- eine Herausforderung für Aktorik und Verkapselung - Teil 3
Von Florian Höschen, Andreas Dietz, Ulrich Mescheder und Volker Bucher, Hochschule Furtwangen,
Fakultät Mechanical and Medical Engineering
Im Rahmen einer Studienarbeit an der Hochschule Furtwangen wird ein umfangreicher Überblick zum Thema Aktive implantierbare Distraktoren gegeben. Ziel ist es dabei, Grundlagen für den Bau eines voll implantierbaren Kieferdistraktors zu betreiben. Im dritten Teil des Beitrags wird ein Überblick über die für einen Distraktor verfügbaren Motoren gegeben. Hierzu werden die unterschiedlichen Ausführungen der Motoren dargestellt und insbesondere nach Bauart, Funktion, zulässigen Wegstrecken, Antriebsgeschwindigkeiten und Dichtheit charakterisiert. Für den Einsatz als Implantat spielen darüber hinaus die verfügbare Stromversorgung und die Ansteuerungsmöglichkeit eine große Rolle.
Active Implantable Distractors – Challenge for Actuator Engineering and Encapsulation
In the context of a student research project at the Hochschule Furtwangen, a comprehensive overview on the topic of active implantable distractors was written. The aim is to offer a basic summary of state of the art for the construction of a fully implantable jaw distractor. First, the concept of the distractor and its use are clarified. The third part gives an overview of available motors for distractor systems. For the overview the motors are characterized in type of motors, primary in kind of design, function, working distance, velocity of motors and leakproofness. Furthermore, for application as a distractor system, kind of power supply and control is very important.
Fortsetzung aus WOMag 11/2018
6 Voll implantierbare Distraktoren zur Anwendung an Röhrenknochen
6.1 Fitbone®
Das Unternehmen Wittenstein intens hat einen voll implantierbaren Marknagel entwickelt (Abb. 23). Dieser kann durch einen über eine Zuleitung verbundenen Receiver und einem nicht implantierbaren Steuerungsset […] eine Distraktion ausführen [17]. Das Steuerungsset besteht aus einer Steuerelektronik und einem Transmitter. Die für den Distraktionsvorgang erforderliche Energie wird von außen durch Auflage des Transmitters an den unter der Haut implantierten Receiver übertragen. Eine Verbindung zwischen dem implantierten mechatronischen Marknagel und der Körperoberfläche des Patienten besteht nicht [18, 19]. Der Marknagel kann sowohl im Femur als auch in der Tibia eingesetzt werden. Bei der Tibia ist eine Distraktion um 60 mm, beim Femur eine Distraktion um 80 mm möglich. Um dieses Ziel zu erreichen, ist nur ein einmaliger chirurgischer Eingriff erforderlich [18].
Abb. 23: Fitbone®-System im Überblick [18]
Die Distraktionsphase, die jeweils nur etwa 90 Sekunden andauert, kann vom Patienten selbst durchgeführt und damit in dessen Alltag integriert werden. Bei herkömmlichen Distraktoren muss der Patient die Behandlungszeit im Krankenhaus verbringen [18]. Die Verlängerung pro Einheit liegt im Schnitt bei 1 mm pro Tag. Die Distraktionsrate wird individuell vom Arzt festgelegt [18]. Nach der Distraktionsphase folgt den Herstellerangaben zufolge die Konsolidierungsphase, in der sich der nachgebildete Knochen verfestigt [18].
Inzwischen wurde der Fitbone®-Nagel weiterentwickelt und Wittenstein intens bietet den Patienten eine Fitbone®-App (Abb. 24) an [19]. Mit dieser App kann der Patient den Behandlungsprozess dokumentierten. Die Daten können online an den behandelnden Arzt gesendet und dann von ihm eingesehen werden. So kann eine individuelle Veränderung der Behandlung schnellstmöglich abgesprochen werden. Der Arzt hat durch das Distraktionsprotokoll auch eine Kontrolle über den bisherigen Fortschritt der Anwendung. Eine evidenzbasierte Behandlung wird möglich. Außerdem kann sich der Patient Erinnerungen, Intervalle und Termine eintragen. Die App kann so vollautomatisch den Behandlungsprozess unterstützen [19].
Abb. 24: FITBONE®-App [19]
Zur Funktionsweise des Fitbone®-Systems werden dem Patent zufolge Federn aus einer Formgedächtnislegierung verwendet. Diese Drähte verändern bei Erwärmung ihre Länge [20]. Bei dem Marknagel werden ineinander gesetzte oder aneinander geführte Elemente benutzt, die sich gegeneinander verschieben können. Die wichtigen Elemente sind ein Draht, der in einer bestimmten Ausrichtung angebracht wird, und eine Feder, die sich gegen den Draht verschieben kann. Bei Erwärmung zieht sich der Draht zusammen und die Feder wird länger. Ein innenliegendes Halteelement wird durch diese Kraft ausgefahren [20]. Am Ende des Nagels sind ein Halte- und ein Sperrelement jeweils mit den Knochenteilen verbunden. Bei einer Distraktion kann sich nun das Halteelement gegenüber dem Sperrelement abstützen, so dass ein Zusammenziehen verhindert wird.
Abb. 25: In Knochen implantiertes Fitbone® [18]
Gesteuert wird die Distraktion durch eine induzierte Spannung. Diese wird durch die Formgedächtnisdrähte geleitet. Durch den geringen Querschnitt und den hohen Ohmschen Widerstand der Drähte erwärmen sich diese. Für die Induktion wird der Receiver außerhalb des Knochens, aber unter die Haut implantiert (Abb. 25). Um die Distraktion zu starten, muss die Steuerelektronik mit dem Transmitter in die unmittelbare Nähe des Receivers gebracht werden.
Durch die Anzahl und Ausrichtung der benutzten Drähte, die für die Spanneinrichtung genutzt werden, und die genau entwickelten Abstände der Schubeinheit zur Sperreinheit, kann eine exakte Distraktionslänge pro Einheit erreicht werden. Auch die Kraft, die bei der Distraktion ausgeübt wird, kann durch die Anordnung und Menge der Drähte beeinflusst werden. Als Variation zu dem Halte- und Sperrelement wird in dem Patent noch ein Zug- oder Druckfederelement aufgeführt, das eingesetzt werden kann [20].
6.2 Internes Osteodistraktionsgerät
Das interne Osteodistraktionsgerät der Synoste Oy wird in Röhrenknochen implantiert und benötigt keine Verbindung nach außen. Dieser Distraktor ist so aufgebaut, dass vor der Implantation einzelne Komponenten einfach ausgetauscht werden können. Damit können die gewünschte Länge und die maximale Dehnung optimal voreingestellt werden.
Abb. 26: Internes Osteodistraktionsgerät [22]
Die Vorrichtung besteht aus zwei Röhren: einem äußeren Rohr (Abb. 26, Nr. 5) und einem inneren Rohr (Abb. 26, Nr. 6). Beide Rohre weisen jeweils am Ende eine Bohrung auf, durch die der Distraktor am Knochen befestigt wird. Angetrieben wird das interne Osteodistraktionsgerät durch einen magnetostriktiven Aktor (Abb. 26, Nr. 1). Der Aktor wird von außen durch Anlegen eines Magnetfelds angesteuert. Ausgelegt ist der Distraktor für eine Kraft von bis zu 1000 Newton [21]. Bei Aktivierung des Aktors dehnt sich dieser aus und schiebt ein Metallelement (Abb. 26, Nr. 2) vor sich her. Der Metallstift schiebt das innere Rohr und führt damit eine Distraktion vom inneren und vom äußeren Rohr aus. Wird das Magnetfeld ausgeschaltet, geht das magnetostriktive Material, ebenso wie der Metallstift, wieder in seinen Ausgangszustand zurück. Die Halteelemente (Abb. 26, Nr. 17) verhindern, dass das innere Rohr zurückrutschen kann. Dieser Vorgang wird so oft wiederholt, bis die gewünschte Distraktionslänge erreicht ist [22].
6.3 Precice
Der Precice 2 ist ein voll implantierbarer Distraktor des Unternehmens NuVasive. Der vom Unternehmen hergestellte Marknagel wird in die Röhrenknochen implantiert und an jedem Ende mit diesen mittels Verschraubung verbunden. Er ist aus zwei übereinander gestülpten Zylindern aufgebaut. Im inneren Zylinder befindet sich die Antriebseinheit (Abb. 27), die in diesem Distraktor aus einem Formgedächtnismotor besteht. Der Motor wird durch ein äußeres Signal aktiviert. Daraufhin beginnt er mit der Distraktion. Dabei wird der äußere Teleskopzylinder vom inneren weggeschoben.
Abb. 27: Precice Antriebseinheit [23]
Abb. 28: Precise-Kombi [24]
Im inneren Zylinder befindet sich neben dem Aktor eine Schubstange. Diese wird vom Motor angeschoben (Abb. 28). Um ein Zurückrutschen zu verhindern, sind an der Schubstange mehrere flexible Ringe angebracht. Diese greifen in am Zylinder angebrachte Vorsprünge ein. Am Ende der Schubstange ist sie über eine Verschraubung mit dem äußeren Zylinder verbunden. Gesteuert wird der Marknagel von außen mit einer Fernsteuerung [23].
7 Verwendbare Motoren für Kieferdistraktoren
Bei der Wahl des passenden Motors für einen aktiven, voll implantierbaren Kieferdistraktor sind verschiedene Kriterien zu beachten. Diese werden im folgenden Abschnitt erläutert. Des Weiteren werden mögliche Motoren, die diesen Kriterien entsprechen, aufgezeigt.
7.1 Auswahlkriterien
Bei der Auswahl des Motors sind mehrere Kriterien zu beachten. Die Größe des Aktors spielt dabei eine wesentliche Rolle. Da dieser im Kieferbereich implantiert werden soll, muss er möglichst klein ausgelegt sein. Herkömmliche Distraktoren bestehen nur aus den Anschraubplatten und der von außen verstellbaren Stellschraube. Dies ermöglicht eine sehr kleine Bauweise. Die Notwendigkeit einer kleinen Bauweise erschwert die Auswahl auch insoweit, dass der auszuwählende Motor über die benötigte Kraft verfügen muss, um eine Distraktion ausführen zu können.
Die Kraft, die für eine Distraktion benötigt wird, hängt unter anderem auch von dem gewählten Verfahren ab. Bei der Versuchsreihe von Robinson et al. (Abb. 29) wurde im Labor anhand des Drehmoments, das bei einer Distraktion mittels Distraktors benötigt wird, die Kraft in Newton berechnet. Die Distraktion wurde zweimal täglich um eine Länge von 0,5 mm durchgeführt [25].
Abb. 29: Kieferdistraktor gemäß Robinson, O'Neal et al [25]
Abb. 30: Mikrohydraulikzylinder gemäß Kessler und Neukam et al. [26]
Abb. 31: Hydraulikpumpe gemäß Kessler und Neukam et al. [26]
Bei einer experimentellen Studie an zwölf Schweinen von Kessler et al. wurde mit einem Mikrohydraulikzylinder (Abb. 30 und 31) die Distraktion durchgeführt und die dafür benötigte Kraft gemessen [26]. Dabei wurden zwei Distraktionsverfahren verwendet. Diese sind zum einen die kontinuierliche Distraktion und zum anderen die punktuelle Distraktion. Bei der kontinuierlichen Methode wurde über 24 Stunden eine Verlängerung um 1,5 mm erreicht, was eine Distraktion von 62,5 μm/h bedeutet. Die Distraktionslänge von 1,5 mm bei Kessler et al. ist größer gewählt, als bei den anderen Messreihen, da das Knochenwachstum bei Schweinen leicht erhöht ist [26].
Das gleiche Verfahren verwendet auch Ayoub et al. in seiner Versuchsreihe (Abb. 32 und 33). Auch bei diesem Versuch wurde eine kontinuierliche Distraktion durchgeführt. Diese betrug 1 mm in 24 Stunden, entsprechend etwa 42 μm/h [27].
Abb. 32: Implantierter Distraktor gemäß Ayoub, Richardson et al. [27]
Abb. 33: Steuereinheit gemäß Ayoub, Richardson et al. [27]
Die Ergebnisse der drei Studien sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Die Messwerte zeigen deutlich, dass bei einer kontinuierlichen Distraktion niedrigere Kräfte benötigt werden. Auch bei einer Distraktion im Abstand von zwölf statt 24 Stunden ist die aufzubringende Kraft geringer [28].
Die kontinuierliche Distraktion, die eine geringere Kraftaufwendung benötigt, ermöglicht eine kleinere Bauweise des Motors. Der dauerhafte Betrieb eines Motors stellt jedoch eine neue Herausforderung dar, welches zu einem weiteren Auswahlkriterium führt. Jeder Motor oder Aktor benötigt seinerseits Energie, um die benötigte Kraft aufzubringen. Diese muss entweder in einem Akkumulator gespeichert, per Induktion eingeleitet oder anderweitig auf das Antriebselement übertragen werden [29, 30].
Außerdem darf man bei einem kontinuierlichen Betrieb die Alltagstauglichkeit nicht aus den Augen verlieren. Dabei spielen auch die Compliance des Patienten, die Verfügbarkeit eines Arztes oder die eventuell benötigte Betreuung durch Pflegepersonal eine Rolle.
Bei der Auswahl der Aktoren wird im Folgenden die Suche auf Linearmotoren eingegrenzt, da diese in ihrer Bauweise bereits eine Distraktion ausführen. Bei Drehmotoren müsste die Drehbewegung wieder in eine Distraktion umgewandelt werden. Es werden daher Linearaktoren mit verschiedenen Antriebsformen aufgezeigt.
7.2 Linearmotor nach dem Elektromotorprinzip
Linearmotoren sind Antriebe, die eine geradlinige (lineare) Kraft erzeugen [29], welche in eine Bewegung umgesetzt werden kann. Das Funktionsprinzip eines Linearmotors kann gedanklich aus einem axial aufgeschnittenen Synchronmotor abgeleitet werden [31], wie in Abbildung 34 zu sehen ist.
Abb. 34: Wegener-Zylinder [32]
Der Linearmotor besteht aus einem feststehenden Primär- und einem beweglichen Sekundärteil [31]. Das Primärteil wird bei diesem Antrieb als Anker und das Sekundärteil als Induktor bezeichnet [29]. Im Primärteil befinden sich Spulen, die mit drei Phasen angesteuert werden. Der Anker besteht aus einem Dauermagneten. Durch die unterschiedliche Polarisation des Ankers wird der Dauermagnet angezogen und gleichzeitig abgestoßen. Dadurch entsteht ein wanderndes Magnetfeld [31]. Dieses Magnetfeld durchsetzt auch die Permanentmagneten des Sekundärteils. In Folge wirkt auf das Sekundärteil eine Kraft. Das Sekundärteil reagiert und folgt der Bewegung des Magnetfeldes [31]. Durch die Ansteuerung der Spulen kann sowohl die Richtung als auch die Geschwindigkeit eingestellt werden [29].
Linearaktoren werden bereits in verschiedenen Größen und Bauformen eingesetzt. Im Folgenden werden verschiedeneModelle, die auf dem Markt erhältlich sind und für den Bau eines Kieferdistraktors in Frage kämen, aufgezeigt.
7.2.1 LinMot®
Das Unternehmen LinMot® stellt Linearmotoren her, die sich insbesondere dadurch auszeichnen, dass sie nur aus zwei Teilen bestehen, welche elektrisch angetrieben sind und verschleißfrei funktionieren. Der Kurzmotor P02-23Sx80/10x50 (Abb. 35) ist zum Zeitpunkt der Recherche (Herbst 2018) die kleinste Ausführung mit einer Gesamtlänge von 105 mm. Er kann um bis zu 50 mm ausgefahren werden (Abb. 36). Dies entspricht dann also einer Gesamtläge von 155 mm. Die Höhe beträgt 39,7 mm, die Tiefe 23 mm.
Abb. 35: LinMot® P02-23Sx80/10x50 Kurzmotor [33]
Abb. 36: LinMot®-Auszugsmechanismus Kurzmotor [33]
Abb. 37: LinMot®-Datenblatt eines Kurzmotors [33]
Dem Datenblatt (Abb. 37) ist zu entnehmen, dass der Aktor eine Spitzenkraft von 39 N bei einer Versorgungsspannung von 72 VDC aufbringen kann. Dabei benötigt er eine Stromstärke von 4,0 A. Bei einer Versorgungsspannung von 48 VDC und einer Stromstärke von 3,8 A kann eine Kraft von 29 N aufgebracht werden. Die Antriebseinheit hat dabei ein Gewicht von 245 g [19].
Zusammenfassend ist festzustellen, dass sowohl die Ausmaße als auch das Gewicht für eine Anwendung bei einem implantierten intelligenten Distraktor zu groß ausfallen. Die Spitzenkraft von 29 N bei 48 VDC ist für eine Distraktion des Unterkieferknochens zu gering bemessen.
7.2.2 Hersteller Faulhaber
Die Faulhaber GmbH & Co. KG bewirbt sich selbst als führender Hightech-Anbieter im Bereich der Miniatur- und Mikroantriebstechnik. Vom leistungsstarken DC-Motor mit 200 mNm Dauerdrehmoment bis zum filigranen Mikroantrieb mit 1,9 mm Außendurchmesser ... reicht das Sortiment des Unternehmens [34].
Abb. 38: Faulhaber-Linearmotor LM2070-040-12 [34]
Der beispielhaft gezeigte Motor der Serie LM 2070-040-12 (Abb. 38) hat eine Länge von 134 mm; dies beinhaltet bereits einen Hub von 20 mm. Er hat eine Höhe von 27,4 mm, die Tiefe liegt bei 20 mm und das Gewicht bei 236 g. Der Aktor kann eine Spitzenkraft von 27,6 N bei einer Stromstärke von 2,37 A und 9,5 V Versorgungsspannung aufbringen. Auch dieser Motor genügt in seinen Maßen und seiner Leistung noch nicht den geforderten Ansprüchen.
7.2.3 Portescap
Bei Portescap handelt es sich um ein Unternehmen mit 70-jähriger Tradition, das sich darauf spezialisiert hat, Produkte mit einem Antrieb in einer kompakten Einheit mit hohem Wirkungsgrad und niedrigem Strombedarf [35] zu liefern. Den Angaben des Unternehmens zufolge bieten ihre Schrittmotoren den Vorteil, eine inkrementelle lineare Bewegung ohne Positionsfeedback zu erzielen und eine große lineare Kraft bei einer kleinen Bauweise zu liefern [35].
Im Folgenden werden die Stammdaten der Linearschrittmotoren von Portescap der Produktreihe 20DBM Hochleistungslinearaktuatoren aufgezeigt (Abb. 39). Das Unternehmen charakterisiert diesen Motor wie folgt: Dieser kompakte, robuste und kraftvolle Linearaktuator ist ideal geeignet für leistungskritische Anwendungen in verschiedenen Marktsegmenten, wie zum Beispiel Medizintechnik, Biowissenschaften, HLK und Fertigungsautomatisierung [35]. Die Hauptmerkmale dieser Produktreihe sind die hohe Hubkraft, der gute Wirkungsgrad, die kleinen linearen Schrittgrößen, die verbesserte Wärmeableitung sowie die Möglichkeit, den Aktor kundenspezifisch anzupassen [35].
Abb. 39: Portescap - 20DBM [35]
Abb. 40: Portescap - 20DBM Bemaßungen [35]
Den Angaben des Datenblatts zufolge (Abb. 40) hat der Motor einen Durchmesser von 20 mm. Die maximale Breite mit Befestigungsmöglichkeit beträgt 33,27 mm. Die minimale Länge liegt bei 36,14 mm (ohne Auslenkungsschraube) und mit Schraube bei maximal 76,2 mm. Dabei hat der Linearmotor ein Gewicht von 35 g und ist damit bisher der leichteste der vorgestellten Motoren [35].
Dem Datenblatt lassen sich ferner die folgenden Kenndaten entnehmen (Abb. 41): Der Motor kann eine Spitzenkraft von 50 N aufbringen. Er benötigt dafür eine Nennspannung von 2,9 VDC und eine Leistung von 0,5 A. Die maximale Haltekraft von 50 N kann nur bei einer konstanten Stromversorgung aufgebracht werden. Stromlos hat der Motor eine minimale Haltekraft von 13,9 N.
Abb. 41: Portescap - 20DBM [35]
Der Aktor der Portescap erfüllt sowohl bei Größe, Gewicht, aber auch der Haltekraft für die geplante Anwendung den Auswahlkriterien. Damit ist dieser Aktor bisher der am besten geeignete der hier aufgeführten Linearmotoren.
Insgesamt muss bei den oben aufgeführten Aktoren das Problem der Stromversorgung geklärt werden. Momentan werden alle aufgeführten Aktoren durch eine Kabelverbindung mit Energie versorgt. Um einen voll implantierbaren Distraktor bauen zu können, muss jedoch eine kabellose Stromversorgung gewährleistet sein. Denkbar wäre eine Spannungsversorgung über ein Induktionssystem oder mit implantierten Batterien.
7.3 Linearmotoren mit Piezoelementen
Im Folgenden wird zunächst die Funktionsweise von Piezoelementen erläutert und deren Einsatz in zwei unterschiedlichen Motoren beschrieben. Anschließend werden verschiedene Firmen, die mit Piezoelementen arbeiten, und deren Linearmotoren vorgestellt.
7.3.1 Physikalische Funktion
Bei verschiedenen Kristallen, wie zum Beispiel bei Quarzkristallen besteht ein direkter Zusammenhang zwischen mechanischem Druck und elektrischer Ladung. Das bedeutet, wenn Druck auf den Kristall ausgeübt wird, ist eine elektrische Spannung messbar. Dies wird als direkter piezoelektrischer Effekt bezeichnet. Diese physikalische Eigenschaft wird in vielen Sensoren genutzt.
Dieser Effekt ist auch umgekehrt feststellbar: Wird also an einen Piezokristall eine Spannung angelegt, ist eine Längenausdehnung zu erkennen. Dies macht es möglich, den piezoelektrischen Effekt als Aktor zu verwenden [36]. Seit der Entdeckung dieses Phänomens sind sehr viele verschiedene Aktoren entwickelt worden. Die heutzutage am häufigsten genutzten Motoren funktionieren entweder nach dem Inchworm®- oder LEGS- Motor™-Prinzip [36].
Der Inchworm®-Motor ähnelt in der Fortbewegung einer Raupe, daher die Bezeichnung Inchworm (englisch: Spannerraupe). Für die Funktion des Motors (Abb. 42) werden drei Piezokristalle und eine Welle benötigt. Die Kristalle sind so angeordnet, dass die zwei äußeren den Läufer (Welle) festspannen können. Der dritte Piezokristall ist für die axiale Bewegung und damit für den Vorschub zuständig.
Die Vorschubbewegung läuft wie folgt ab: Der Piezokristall 1 klemmt die Welle ein, daraufhin wird der Kristall 2 zusammengezogen. Wenn dies komplett geschehen ist, wird Piezokristall Nr. 3 aktiviert und klemmt ebenfalls die Welle fest. Daraufhin wird Nr. 1 wieder gelöst und Kristall 2 dehnt sich aus. Dieser Vorgang wird wiederholt, bis die Welle die gewünschte Strecke zurückgelegt hat. Die Schubkraft des Inchworm®-Motors wird durch die Reibkraft begrenzt. Ebenso ist dieser Aktor anfällig für Ermüdungsrisse, da die Kristalle 1 und 3 ständig einer hohen Druckbelastung ausgesetzt sind. Deswegen ist die richtige Größenauswahl des Aktors enorm wichtig [36].
Die zweite Antriebsform, der LEGS™-Motor (Abb. 43), ist mehrschichtig aufgebaut. Dies bedeutet, dass die Antriebsform aus zwei Kristallen besteht, die aneinandergelegt sind. Diese werden unterschiedlich mit Spannung versorgt. Wird an dem rechten Kristall eine höhere Spannung angelegt, bewegt sich das Bein nach links. Bei einer höheren Spannung am linken Kristall bewegt es sich entsprechend nach rechts. Wird bei beiden die Stromversorgung abgeschaltet, bewegt es sich horizontal nach unten. Bei gleich hoher Spannung bewegt es sich horizontal nach oben. Es können also alle Bewegungsrichtungen abgedeckt werden.
Für einen Aktor werden mindestens vier dieser Beine benötigt, von denen jeweils zwei gleich, das heißt mit der gleichen Spannung sowie auf der gleichen Seite, angesteuert werden. Der Bewegungsablauf ist in Abbildung 44 schematisch dargestellt. Im ersten Schritt haben alle vier Beine Kontakt zum Läufer. Dann werden die Beine 2 und 4 so angesteuert, dass sie sich nach unten bewegen. Im nach unten eingefahrenen Zustand wird eine Bewegung nach links und dann wieder nach oben ausgeführt. Sobald die Beine wieder Kontakt zum Läufer haben, werden die Beine 1 und 3 gelöst. Daraufhin bewegen sich die Beine 2 und 4 nach rechts und schieben so den Läufer ebenfalls in diese Richtung. Der Läufer wird also immer von zwei Beinen gehalten und vorwärtsbewegt, während sich die anderen zwei wieder zurückbewegen.
Die im folgenden aufgeführten Motoren funktionieren nach dem LEGS™-Prinzip. Die Inchworm®-Motoren werden momentan im technischen und kommerziellen Alltag kaum verwendet und finden daher im weiteren Verlauf keine weitere Beachtung.
7.3.2 Physik Instrumente
Das Unternehmen Physik Instrumente (PI) verfügt über umfangreiche Erfahrungen in den Bereichen Mikroskopie, Biotechnologie und Medizintechnik. PI stellen Produkte her, die den Ansprüchen, bei der Wahl der Materialien und der Bauform, dieser Bereiche entsprechen [37].
Der Linearmotor M-228.10S (Abb. 45) wurde von einem Mitarbeiter der PI empfohlen. Bei der genaueren Betrachtung der verfügbaren Daten zeigt es sich allerdings, dass dieser Motor die Ansprüche eines intelligenten Distraktors nicht vollständig erfüllt. Der Motor hat eine Gesamtlänge von 115,75 mm. Der Durchmesser beträgt 21 mm und ist damit der kleinste der Baureihe. Aus dem Datenblatt (Abb. 46) geht hervor, dass er ein Gewicht von 230 g hat.
Der maximale Stellweg liegt bei 10 mm und die Druckkraft bei maximal bei 20 N. Dafür benötigt er eine Versorgungsspannung von 24 V [38]. Diese wird von einem Controller zugeführt (Abb. 47). Das macht eine vollständige Implantation nahezu unmöglich. Auch die Länge von über 100 mm und das Gewicht sind zusätzliche Ausschlusskriterien.
Ein weiterer in Betracht zu ziehender Motor ist ein Linearaktor aus der Baureihe Nexline® OEM mit der Kurzbezeichnung N-111.20 (Abb. 48). Der Aktor hat eine Bemaßung von 50,5 mm x 28 mm x 46 mm (Abb. 49). Sein Gewicht liegt bei 245 g.
Er hat einen Stellweg von 10 mm, eine aktive Hubkraft von 50 N sowie eine passive Hubkraft von 70 N. Der Aktor kann mit einem Betriebsspannungsbereich zwischen -250 V bis +250 V betrieben werden (Abb. 50). Auch hier ist ein Controller für den Betrieb notwendig.
Dieser Motor hat für den vorgesehenen Einsatz eine ausreichende Hubkraft und eine angemessene Bemaßung. Allerdings ist das Gewicht von 245 g hoch. Auch der Einsatz eines Controllers, um den Aktor zu betreiben, ist ein negatives Kriterium. Insgesamt ist dieser Motor daher auch nicht optimal für den Einsatz an einem Kieferknochen geeignet.
Ein weiterer Aktor des Unternehmens PI ist ein vorgespannter Piezoaktor mit der Kurzbezeichnung P-842 (Abb. 51). Er ist besonders klein, hat aber auch einen geringen Stellweg. Durch sein geringes Maß ist er für Implantate jedoch trotzdem interessant (Abb. 52). Der Aktor hat einen Durchmesser von 14 mm und eine Gesamtlänge von 37 mm. Er wiegt nur 31 g und ist damit der bisher leichteste Aktor, der hier aufgeführt wurde. Sein Stellweg liegt jedoch nur bei 15 μm. Die Druckbelastung ist mit 800 N sehr hoch. Dafür benötigt er eine dynamische Stromversorgung von 12,5 μA [40].
Dieser Aktor zeichnet sich durch seine extrem schlanke Bauweise sowie das geringe Gewicht aus. Allerdings ist der Stellweg sehr gering und daher für einen intelligenten Distraktor nicht ohne weitere Überarbeitungsmaßnahmen und eine zusätzliche Übersetzung verwendbar.
7.3.3 PiezoMotor®
Das Unternehmen PiezoMotor® verweist auf ihre besonders kleinen Motoren, die im Nanometerbereich betrieben werden können. Zudem können sie im Vakuum und auch nicht magnetisch arbeiten [41]. Die im Folgenden aufgeführten Motoren des Unternehmens eignen sich laut Datenblatt am ehesten, um einen aktiven, voll implantierbaren Distraktor betreiben zu können.
Der Motor Piezo Legs® Linear Twin-C 40N (Abb. 53) besitzt Abmessungen von 63,2 mm x 32 mm x 28 mm, wobei die Auslenkung nicht berücksichtigt ist. Die komplett ausgefahrene Länge beträgt 85,2 mm (Abb. 54). Der Aktor hat dabei ein Gewicht von 165 g.
Die Stellkraft des Motors beträgt 40 N und die Haltekraft liegt bei 44 N. Dazu wird eine maximale Spannung von 48 V benötigt. Die empfohlene einzusetzende Kraft liegt zwischen 0 N und 20 N (Abb. 55). Damit ist eine hohe Lebensdauer des Motors sowie eine genaue Schrittlänge gewährleistet [42].
Vom Hersteller vorgesehen ist die Stromversorgung des Aktors durch einen USB-Anschluss. Das ist bei einem voll implantierten Distraktor nicht möglich. Ein Umbau des Motors müsste zu diesem Zweck noch erfolgen beziehungsweise bei der PiezoMotor® erfragt werden.
Ein weiterer Motor derselben Baureihe ist der Piezo Legs Linear Twin 40N (Abb. 56). Der Vorteil gegenüber dem oben aufgeführten Aktor ist die noch kleinere Baugröße (Abb. 57). Diese beträgt 32,1 mm x 25,1 mm x 14 mm und die maximale Auslenkung 73 mm. Diese kann individuell angepasst werden. Daher kann eine Gesamtlänge inklusive Auslenkung nicht angegeben werden. Der Aktor wiegt 61 g und ist damit um einiges leichter, als der zuvor genannte.
Dabei kann er dieselbe Kraft ausüben wie der Twin-C 40N. Auch die Stromversorgung und die benötigte Spannung sind bei den beiden Motoren gleich (Abb. 58). Der Piezo Legs Linear Twin 40N ist mit seiner Bemaßung gut für eine Implantation geeignet. Dennoch besteht auch hier das Problem der Stromversorgung durch ein USB-Kabel. Abgesehen von der Problematik der Stromversorgung, ist dieser Motor mit seinen Abmessungen, seiner Kraft, dem Stellweg und dem Gewicht der am besten geeignete der aufgeführten Piezomotoren.
wird fortgesetzt
Literatur
[17] Gesundheit: Warum speichelt mein Hund? (online) available: http://dogs-magazin.de/gesundheit/diagnose/erhoehter-speichelfluss-warum-
speichelt-mein-hund/, accessed on: Dec. 03, 2017
[18] Wittenstein intens Gmbh: Das Fitbone-System: Patentinformationen
[19] 02-wittenstein-fitbone-app-smartphone.jpg (800×774); (online) available: https://www.wittenstein.de/fileadmin//04-3-Presse/2017/2017_05
_18/02-wittenstein-fitbone-app- smartphone.jpg, accessed on: Nov. 19, 2017
[20] Patent WO2000001315A1 - Knochendistraktionsvorrichtung; (online) available: https://www.google.
de/patents/WO2000001315A1?cl=de&dq=
inassignee:%22Wittenstein+Gmbh+%26+Co+Kg
%22&hl=en&sa=X&ved=0ahUKEwiJper6oMD
XAhWFPBoKHd2uA8s4HhDoAQhOMAU, accessed on: Nov. 15, 2017
[21] Patent US8632544 - Internal osteodistraction device; (online) available: https://www.google.ch/
patents/US8632544, accessed on: Nov. 19, 2017
[22] Juha Haaja, Antti Rivanen, Markus Turunen, Harri Hallila: US8632544.pdf; US 8,632,544, B2 PCT/FI2009/050209, Jan 9, 2011
[23] Patent US5415660
[24] M. Steinmetz: PRECICE 2: INTRAMEDULLÄRES SYSTEM ZUR EXTREMITÄTENVERLÄNGERUNG, (online) available: https://www.orthovative.com/images/produkte/deformitaeten/ precice/1410-
Ellipse-SurgicalTec-Femur-Precise-DE.pdf, accessed on: Dec. 09, 2017
[25] R. C. Robinson, P. J. O‘Neal, G. H. Robinson: Mandibular distraction force: Laboratory data and clinical correlation; (engl.), Journal of oral and maxillofacial surgery: official journal of the American Association of Oral and Maxillofacial Surgeons, vol. 59, no. 5, pp. 539-44; discussion 544-5, 2001
[26] P. Kessler, F. W. Neukam, J. Wiltfang: Effects of distraction forces and frequency of distraction on bony regeneration; (engl.), The British journal of oral & maxillofacial surgery, vol. 43, no. 5, pp. 392–398, 2005
[27] A. F. Ayoub, W. Richardson, J. C. Barbenel: Mandibular elongation by automatic distraction osteogenesis: The first application in humans; (engl.), The British journal of oral & maxillofacial surgery, vol. 43, no. 4, pp. 324–328, 2005
[8] Matthias Irschara; Modellerstellung und mechanische Verifizierung eines Unterkieferdistraktors. Diplomarbeit, TU Wien, 2009
[29] K. Tkotz, P. Bastian: Fachkunde Elektrotechnik; 22nd ed. Haan-Gruiten, Verl. Europa-Lehrmittel, Nourney Vollmer, 1999
[30] Grundlagen linearer Antriebstechnik; Wiesbaden, Springer Fachmedien, Wiesbaden, 2014
[31] w-tech Elektrische Antriebstechnik; (online) available: http://www.servotechnik.de/fachwissen/motoren/f_beitr_00_3 13.htm, accessed on: Oct. 22, 2017
[32] R. Wegener: Zylindrischer Linearmotor mit konzentrierten Wicklungen für hohe Kräfte; TU Dortmund, Dortmund
[33] LinMot, Databook english, 16. book, accessed on: Oct. 21, 2017
[34] Faulhaber-Startseite; (online) available: https://www.faulhaber.com/de/startseite/, accessed on: Oct. 22, 2017
[35] https://www.portescap.com/sites/default/files/brochure_20dbm_a4_ger.pdf (01.12.2018)
[36] H. Janocha: Unkonventionelle Aktoren; München, Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2013
[37] Physik Instrumente (PI) GmbH: Anwendungen & Märkte; (online) available: https://www.
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[38] Physik Instrumente (PI) GmbH & Co. KG: Datenblatt M-228, M-229; accessed on: Oct. 21, 2017
[39] Physik Instrumente (PI) GmbH & Co. KG: Nexline® OEM-Linearaktor; accessed on: Nov. 01, 2017
[40] Physik Instrumente (PI) GmbH & Co. KG: P-842 Datenblatt; accessed on: Oct. 21, 2017
[41] Leading developer of micro motor technology | About PiezoMotor; (online) available: https://www.piezomotor.com/about-piezomotor/, accessed on: Dec. 03, 2017
[42] PiezoMotor Uppsala AB: Datenblatt Piezo Legs Linear Twin-C 40 N; accessed on: Nov. 03, 2017
[43] PiezoMotor Uppsala AB: Datenblatt Piezo Legs Linear Twin 40N; accessed on: Oct. 21, 2017