Das Äußere zählt

Oberflächen 10. 09. 2014
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Im baden-württembergischen Göppingen-Voralb veredelt die AHC Oberflächentechnik GmbH in ihrem Werk pro Jahr 60 Millionen Ventilschieber für Automatikgetriebe – Tendenz steigend

Wenn alle anderen mit ihrer Arbeit fertig sind, fangen sie erst richtig an. Denn entscheidend für die AHC-Gruppe ist das ­Äußere. Die Spezialisten für Oberflächentechnik veredeln fertig produzierte Bauteile­ für die Automobilindustrie, den Maschinenbau, die Luft- und Raumfahrt sowie für Medizin- und Elektrotechnik. Mit eigens entwickelten, patentierten Verfahren werden die Produkte so beschichtet, dass sie je nach Bedarf besonders hart, gleitfähig, schmutzabweisend oder temperaturbeständig sowie vor Verschleiß und Korrosion geschützt sind – und so die steigenden Anforderungen an Industrieprodukte erfüllen.

Das Werk Eschenbach in Göppingen ist mit 130 Mitarbeitern inzwischen der größte von insgesamt 19 Standorten der Unternehmensgruppe in Europa – und einer der innovativsten, was die Produktionsprozesse angeht. Die Krise im Jahr 2009 wurde­ genutzt, um sich für die Zukunft neu aufzustellen. Als einen daraus resultierenden Erfolg bezeichnet Werkleiter Wolfram ­Macke, dass die Zeit vom Wareneingang bis zum Warenausgang von sieben auf durchschnittlich drei Tage verkürzt werden konnte. Für ihn war das neben fairen Preisen und guter Qualität der Schlüssel für den stetig steigenden Umsatz in den vergangenen Jahren. Lag dieser 2006 noch bei elf Millionen Euro in Eschenbach, so wurden 2010 bereits 13 Millionen Euro erzielt, im vergangenen Jahr waren es 16 Millionen Euro.

Werkleiter Wolfram Macke (li.) und Vertriebsleiter Matthias Wischmann

Mit Flexibilität zu neuer Strategie

Kern der Umstrukturierung war eine Neuorganisation der Arbeitsabläufe nach dem Motto: Jeder kann alles. Waren die Mitarbeiter zuvor nur für einen bestimmten ­Arbeitsschritt zuständig, so beherrschen sie nun die gesamte Palette ihres Bereichs. So seien die Arbeitskräfte in der Produktion beispielsweise in der Lage, sowohl Aufträge zu bearbeiten als auch Produktprüfungen durchzuführen oder fertige Chargen bauteilgerecht zu verpacken, wie Wolfram Macke erklärt. Dahinter steckt die Idee, Leerläufe zu vermeiden. Dies macht insbesondere deshalb Sinn, weil nicht immer überall gleich viel Arbeit anfällt. Wer weniger zu tun habe, helfe an anderen Stellen aus, so der Werkleiter.

Detail-Tuning für die Automobilindustrie

Das große Ziel des Dienstleisters AHC ist es, dem Kunden seine bearbeitete Ware so schnell wie möglich wieder zurück zu schicken. Da sind kurze Wege entscheidend. Zwar gehören auch Produzenten von weit her, beispielsweise aus Asien, zu den Kunden, doch der Kernmarkt des Werks Eschenbach liegt in der Region – und damit in der Automobilindustrie. Insbesondere Teile für die Getriebe- und Motorsteuerung sowie für die Turboladertechnik laufen durch die Veredelungsanlagen von AHC. Durch immer kleiner werdende Motoren steigen nach Aussage von Vertriebsleiter Matthias Wischmann die Anforderungen an die Bauteile. Die Möglichkeiten, die Qualität des Ausgangsmaterials zu steigern, sind ihm zufolge damit ausgereizt. Daher wird die Bearbeitung der Oberfläche immer wichtiger.

DURNI-COAT-Anlage 

Ein Schwerpunkt in Eschenbach liegt auf den sogenannten Ventilschiebern, die in Automatikgetrieben zum Einsatz kommen. Die Oberfläche von rund 60 Millionen Stück wird hier im Jahr bearbeitet, das sind bei dem Dreischichtbetrieb etwa 250 000 Stück am Tag – Tendenz steigend, denn die deutschen Automobilhersteller produzieren angesichts wachsender Nachfrage immer mehr Automatikgetriebe.

Mit dem kundigen Auge für Unikate

Allerdings setzt das Unternehmen nicht nur auf die rund 130 000 Serienartikel, deren Daten im werksinternen System gespeichert sind, um eine schnelle Bearbeitung zu gewährleisten. Auch Einzelteile werden­ nach spezifischen Kundenwünschen beschichtet, Schlüsselelemente aus Kernkraftwerken oder Roboteranlagen zum Beispiel. Hier ist nach den Worten von Matthias Wischmann höchste Vorsicht geboten, beispielsweise bei manchen Einzelteilen, die mehr als 100 000 Euro wert sind – aber nicht danach aussehen.

Damit die Produkte nicht am Ende der Wertschöpfungskette zerstört werden, ist Wissen um die Zulieferbetriebe und die Endprodukte gefragt. Angesichts der immer größer werdenden Komplexität derselben hat AHC sich vor einigen Jahren entschlossen, selbst auszubilden. Bis dahin seien die Arbeiter in Galvanikbetrieben lediglich angelernt worden, so Wischmann.

Inzwischen wird zudem versucht, schon bei der Entwicklung neuer Produkte involviert zu sein. So könnten die Bauteile von Anfang an galvanogerecht geplant werden – also so, dass es dank ihrer Form sowie gegebenenfalls Entlüftungsbohrungen möglich ist, sie überall gleichmäßig zu beschichten.

Auch sonst ist der Betrieb von Wolfram Macke auf der Höhe der Zeit: Es wird auf möglichst umweltschonende Prozesschemie aus eigener Herstellung geachtet, die Arbeitsbedingungen sind durch hochmoderne Absauganlagen in den Produktionshallen stark verbessert und mit einem neuen Programm wurde der Energieverbrauch im vergangenen Jahr um zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesenkt. Was das Werk betrifft, gilt: Es zählt das Innere.

Über die AHC Oberflächentechnik GmbH

Die AHC Oberflächentechnik GmbH wurde 1960 im nordrhein-westfälischen Kerpen gegründet und gehört seit 2001 zum niederländischen Konzern Aalberts Industries N. V. Insgesamt beschäftigt die AHC-Gruppe an 19 Standorten in Deutschland, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Österreich, Polen und der Schweiz 900 Mitarbeiter. 2013 wurde ein Umsatz von 107 Millionen Euro erzielte. Das 1970 in Ebersbach an der Fils gegründete Werk wurde 2005 an den heutigen Standort im Industriegebiet Göppingen-Voralb verlegt. Die Zahl der Mitarbeiter ist hier von 90 im Jahr 2005 auf inzwischen 130 gestiegen. Auf 6000 Quadratmetern Fläche werden im Dreischichtbetrieb vor allem Bauteile für die Automobilindustrie sowie für den Maschinen- und Anlagenbau beschichtet. Einen Teil der dafür nötigen Prozesschemikalien stellt die Unternehmenstochter RIAG Oberflächentechnik AG her. Zudem betreibt AHC eine eigene Abteilung für Forschung und Entwicklung und vergibt Lizenzen für patentierte Beschichtungsverfahren an ausländische Firmen, unter anderem in Japan, China und Korea.

AHC Oberflächentechnik GmbH, Werk Eschenbach
Zillenhardtstraße 2/2, D-73037 Göppingen-Voralb

Text zum Titelbild: Ventilschieber für Automatikgetriebe

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