Bedeutender Meilenstein für Galvabau und Pilatus

Oberflächen 07. 08. 2025
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Für die Pilatus Flugzeugwerke AG in Stans durfte Galvabau AG ein anspruchsvolles Projekt realisieren, bestehend aus zwei autarken Galvanikanlagen mit für Pilatus neuartigen, innovativen Prozessen: Zink-Nickel und E-Coating

Seit mehr als 80 Jahren ist die Pilatus Flugzeugwerke AG in Stans am Vierwaldstätter See mit Flugzeugtechnologie aktiv. Gegründet wurde das Unternehmen am 16. Dezember 1939 als kleiner Unterhaltsbetrieb für die Schweizer Luftwaffe. Die Luftfahrtindustrie war zu dieser Zeit, weltpolitisch bedingt, geprägt von vielen Innovationen und Neuentwicklungen. Seit dieser Zeit hat sich das Unternehmen zu einem international erfolgreichen Entwickler und Hersteller in der Luftfahrt gewandelt, bei dem Schweizer Qualität und Innovation zu den Grundpfeilern der Arbeit zählen.

Die Qualität der hergestellten Fluggeräte und Teile für Flugzeuge erfordert eine hochwertige Oberflächenbehandlung. Die Herstellung der dafür erforderliche Anlagen ist das Kerngeschäft der Galvabau AG mit Sitz in Hergiswil, in der Nähe von Luzern. Die Galvabau AG verfügt über jahrzehntelanger Erfahrung im Bereich der Oberflächentechnik auf der Basis wertvoller Kompetenz und umfangreichem Know-how. Ein Team von 30 hochmotovierten und gut ausgebildeten Mitarbeitern befasst sich mit sämtlichen Aufgaben rund um den Anlagenbau für die Galvanotechnik. Von der Planung und dem Projektmanagement, über ­Konstruktion und Herstellung der Anlagen. Selbstverständlich kümmern sich die Spezialisten auch nach der Inbetriebnahme um die Anlagen und gewährleisten durch den professionellen Unterhalt und Service die einwandfreie Funktion der Anlagen. Viele der erstellten Anlagen verrichten auch noch nach Jahrzehnten ihre Arbeit wie am ersten Tag.

Neue Galvanikanlage der Galvabau AG bei Pilatus Flugzeugwerke AG

 

Die Qualität der Galvabau-Anlagentechnik war auch für die Pilatus Flugzeugwerke AG der entscheidende Punkt zur Vergabe eines anstehenden Projekts. Allerdings stellte dieses aus einigen Gründen sehr hohe Anforderungen an die beiden Parteien:

  • Sehr enge Platzverhältnisse, die eine Aufstellung auf zwei Ebenen notwendig machte
  • Integration eines neuartigen E-Coating-Prozesses
  • Montage und Aufbau der beiden neuen Anlagen, direkt neben der bestehenden Anodisieranlage ohne Produktionsunterbruch derselben

Die Galvabau nahm diese Herausforderungen an und installierte beide neuen Anlagen parallel zur bestehenden Anodisieranlage. Die Be- und Entladung der Bauteile erfolgt im Erdgeschoss. Von dort werden die Warenträger in die Prozessebene gehoben und durch die einzelnen Prozessschritte der Anlage geführt. Aufgrund der benötigten, hohen Anzahl an Prozesspositionen war es erforderlich, die Anlage oberhalb der Be- und Entladestation auf einem zusätzlichen Zwischenboden zu erweitern.

Anlage für E-Coating

Der E-Coating-Prozess, auch bekannt als anodische Tauchlackierung (ATL), ist ein elektrochemisches, industrielles Beschichtungsverfahren, mit zertifizierter Zulassung für die Luft- und Raumfahrt. Aufgrund der Zulassung wird das Verfahren zunehmend in dieser Industrie eingesetzt.

Die Technologie hat gewisse ­Ähnlichkeiten mit der galvanischen Beschichtung, mit dem Unterschied, dass die Schicht nicht metallisch, sondern organisch ist. Metallische Bauteile werden hierbei in eine wasserbasierte Beschichtungslösung – bestehend aus negativ geladener Lacklösung mit Harz, Pigmenten und Zusatzstoffen - eingetaucht. Beim Absetzen in die Beschichtungslösung wird das Bauteil automatisch an den Pluspol eines Gleichrichters (Anode) angeschlossen. Mit dem Anlegen der Spannung und den dadurch fließenden Strom wird an der Oberfläche des Bauteils das vorhandene Wasser elektrochemisch zersetzt. Dabei entsteht Sauerstoff und Wasserstoffionen werden freigesetzt. Dies entspricht einer Absenkung des pH-Werts, wodurch das gelöste Harz an der Oberfläche des Bauteils koaguliert. Über die Gleichrichterspannung sowie der Verweildauer in der Beschichtungslösung kann die Schichtdicke gesteuert werden. Die Spannung wird während des Beschichtungsprozesses auf dem eingestellten Sollwert gehalten. Erzielt wird dies, automatisch gesteuert, durch eine stetige Anpassung des Stromflusses. Die Spannung kann bis auf maximal 400 V eingestellt werden.

Die anodische Tauchlackierung zeichnet sich aus durch:

  • Gleichmäßige Schichtbildung, selbst auf komplexen Geometrien und in Hohlräumen
  • Hervorragenden Korrosionsschutz des ausgehärteten Lacks
  • Hohe Reproduzierbarkeit des Prozesses

Dank eines geschlossenen Kreislaufsystems (Closed-Loop-System) wird die Abwasserbelastung minimiert: Der Beschichtungslack wird kontinuierlich von Spülwasser getrennt und das aufbereitete Wasser (Permeat) in die nachfolgenden Spülstufen rückgeführt.

Anlagentechnisch weist der E-Coating-Prozess für die Anwendung bei der Pilatus Flugzeugwerke AG folgende besonderen Merkmale auf:

  • Strömungsoptimierte Lackierposition zur Vermeidung von strömungstechnischen Totzonen, wodurch Ablagerungen vermieden werden
  • Zwei autarke, externe Tauchpumpen, die ein Fördervolumen von je etwa dem zehnfachen des vorhandenen Behältervolumens aufweisen, mit Rückleitungen in den Behälter über ein ein Serduktorensystem. Die Rotationsgeschwindigkeit der Pumpenlaufräder ist entscheidend, um den Lack nicht zu schädigen
  • 3D-Warenbewegung durch zwei autarke, regelbare und sich überlagernde Schwenk­einrichtungen
  • Ultrafiltrationsanlage zur Trennung vom Beschichtungslack und Spülwasser aus Gründen des Umweltschutzes
  • Stapelbehälter für Reinigungs- und Wartungsarbeiten
  • Sicherheitseinrichtungen, insbesondere mit Berührungsschutz aufgrund der hohen erforderlichen Spannungen für die Lackabscheidung (E-Coating)
  • Betrieb der Lackierposition über eine unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) für maximale Sicherheit bei Stromausfällen, wodurch der Beschichtungslack voll funk­tionsfähig bleibt

Nach dem Durchlauf durch den E-Coating-Prozess und den anschließenden Spülstufen besitzt die Beschichtung auf den Bauteilen eine Grund-Druckfestigkeit und ist somit bereits handfest. Ihre endgültige Enddruckfestigkeit erreicht sie im Umlufttrockner bei 120 °C mit integriertem Spezialfilter, womit sicher gestellt wird, dass während des Trocknungsprozesses keine Fremdpartikel auf die Bauteiloberfläche gelangen.

Vor der Entnahme auf der Be- und Entlade­station werden die Bauteile in einem gekapselten Speicher mit frischer, gefilterter Zuluft gekühlt.

 

Anlage für Zink-Nickel mit Passivierungen

Die galvanische Zink-Nickel-Beschichtung ist in der Automobilindustrie weit verbreitet. In den letzten Jahren hat sie auch in der Luft- und Raumfahrt an Bedeutung gewonnen, da sie eine umweltfreundliche und leistungsstarke Alternative zur traditionellen Kad­miumbeschichtung darstellt.

Während die Zink-Nickel-Abscheidung aus Sicht der Prozesstechnik vergleichbar mit einer konventionellen Verzinkung ist, sind für die Nachlieferung des abgeschiedenen Zinks und Nickels besondere Einrichtungen erforderlich. Für die Zink-Nickel-Position wurde eine speziell entwickelte Lösestation für Zinkanoden integriert, die folgende Merkmale aufweist:

  • Ausgeklügeltes und ergonomisches Handling der Zinkanoden
  • Regelung des Zinkgehalts über eine varia­ble Eintauchtiefe der Zinkanoden, was durch Ober- unter Unterbehälter mittels Niveauregelung und Notablassfunktion erreicht wird
  • Gute Durchmischung in beiden Behältern mit filtrierter Rückführung in die Prozessposition
  • Auslegung auch für kleine Aktivbad-Volumina an Zink-Nickel-Elektrolyt und geringe Warendurchsätze

In der Anlage können Bauteile aus Edelstahl, niedrig legierten oder unlegierten ­Stählen sowie Buntmetallen nach der Zink-Nickel-Beschichtung passiviert oder – falls erforderlich – auch ausschließlich passiviert werden. Die Verarbeitung erfolgt als Gestell- oder Trommelware.

Zink-Löseabteil

 

Ausstattungsmerkmale beider Anlagen

Die beiden neuen Anlagen bei der Pilatus Flugzeugwerke AG verfügen über ein Deckelsystem sowie Transportwagenabsaugung für eine massive Reduzierung der Gesamtabluftmenge. Weiter sind die Transportwagen mit Tropfschalen- sowie einem innovativen Personenschutzsystem ausgerüstet.

Die Anlagen werden gesteuert und geregelt über eine innovative und benutzerfreundliche High-Tech Steuerung. Über die Software wird dem Anlagenbetreiber jede erdenkliche Möglichkeit geboten, alle Prozessparameter individuell einzustellen und zu überprüfen. Mit der Erfassung und Protokollierung aller Parameter sowie deren Auswertungsmöglichkeiten wird den hohen QR-Ansprüchen der Luft- und Raumfahrtindustrie Rechnung getragen.

 

Gemeinsam zum Erfolg – mit Schweizer Qualität und präziser Planung

Die erfolgreiche Realisierung solch komplexer Projekte, wie sie bei der Pilatus Flugzeugwerke AG erfolgreich abgeschlossen wurden, beginnt mit einer klaren Strategie: Galvabau setzt auf die aktive Einbindung aller Stakeholder von Beginn an. Offene Kommunikation und partnerschaftliche Zusammenarbeit stellen sicher, dass alle Interessen berücksichtigt werden.

Im Fokus steht dabei die konsequente Ausrichtung auf Schweizer Qualität – mit Produkten und Komponenten, wenn immer möglich, aus der Schweiz oder Europa – als Grundlage für den langfristigen Erfolg der Anlagen.

Dank präziser Planung und einem ganzheitlichen Projektansatz konnten die beiden Anlagen mit hoher Verfügbarkeit und niedrigen Betriebskosten realisiert werden. Somit wurde nicht nur ein technisch überzeugendes Ergebnis erreicht, sondern es wird auch ein wirtschaftlich nachhaltiger Betrieb auf Jahre hinaus gesichert.

Die Anlagen wurden termingerecht an Pilatus Flugzeugwerke übergeben, sodass direkt die Qualifizierung der Prozesse eingeleitet werden konnte.

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