Nicht nur für die Medizintechnik – neue Methoden zur Silikonisierung von Oberflächen

Medizintechnik 06. 05. 2019
  • Autoren dieses Artikels
  • 2316x gelesen

Beim Einsatz von vorfüllbaren Glasspritzen führt bislang kein Weg an der Silikonisierung vorbei. Im Rahmen eines Forschungsprojekts bei Innovent e. V. konnten zwei Alternativen zur Einbrennsilikonisierung aufgezeigt werden. Zum einen ist es möglich, die bislang nur thermisch fixierte Silikonölemulsion durch geringfügige Modifizierung auch mit Hilfe von Mikrowellenstrahlung anzubinden. Zum anderen konnte gezeigt werden, dass mit Hilfe einer komplett nachbehandlungsfreien Methode eine Anbindung von Silikonöl an die Glasoberfläche möglich ist, um die gewünschte Gleitreibungswirkung zu erreichen. Die im Rahmen des Projekts untersuchten Schichten sind jedoch auch für weitere Anwendungen nutzbar.

Immer mehr Medikamente werden in sogenannten Fertigspritzen vertrieben, das heißt, sie sind so vorbereitet, dass sich die Patienten die entsprechenden Injektionen selbst verabreichen können. Der Wirkstoff muss nicht mehr aus einer Ampulle in die Spritze aufgezogen werden, womit Dosierungsfehler ausgeschlossen werden, die Anwendung wird sicherer, Probleme mit der Sterilität der Injektion bestehen nicht mehr. Bei der Herstellung von diesen vorfüllbaren Glasspritzen ist eine Silikonisierung unumgänglich, um die Gleitreibungskräfte des Kolbenstopfens beim Einsatz der Spritze möglichst geringzuhalten. Aktuell werden zwei Verfahren zur Modi­fikation der Glasoberfläche eingesetzt: die Sprühsilikonisierung sowie die Einbrennsilikonisierung. Größtes Problem bei der Silikonisierung waren bislang freie Silikonöltröpfchen im Medikament, die durch zu hohe Mengen an Silikonöl zustandekommen und anschließend mit bestimmten Wirkstoffen aggregieren können. Die Einbrennsilikonisierung ist deshalb meist die bevorzugte Wahl, da hierbei eine möglichst geringe Belastung mit freien Silikonöltröpfchen erreicht wird. Ziel des Projekts war es daher, effektivere Fixierungsmethoden zur Anbindung des Silikonöls an die Glasoberfläche zu entwickeln, mit denen die gewünschten Eigenschaften (Hydrophobie und Gleitwirkung) nicht beeinträchtigt werden.

Neue Beschichtungsmethoden

Nach umfangreichen Untersuchungen können nun zwei Alternativen aufgezeigt werden. So ist es nun möglich, die bisher thermisch fixierte Silikonölemulsion nach einer geringfügigen Modifikation, zum einen mittels Mikrowellenbehandlung anzubinden, oder thermisch bei deutlich reduzierter Temperatur (nur 150 °C anstatt der sonst üblichen 300 °C). Zum anderen kann mit Hilfe einer komplett nachbehandlungsfreien Methode eine Anbindung von Silikonöl in Form einer ultradünnen Beschichtung erreicht werden. Dabei werden einzelne Moleküle der Reaktionslösung an der Glasoberfläche gebunden. Weitere Moleküle reagieren damit, so dass an der Oberfläche Polymere aus Silikonöl ausgebildet werden, die man sich wie Borsten einer Bürste vorstellen kann. Die ­hydrophoben Eigenschaften der so behandelten Glasoberflächen sowie das Gleitreibungsverhalten sind vergleichbar mit den Werten von Spritzenkörpern mit Sprüh- oder Einbrennsilikonisierung (Abb. 1). Die ultradünnen hydrophoben Schichten sind temperaturstabil bis 150 °C und weisen eine sehr gute mechanische Beständigkeit auf.

Abb. 1: Wassertropfen in sprühsilikonisierter (links) und hydrophob beschichteter Spritze (rechts) (Foto: Innovent e.V.)

 

Metalle, Kunststoffe und mehr

Vor diesem Hintergrund ergibt sich neben den ursprünglich adressierten Anwendungen im Bereich der Pharmaverpackungsindustrie eine Vielzahl weiterer Applikationsmöglichkeiten. So sind zum Beispiel Glasoberflächen ohne Beeinträchtigung der Transmission im sichtbaren Bereich mit der neuen hydrophoben Schicht behandelbar. Auch mit funktionellen Schichten ausgerüstete Oberflächen (z. B. photokatalytisch aktiv beschichtete Gläser) können mit der Beschichtung versehen werden, ohne dass die Funktionalisierung dadurch beeinträchtigt wird.

Abb. 2: Wasser-Kontaktwinkel von verschieden beschichteten PMMA-Substraten nach unterschiedlichen Abriebzyklen (Foto: Innovent e.V.)

 

Eine Behandlung von metallischen Ober­flächen mit natürlicher Oxidbildung ist ohne größeren Aufwand möglich. Auf nicht-oxidischen Materialien, zum Beispiel Kunststoffen, kann die Anbindung nach entsprechender Vorbehandlung, beispielsweise durch das Aufbringen einer dünnen Pyrosil®-Schicht, ebenfalls haftfest erfolgen. In einem Abriebtest konnte die Stabilität der Beschichtungen auf den Kunststoffsubstraten (Plexiglas) auch nach 10 000 Zyklen erfolgreich nachgewiesen werden (Abb. 2).

Die Arbeiten wurden vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie unter dem Förderkennzeichen Inno-KOM MF150028 ­finanziell unterstützt.

Originalpublikation

Die Pharmazeutische Industrie (Pharm.Ind.), Bd. 81, Nr. 3, S. 404–409 (2019)

Relevante Unternehmen

Video(s) zum Thema

Werbepartner

Links zu diesem Artikel

Aus- und Weiterbildung

Top