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VIP+-Projekt NoChrom: Ein umweltfreundliches Verfahren für die industrielle Anwendung in der Galvanotechnik

Schema der Erzeugung von funktionalisierten Mikrokavitäten an der Kunststoffoberfläche. Nach dem neuen Verfahren entstehen sie durch Herauslösen von Opferpartikeln, wobei chemisch gekoppelte Funktionspolymere eine Funktionalisierung bewirken (Bild: Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden e. V.)

Seit April 2021 fördert das BMBF das VIP+-Transferprojekt NoChrom2: Chrom(VI)freies Verfahren zur galvanischen Metallisierung von Kunststoffteilen. Wissenschaftler aus dem Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden werden gemeinsam mit Kollegen am Institut für Oberflächentechnik der Hochschule Zittau-Görlitz und dem Kunststoff-Zentrum in Leipzig gGmbH einen am IPF entwickelten Ansatz weiterentwickeln und zur Nutzung vorbereiten, mit dem schon während des Spritzgießens eine umweltfreundliche und ökonomisch sehr vorteilhafte Funktionalisierung von Kunststoffoberflächen für nachfolgende galvanische Metallisierungsprozesse erfolgt. Das Projekt wird von einem Beirat aus dem Fachverband Galvanisierte Kunststoffe des Zentralverbands Oberflächentechnik e.V. sowie von großen Unternehmen aus der Kunststoff- und Galvanikindustrie begleitet.

Metallisierte Kunststoffe sind für viele Anwendungen im Alltag gefragt, zum Beispiel bei Kfz-Innen- und Außenteilen, bei Sanitärarmaturen oder in der Elektronik. Die Metallisierung verleiht dem Leichtbauwerkstoff Kunststoff eine gehobene Ästhetik, schützt gegen Medien (Chemikalien, Strahlung) und mechanische Belastung und kann auch funktionell wirken.

Zur Metallisierung sind galvanotechnische Verfahren etabliert. Der industrielle Standard sieht als ersten Prozessschritt das Beizen mit Chromschwefelsäure als Vorbereitung für die notwendige chemische Abscheidung einer leitenden Schicht auf der Kunststoffoberfläche vor. Mit der Aufnahme von Chrom(VI)verbindungen als zulassungspflichtige Substanz in die EU-Chemikalienverordnung, die so genannte REACh-Liste, wird intensiv nach Alternativen gesucht.

Eine außerordentlich vielversprechende Methode resultiert aus Untersuchungen am IPF zur chemischen Oberflächenmodifizierung beim Spritzgießen. Kern-Schale-Partikel aus einem löslichen Kern (z.B. Calcit) und einer Hülle aus einem Funktionspolymer (z.B. einem Polyamin) werden auf die Oberfläche des Spritzgießwerkzeugs appliziert. Beim Einspritzvorgang werden sie von der Schmelze nur teilweise umschlossen. Die hohe Temperatur initiiert eine chemische Kopplung des Funktionspolymers an die Schmelze. Nach dem Herauslösen des Kerns, beispielsweise im Rahmen der Eingangsspülung beim Galvanikprozess, entstehen Mikrokavitäten mit chemisch funktionalisierten inneren Oberflächen. Untersuchungen der IPF-Forscher haben gezeigt, dass diese Kavitäten Reaktionen mit Metallen ermöglichen. Die nachfolgende chemisch abgeschiedene Metallschicht weist aufgrund der chemischen Wechselwirkungen zum Funktionspolymer und aufgrund von Hinterschneidungen an der Kunststoffoberfläche eine hohe Haftfestigkeit auf, sodass weitere Schichten galvanisch abgeschieden werden können. Die Haftfestigkeit erreicht schon in den Vorversuchen Industriestandard.

Die Vorteile der Methode sind:

-REACh-konform und ökologisch

-Nutzung der etablierten Galvaniktechnologie mit Einsparung von Prozessschritten

-anwendbar auf beliebige Kunststoffe, nicht nur ABS

-Größe und Gestalt der Mikrokavitäten werden nicht durch den Kunststoff, sondern durch den Prozess gesteuert

-die Funktionalisierung erfolgt kontrollierbar und mit höherer Dichte an gezielt eingestellten funktionellen Gruppen

-die Funktionalisierung kann örtlich selektiv erfolgen, ebenfalls über den Prozess gesteuert

Anderen in der Erprobung befindlichen chromfreien Methoden ist das Verfahren darin überlegen, dass Zwischenschritte eingespart werden. Zudem weist die Technologie ein großes Potential zur Integration weiterer Funktionen in die Partikel auf.

Im VIP+-Projekt NoChrom sollen besonders die technische Integration der Applizierung beim Spritzgießen, die Optimierung der Partikelzusammensetzung sowie die Anpassung des Galvanikprozesses vorangetrieben werden. Durch die Anbindung der Galvanotechnikindustrie an das Projekt bestehen sehr gute Chance zur schnellen Überführung der Innovation in die Anwendung. Das Projekt wird wesentlich zur Sicherung der Zukunft der europäischen Kunststoffgalvanik auf umweltverträglicher Basis beitragen.

Patentanmeldung

EP00003336136A1 – Verfahren zur Modifizierung von Kunststoffoberflächen und modifizierte Kunststoffoberflächen mit chemisch funktionalisierten Mikrokavitäten 

http://www.ipfdd.de

Wissenschaftliche Ansprechpartner/Fachlicher Direktkontakt:

Dr. Jürgen Nagel, nagel@ipfdd.de

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