schichtdickenwachstums. Die Abscheidung kann mit einem gepulsten Atmosphärendruck-Plasmajet (pAPPJ) durchgeführt werden. Die Gerätetechnik erlaubt die Einstellung von Größen wie Gasfluss, Abstand zum Substrat oder Geschwindigkeit der Düse über dem Substrat. Der Verlauf der Reaktion lässt sich mittels Infrarotspektroskopie verfolgen und die Wachstumsgeschwindigkeit von Filmen auf den Substraten bestimmen. Die Scangeschwindigkeit bestimmt den Grad des Stoffumsatzes an der Oberfläche beziehungsweise die Reaktionszeit (geringere Geschwindigkeit = längere Reaktionszeit).
In der fertigen Schicht können sich solche unterschiedlichen Reaktionszeiten durch das Auftreten von Blasen in der Schicht bemerkbar machen. Unterschiedliche Schichtkombinationen lassen wie zu erwarten unterschiedliche Sauerstofftransmissionen erkennen. Diese Größe kann durch eine Optimierung des Abscheideprozesses oder den Einsatz von Mehrfachschichten variiert werden. Eine weitere Einflussgröße ist die Art des eingesetzten Gases für den Plasmaprozess, zum Beispiel Luft an Stelle von Sauerstoff. Die Schicht ändert dadurch zum Beispiel ihre Oberflächenstruktur in Richtung höherer Porosität, was sie allerdings für eine Nutzung als Glasbarriere eher ungeeignet macht.
Nachbearbeitung von Schichten auf Glas
Daniel Tasche, HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst, Göttingen, behandelte in seinem Vortrag die Modifikation von einbrennsilikonisierten Schichten auf Glassubstraten, die in der Medizintechnik – zum Beispiel für Spritzenkörber – verwendet werden. Sie sorgen für geringe Reibung, hohe chemische Beständigkeit oder sind wasserabweisend. Allerdings vermindert die Beschichtung die Klebeverbindung bei der Anbringung von Kanülen. Um dies zu ändern wurde ADP herangezogen.

Durch die Plasmabehandlung kann die Zusammensetzung der Oberfläche modifiziert werden (Bild: D. Tasche)
Die Vermessung der Schicht zeigt, dass Kohlenstoff aus der Oberfläche entfernt und Sauerstoff angelagert wird. Durch die Plasmabehandlung wird die Schichtdicke reduziert, gleichzeitig werden aber geringere Dickenvariationen erzielt. Die Zugfestigkeit der eingeklebten Kanülen kann durch die Behandlung über etwa 300 Sekunden deutlich erhöht werden. Aufwändig war in diesem Fall die Fertigung einer geeigneten Automatisierung, damit eine hohe Zahl an Spritzen gleichzeitig behandelt werden kann.
-wird fortgesetzt-