Neuartige Stromsteuerung in einatomaren Kohlenstoffschichten

Werkstoffe 17. 09. 2015
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Im Fachjournal Physical Review Letters berichten die Augsburger Physiker PD Dr. Wolfgang Häusler und Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Peter Hänggi (beide Lehrstuhl für Theoretische Physik I) gemeinsam mit ihrem Kollegen Prof. Dr. Sergey E. Savel‘ev von der Loughborough University über die jüngsten Ergebnisse ihrer Forschungen zu der Frage, wie Strom in Kohlenstoffschichten (Graphen) durch zeitlich veränderliche Potentialbarrieren hindurch transportiert wird. Mit diesen Ergebnissen leisten sie einen wesentlichen Beitrag zum besseren Verständnis des Transmissionsverhaltens solcher Potentialbarrieren. Sie schaffen damit zugleich wichtige Voraussetzungen für eine Optimierung der Möglichkeiten, die an sich nur schwer manipulierbaren Graphen-Ladungsträger zu steuern, um so auf dem Weg zu einer Graphen-basierten Elektronik weiter voranzukommen.

Wenn es darum geht, zweidimensionale Elektronensysteme zu realisieren, gelten monoatomare Ebenen aus Kohlenstoff (Graphen) als eine der viel versprechendsten­ Alternativen zu den bisher in der Mikroelektronik verwendeten und nur mit einem hohen Aufwand zu produzierenden Halb­leiterschichtstrukturen. Abgesehen von ihrer wesentlich einfacheren Herstellbarkeit haben Graphenschichten den Vorteil, dass ihre Elektronensysteme deutlich dünner und die Bewegungsgeschwindigkeiten der Ladungsträger deutlich schneller sind als diejenigen in Halbleitern, so dass sie kürzere Schaltzeiten erwarten lassen.

Von zentraler Bedeutung für die Perspektive einer Graphen-basierten Elektronik ist allerdings die Frage, welche Möglichkeiten elektrostatische Potentiale bieten, um Elektronensysteme in Graphenschichten auch bei hohen Frequenzen zu kontrollieren. Die Antworten, die sie auf diese Frage gefunden haben, geben die drei Physiker in dem in den Physical Review Letters veröffentlichten Artikel Current Resonances in Graphene with Time-Dependent Potential Barriers.

Seit längerem ist bekannt, dass Ladungsträger in einatomaren Kohlenstoffschichten­ ein äußerst ungewöhnliches ultrarelativistisches Bewegungsverhalten zeigen, ein Verhalten, das grob mit demjenigen von Photonen verglichen werden kann und ansonsten nur bei Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit zu beobachten ist. Dabei liegen die tatsächlichen Bewegungsgeschwindigkeiten der Graphen-Ladungsträger bei nur etwa einem Hundertstel der Lichtgeschwindigkeit und damit durchaus im Bereich des in Metallen Üblichen.

Als Folge ihres ungewöhnlichen Bewegungsverhaltens durchdringen Graphen-Elektronen statische Potentialbarrieren bei senkrechtem Auftreffen perfekt, wie entsprechende Experimente bestätigen. Dies erschwert die Steuerbarkeit der Ladungsträger erheblich, im Vergleich etwa zu gewöhnlichen Quantenteilchen in Halbleitern, die durch Potentialbarrieren zwar auch entkommen können, aber, bei Verwendung hoher und dicker Barrieren, eben nur mit ganz geringen Wahrscheinlichkeiten.

Dies wirft die Fragen auf, wie zeitliche Veränderungen der Potentialbarrieren die Tunnelwahrscheinlichkeiten beeinflussen und wie sich dementsprechend die Bewegungen der Ladungsträger durch die Kontrolle des Zeitverlaufes einer angelegten Gatterspannung steuern lassen. Häusler, Hänggi und Savel‘ev konnten die Grundlagen für das Verständnis des Transmissionsverhaltens von Potentialbarrieren nun in zweierlei Hinsicht maßgeblich erweitern: Zum einen ermöglichen ihre Ergebnisse die Beantwortung der beiden genannten Fragen für beliebige Barrierenprofile in Verbindung mit beliebigen zeitlichen Änderungen; zum anderen lassen sich jetzt Tunnelwahrscheinlichkeiten auch für Ladungsträger berechnen, die nicht senkrecht, sondern unter beliebigen Einfallswinkeln auf die Barriere­ treffen. Damit ist die Voraussetzung geschaffen für eine gezielte Steuerung der Bewegungsrichtung von Graphen-Ladungsträgern, zum Beispiel durch eine entsprechende Veränderung der Frequenzen oszillierender Potentialbarrieren.

Gewissermaßen nebenbei ist das Forschertrio aus Augsburg und Loughborough auf ein interessantes und völlig unerwartetes Phänomen gestoßen, nämlich auf parallel­ zur Barriere laufende Ströme, welche unter bestimmten Voraussetzungen sogar bei einem senkrechten Einfall des Ladungsträgers auftreten und deren theoretische Beschreibung eine verblüffende Analogie zum Josephson-Verhalten supraleitender Tunnelkontakte zeigt, obwohl Graphen natürlich nicht supraleitend ist.

 

Text zum Titelbild: Die beiden Augsburger Physiker Peter Hänggi (links) und Wolfgang Häusler (Mitte) mit ihrem Kollegen S. E. Savel‘ev von der Loughborough University

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