EMO Hannover 2019 – Neues Verfahren zeigt additive Fertigungstechnologie auf einer Werkzeugmaschine

Werkstoffe 02. 02. 2019
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Rasant und umweltfreundlich beschichten

Das neue Verfahren für extremes Hochgeschwindigkeits-Laserauftragschweißen (Ehla) ist eine echte Erfolgsgeschichte: intensive Verfahrensentwicklung in Aachen seit 2012, konsequente Realisierung und Erprobung der Systemtechnik in den Niederlanden, dann die industrielle Umsetzung in ­China. Und im September 2018 hat das am Aachener Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT und am Lehrstuhl für Digital Additive Production DAP der RWTH Aachen University entwickelte Verfahren in Ditzingen nun auch noch den Berthold Leibinger-Innovationspreis erhalten. Der Preis wird seit 2000 alle zwei Jahre für herausragende Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zur Anwendung oder Erzeugung von Laserlicht verliehen.

Die Bauanleitung für die weltweit wohl schnellste Anlage zum Laserbeschichten ist an und für sich sehr einfach: Man nehme eine CNC-Drehmaschine, installiere eine Laserstrahlquelle, einen Bearbeitungskopf und ein Pulverzufuhrsystem – fertig. Dieser clevere Einsatz additiver Fertigungstechnologie wird auf der EMO Hannover vom 16. bis 21. September 2019 der Öffentlichkeit präsentiert.

Das neue Verfahren löst ein Problem, das besonders Hersteller von stark beanspruchten Bauteilen aus Metall betrifft. Sie müssen Bauteile beschichten, damit sie nicht korrodieren oder verschleißen. Extrem hoch sind zum Beispiel die Ansprüche an die Beschichtungen für meterlange Offshore-Zylinder, die im Meer wegen der salzigen Umgebung schnell rosten und verschleißen. Allerdings warten die üblichen Beschichtungsverfahren – das Hartverchromen, das thermische Spritzen und das Auftragschweißen – mit Nachteilen auf. Auch das Laserauftragschweißen konnte sich bislang in diesem Bereich nur vereinzelt durchsetzen.

Alternative zum Hartverchromen

Das gängigste Verfahren für den Verschleiß- und Korrosionsschutz war bisher die Hartverchromung mit Chrom(VI), das aber wegen seiner umweltschädigenden Wirkung in die EU-Chemikalienverordnung EC 1907/2006 (REACh) aufgenommen wurde. Seit September 2017 darf es daher nur noch nach Autorisierung beziehungsweise besonderer Zulassung verwendet werden. Mit diesem Problem wurde die IHC Vremac Cylinders B. V. aus Apeldoorn (Niederlande) konfrontiert, die Hydraulikzylinder mit bis zu zehn Meter langen Kolbenstangen produziert. Diese kommen unter extrem harten Bedingungen in Baggern, Offshore-Anlagen, Tiefbau und in Schwermaschinen zum Einsatz.

Wie Andres Veldman, Manager Engineering bei IHC Vremac Cylinders erklärt, suchte das Unternehmen schon länger nach neuen Firmen, die duktile und härtere Schichten effektiv auftragen. Für duktile Schichten eignen sich elektrolytische Verfahren und für harte Schichten kommt das Hochgeschwindigkeitsflammspritzen (HVOF) infrage. Aber auch den Laser nahm man in Apeldoorn ins Visier. Erste Untersuchungen im Jahr 2006 ergaben zwar, dass normales Laserauftragschweißen zu teuer und zu kompliziert ist. Doch wir glaubten fest daran, dass diesem Verfahren die Zukunft gehört, erinnert sich Veldman.

Laserbeschichten ­ermöglicht traumhafte Werte

Er hat sich nicht geirrt: Den Durchbruch verdankt das Verfahren maßgeblich einer Inno­vation bei der Verfahrensführung, die viel größere Beschichtungsgeschwindigkeiten ermöglicht. Der metallische Zusatzwerkstoff wird direkt im Laserstrahl geschmolzen und nicht erst im Schmelzbad. Die Folge: EHLA beschichtet mit einer Prozessgeschwindigkeit von bis zu 500 m/min. Üblich sind bisher 0,5 bis 2 m/min. EHLA ermöglicht außerdem, viel dünnere Schichten aufzubringen. Waren bisher nur über 500 Mikrometer ­dicke Schichten möglich, so lassen sich nun 25 bis 250 Mikrometer dünne Schichten ­realisieren. Zudem werden die Schichten glatter, die Rauheit wurde auf ein Zehntel des für Laser­auftragschweißen typischen Werts reduziert.

Den Markterfolg verdanken die Aachener aber auch zwei mutigen niederländischen ­Pionieren. Auf der Suche nach einem Anlagenhersteller stießen die Wissenschaftler auf die noch junge Firma Hornet Laser Cladding B. V. aus Lexmond (Niederlande), zu deren Gründern Jelmer Brugman und Frank Rijsdijk sie seit vielen Jahren eine enge Verbindung haben. In ihrer Fabrik entstand 2014 die erste EHLA-Anlage. Dabei handelt es sich im Prinzip um einen aufgerüsteten Dreh­automaten. Den Hintergrund erläutert Thomas Schopphoven, Leiter des Teams Produktivität und Systemtechnik in der Gruppe Laserauftragschweißen am Fraunhofer ILT: Der Vorteil beim Beschichten von rotationssymmetrischen Bauteilen ist, dass sich die erforderlichen Komponenten – also Laserstrahlquelle, EHLA-Bearbeitungskopf und Pulverzufuhrsystem – gut integrieren und steuerungstechnisch anbinden lassen.

Verfahren bereits ­international im Einsatz

Das Zusammenspiel von Fraunhofer ILT und Hornet überzeugte IHC in Apeldoorn. Auf der Basis eines Drehmaschinentyps, die sich bei uns bereits in Apeldoorn im Einsatz befand, entstand eine völlig neue Anlage, erinnert sich Veldman. Es war eine clevere Idee, denn notfalls hätten wir sie – so unser Plan B – auch als Drehbank nutzen können. Beschaffung und Umbau der Drehmaschine zur rund 14 Meter langen EHLA-Anlage und Aufbau sowie Inbetriebnahme dauerten Veldman­zufolge nur knapp sechs Monate.

Die Niederländer befinden sich nun bereits in der Serienproduktion. Nach mehreren abgeschlossenen Projekten steht für Veldman fest, dass das Verfahren derzeit noch etwa so viel wie das thermische Spritzen ­kostet. Preiswerter wird es – so seine Einschätzung – nach der Optimierung der Endbearbeitungsprozesse.

Kunden, etwa aus dem Offshore-Bereich, konnten die Apeldoorner schon jetzt von der neuen Schicht überzeugen. Dazu ließ das Unternehmen EHLA von der Risikomana­gement-Organisation Lloyd’s Register (LR) nach DIN EN ISO 15614-7 zertifizieren. Seit 2015 hat das Unternehmen einige hundert Hydraulikzylinder für den ­weltweiten Offshore-Einsatz mit Längen von bis zu zehn Metern und Durchmessern von bis zu 500 Millimetern mit verschleiß- und korrosionsbeständigen Legierungen für höchste Ansprüche beschichtet.

Auf die Vielzahl an möglichen Anwendungen setzt auch die Trumpf Laser- und Systemtechnik GmbH aus Ditzingen, die mittlerweile Laseranlagen inklusive EHLA-Verfahren für unterschiedliche Bauteilgrößen ­anbietet. Die umweltfreundliche und schnelle ­Technik überzeugt aber auch außerhalb Europas. Neuerdings setzen auch chinesische Anwender auf das Verfahren. So erläutert Chen Hong, Geschäftsführer der ACunity GmbH aus Aachen, einem Spin-off des Fraunhofer ILT, dass der Bedarf für das EHLA-Verfahren sehr hoch sei, denn China wolle in den kommenden zwei Jahren das Hartverchromen nach europäischem Vorbild reglementieren. 2017 ging das Spin-off daher eine strategische Kooperation mit der China Academy of Machinery Science and Technology Group Co., Ltd. (CAM) in Peking ein und lieferte eine Fünf-Achs-Anlage mit einer vom Fraunhofer ILT angepassten EHLA-Düsentechnologie. Nach den erfolgreichen Einsätzen bei CAM in Peking orderte das Unternehmen Hebei Jingye Additive Manufacturing Technology Co. Ltd. zwei Anlagen zur Außenbeschichtung von bis zu fünf Meter langen Offshore-Hydraulikzylindern mit einem maximalen Durchmesser von einem Meter sowie eine weitere Anlage zur Innenbeschichtung. Nach dem ersten Erfolg des EHLA-Verfahrens in China ist Geschäftsführer Hong optimistisch, dass demnächst Aufträge aus der Offshore-Branche über fünf bis zehn Anlagen folgen. Mit den nächsten Aufträgen soll sich auch die Produktionsweise ändern. Handelte es sich bisher in erster Linie um maßgeschneiderte Sondermaschinen, soll nun ein Modulbaukasten für kleine, mittlere bis hin zu sehr großen Anlagen entstehen.

Das Verfahren bietet deutliche Vorteile

Im Kommen sind außer EHLA auch andere Verfahren – wie das laserbasierte Auftragen von Nanostrukturen (Projekt Laser-4-Fun, www.laser4fun.eu), oder auch Weiterentwicklungen von klassischen Verfahren wie dem Wolfram-Inertgas- oder dem Plasmapul­ver-Auftragschweißen (PTA). Weltweit existiert laut Thomas Schopphoven ­außer EHLA bisher aber kein anderes flexibles, ressourceneffizientes und gleichzeitig wirtschaftliches Beschichtungsverfahren für das Auftragen von hochqualitativen, schmelzmetallurgisch angebundenen, dünnen Schichten. Wegen der formschlüssigen Verbindung gebe es hier deutliche ­Vorteile gegenüber Schichten, die mit thermischem Spritzen oder elektrochemischen Verfahren aufgetragen werden – denn dort sei die Schichthaftung nur sehr begrenzt.

Text zum Titelbild: Aufrüstung: Eine Drehbank wird durch Integration von Laserstrahlquelle, EHLA-Bearbeitungskopf und Pulverzufuhrsystem zur ­extrem schnellen Anlage zum Laserauftragen
(Foto: Fraunhofer ILT / Volker Lannert)

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