Die Rückgewinnung von wichtigen Stoffen aus Abfällen oder Rückständen von Produktionsprozessen ist erforderlich, um die stetig wachsenden Abfallmengen zu begrenzen sowie die merkbare Knappheit von bestimmten Rohstoffen zu mindern. Dazu werden in steigendem Maße effiziente Verfahren entwickelt und im großtechnischen Maßstab eingesetzt. Dabei ist es hilfreich, ein starkes Augenmerk auf die Wirtschaftlichkeit der Recyclingverfahren zu legen und eine genaue Abwägung von Einsatzfähigkeit und Wert der zurückgewonnenen Stoffe und dafür eingesetzten Energiemengen vorzunehmen.
Wie der Leiter des DGO-Fachausschusses Forschung Dr. Klaus Wojczykowski einleitend betonte, trifft das gewählte Thema des 46. Ulmer Gesprächs Kreislaufwirtschaft und Stoffverbote den aktuellen Zeitgeist. So zeigen die Vorträge, wie die Nutzung von Stoffen und Energie verbessert werden kann, insbesondere zur Vermeidung von Abfällen. Zudem werden Ergebnisse und Aussichten im Hinblick auf kritische Stoffe transparent gemacht und damit das Verständnis zur Verbesserung der Umweltfreundlichkeit sowie der Wirtschaftlichkeit unter längerfristiger Perspektive erhöht.
Eröffnet wurde die Veranstaltung durch die Vergabe des Nasser-Kanani-Preises 2025. Der Preis geht in diesem Jahr an Marius Michael Engler von der Technische Universität Ilmenau. Verliehen wird der Preis für besondere Leistungen im Bereich von Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Galvanotechnik. Marius Engler wird für seine Arbeit zu eisenbasierten Redoxflowbatterien gewürdigt. Wie in der Laudatio zur Preisverleihung ausgeführt wurde, sind Redoxflussbatterien (RFBs) aussichtsreiche Kandidaten für die elektrochemische Energiespeicherung. Sie zeichnen sich durch eine gute und unabhängige Skalierbarkeit ihrer Energie und Leistung aus.
Etablierte RFB-Systeme beruhen auf Vanadium, haben aber den Nachteil des hohen Preises der Grundchemikalien. All-Iron RFBs (AIRFBs) arbeiten mit gut verfügbaren, günstigen und toxikologisch unbedenklichen Eisenverbindungen. Aufgrund der etwas komplizierteren elektrochemischen Reaktionen (Eisenabscheidung auf der negativen Seite und Oxidation von Eisen(II) zu Eisen(III) auf der positiven Seite) haben sie allerdings noch keine Marktreife erreicht.
In seiner Masterarbeit hat Engler verschiedene eisenbasierte Elektrolyte auf ihre Anwendbarkeit in AIRFBs hin untersucht. Neben grundsätzlichen wissenschaftlichen Fragestellungen (u. a. zur Thermodynamik und zur elektrochemischen Kinetik der Eisen-Spezies) waren dabei auch spezifische technische Herausforderungen, wie zum Beispiel die Umwälzung der Elektrolyte und die Abdichtung der Zelle gegen Leckage zu meistern.
Der Preisträger hat ausgewählte Zusammensetzungen für Anolyte und Katholyte mit klug gewählten experimentellen Methoden untersucht, beispielsweise In-situ-Mikrogravimetrie für die Eisenabscheidung und rotierende Scheibenelektrode für die Eisen(II)/Eisen(III)-
Reaktion. Auf Basis seiner Ergebnisse konnte er Elektrolytzusammensetzungen und einen Aufbau für eine komplette Zelle vorschlagen, die er ebenfalls eingehend charakterisiert hat. Seine Ergebnisse hat er als Erstautor in einer internationalen Open-Access-Publikation vorgestellt.
Mit seiner Arbeit leistet Marius Engler exzellente Beiträge für die Ertüchtigung von AIRFBs für die elektrochemische Energiespeicherung. Sein Ansatz schlägt eindrucksvoll die Brücke von klassischen Anwendungen der Galvanotechnik wie der Eisenabscheidung zu sozio-ökonomisch relevanten Themen wie der nachhaltigen Speicherung von Energie. Somit bildet seine Arbeit eine gute Basis zur Erschließung neuer Geschäftsfelder für Chemikalienhersteller und Beschichter. Die von ihm vorgeschlagene eisenbasierte Prozesschemie ist gut verfügbar und nachhaltig.
Marius Engler (l.) erhält den Nasser-Kanani-Preis 2025 aus den Händen von Dr. Klaus Wojczykowski (Bild: Dr. D. Mayer)
Traditionell bekommt der Träger des Nasser-Kanani-Preises die Möglichkeit, im Eröffnungsvortrag zum Ulmer Gespräch Inhalte aus seiner Arbeit vorzustellen.
Eisenbasierte Redoxflowbatterie
Marius Engler gab einen Überblick über seine Arbeit zur Entwicklung eines nachhaltigen und wirkungsvollen Stromspeichers. Diese Aktivitäten werden unter anderem durch die Förderungen im Rahmen der Entwicklungsstrategie Klimaneutralität DE 2045 unterstützt und sollen die Schaffung von Großbatteriespeichern ermöglichen, um die Stromnetze zu stabilisieren.
Die gewählte Redoxflowbatterie nutzt die unterschiedliche Wertigkeit von Eisenionen. Eisen ist in ausreichendem Maße verfügbar und unterliegt keinen Einschränkungen aufgrund der Toxizität. Bisher leidet die Technik darunter, dass aus dem vorhanden Eisen(III) Eisen abgeschieden und dabei auch Wasserstoff entwickelt wird. Dies reduziert die Effizienz der Batterie. Für den Elektrolyt bietet sich der Einsatz von Sulfat und Chlorid an. Um einen stabilen Elektrolyten bereitzustellen, wird unter anderem der pH-Wert zu regulieren sein und mit Komplexbildner gearbeitet.
Markus Engler nutzte in seine Untersuchungen zur Ermittlung der Hintergründe der Reaktionen unter anderem eine Quarz-Kristall-Waage. Aus den gefundenen Ergebnissen lassen sich die wichtigen Teilströme der Reaktionen ermitteln. Ergänzend führte er zyklovoltammetrische Messungen durch.
Vergleich der chronopotentiometrischen Abscheidung aus Eisen(II)elektrolyten für Redoxflow-Anwendungen (Bild: M. M. Engler)
Seine Untersuchungen lassen erkennen, dass ein Elektrolyt auf Chloridbasis die besten Ergebnisse liefert. Zugegebene Leitsalze verdoppeln die Stromdichte und ein höherer pH-Wert (pH 4,5) die Effizienz der Batterie. Weitere Verbesserungen lassen sich durch Zugabe von Additiven (z. B. Milchsäure und Glycerin) erreichen. Dazu trägt auch bei, dass durch die Additive die Eisenabscheidung reduziert wird beziehungsweise Abscheidungen entstehen, die eine verlustfreie Wiederauflösung erlauben. Als Gesamtergebnis empfiehlt sich die Nutzung eines Elektrolyten aus Eisen(II)chlorid und Ammoniumchlorid bei pH 3,5, der bei 25 °C und Verwendung von Additiven eingesetzt wird.
Grenzen der Kreislaufwirtschaft
Die Aktivitäten auf dem Gebiet des Recyclings haben dazu geführt, dass sich inzwischen bei Unternehmen der Stoffverwertung große Mengen an Stoffen befinden. Deren Aufarbeitung ist Thema von Dr. Lutz Wuschke, Scholz Recycling. Die einfachste Möglichkeit einer Kreislaufwirtschaft liegt dann vor, wenn bei Herstellern von Bauteilen die in der Produktion entstehenden Rest- und Abfallstoffe direkt in die Wiederverwertung gehen.
Deutlich schwieriger ist die Situation im Falle von Gegenständen aus unterschiedlichen Werkstoffen, zum Beispiel Metalle in Kombination mit metallisierten Kunststoffen. Hier spielt der Lebensdauerzyklus der unterschiedlichen Produkte eine wichtige Rolle. Am Ende der Kette steht dann in vielen Fällen der Verwerter, also die Schrott verarbeitende Industrie. Hierfür steigt der Aufwand drastisch gegenüber dem Zustand der Verarbeitung von Produktionsabfällen. Verbunden damit ist auch ein hoher Energieverbrauch.
Die Verarbeitung von derartigen Reststoffen besteht in der Regel aus einer heterogenen Sammlung von Mischschrott, der im ersten Schritt einer Verkleinerung unterzogen wird. Damit wird ein Verbundaufschluss erreicht. Anschließend folgt die Sortierung der Verkleinerungen zur Anreicherung von Stoffen wie Metallen neben Kunststoffen oder Mineralien. Hierbei gelten Metalle als werthaltige Produkte.
Häufig müssen die erhaltenen Zerkleinerungen einen weiteren Durchlauf zur Zerkleinerung und Sortierung durchlaufen. Die Metalle, soweit eine gewisse Anreicherung erzielt wurde, gehen meist in die Rohmetallerzeugung. Für die Erschmelzung derartiger Metalle können unter anderem auch die weniger werthaltigen Produkte im Sinne der thermischen Verwertung herangezogen werden. Den Ablauf der Verarbeitung zeigte der Vortragende am Aufbau des Standorts Espenhain. Mit den vorhandenen Anlagen können dort knapp 300 000 Tonnen Abfallstoffe pro Jahr verarbeitet werden.
Neben der Verkleinerung und Sortierung wird unter Nutzung bestimmter Materialeigenschaften eine intensive und gut nutzbare Trennung vorgenommen. Dazu eignen sich zum Beispiel Dichte, Farbe, Magnetismus oder elektrische Eigenschaften. Ungünstig ist, dass viele Materialien eine Überlappung von Eigenschaften aufweisen. Damit kann beispielsweise die Dichte als Trenneigenschaften ausscheiden. Besonders kritisch ist dies bei den heute genutzten Kunststoffen.
Eine Trennung macht insbesondere dann wenig Sinn, wenn der Anteil eines Materials gering ist. Daher ist es wichtig, die Recyclingeffizienz von jedem Material einer Mischung zu beachten; in diesem Fall ist das Recycling teurer als die Nutzung von neuen Stoffen. Dadurch ist die von der Politik angestrebte Recyclingquote aus wirtschaftlicher Sicht nicht sinnvoll.
Die von der Politik angestrebte Recyclingquote ist derzeit nicht wirtschaftlich (Bild: Wuschke/Schnell)
Als ein kritisches Beispiel nannte der Vortragende die Verarbeitung von metallisiertem Kunststoff. Problematisch ist zudem die Verarbeitung von verzinktem Stahl, da sich das Zink während der Verarbeitung in anderen Fraktionen anreichert, zum Beispiel in Ersatzbrennstoffen. Damit wird auch dieses nicht für die thermische Verwertung nutzbar. Ähnlich ist die Situation mit lackierten Kunststoffen oder lackiertem Aluminium. Hier funktioniert dann die sensorbasierte Sortierung nicht mehr reibungslos. Als Hemmnis gelten auch die bestehenden Qualitätsanforderungen beziehungsweise die Bereitschaft, die Kosten für das Recycling zu tragen. Dafür ist es wichtig zu akzeptieren, dass Nachhaltigkeit nicht gleichbedeutend mit der Schließung von Stoffkreisläufen um jeden Preis ist.
Recycling von Beizlösungen
Dr. Jens Krümberg gab in seinem Vortrag einen Einblick in das chemische Recycling von Rückständen, die beim Feinbeizen von Leitplatten mit Natriumperoxodisulfat oder Tripelsalzlösungen anfallen. Dafür entwickelt das Unternehmen des Vortragenden Verfahren sowie die notwendige Anlagentechnik, deren Nutzung betreut wird. Neben der Rückgewinnung von Kupfer aus der Leiterplattenfertigung befasst sich das Unternehmen mit der Rückgewinnung von Nickel für die allgemeine Galvanotechnik.
Mit der Technologie des Vortragenden wird vermieden, dass verbrauchte Beizlösung auf Basis von Natriumperoxodisulfat direkt in die Entsorgung geht. Damit wird die Zerstörung des restlichen Oxidationsmittels vermieden und eine sinnvolle Rückgewinnung des gelösten Metalls erreicht. Das in der Beizlösung enthaltene Kupfer wird aus der Abfalllösung abgeschieden. Die verbleibende Lösung wird auf elektrochemischem Wege durch anodische Oxidation regeneriert.
Die Kupferabscheidung und die anodische Oxidation werden in einem Prozessbehälter durch den Einsatz von speziellenr Anodenaufbauten erreicht. Unter Einsatz einer Anlage mit 3000 A werden pro Stunde etwa zwei Kilogramm Kupfer und neun Kilogramm Natriumperoxodisulfat gewonnen. Zudem wird damit die Abwassermenge reduziert. Die Anlage kann im Bypass zur bestehenden Beizlinie betrieben werden. Der selbe Prozess kann auch bei Verwendung von Tripelsalz genutzt werden. Vorteilhaft ist die gute Stromausbeute auch bei niedrigen Sulfatkonzentrationen im Beizelektrolyten. Wichtig ist der Einsatz von BDD-Anoden (BDD – Bordotierte Diamantelektroden) sowie einer speziellen Membran.
Borsäureersatz in Nickel- und Chromelektrolyten
Borsäure ist einer der Stoffe, der aus Gründen des Umwelt- und Gesundheitsschutzes in der Industrie nicht mehr eingesetzt werden soll; seit 2010 steht Borsäure auf der Kandidatenliste der europäischen Chemikalienverordnung REACh. Damit besteht die Aufgabe auch darin, für die galvanische Abscheidung von Nickel und Chrom einen Ersatz zu finden, ein Thema, mit dem sich Dr. Robert Gerke, Riag AG, befasst. Neben der reinen Vermeidung von Borsäure kann nach Aussage des Vortragenden das Ziel darin bestehen, neue Eigenschaften mit Hilfe eines geeigneten Ersatzstoffes zu erzielen.
Bereits seit einigen Jahren bietet das Unternehmen des Vortragenden ein gut geeignetes Ersatzprodukt an. Eine der damit erreichten Eigenschaften besteht darin, dass das Produkt keinen negativen Überdosierungseffekt zeigt, allerdings lässt sich kein maximaler Glanzgrad erzielen, wie er mit Borsäure erreicht wird. Entwicklungen haben zu einem Stoff der zweiten Generation geführt. Dieser zeigt eine sehr gute Einebnung und Glanzbildung, verbesserte Metallverteilung, geringeren Verbrauch an Glanzzusatz sowie Deckfähigkeit. Zudem ergeben sich höhere Stromdichten und eine geringere Empfindlichkeit gegen Eisen. Die Aufarbeitung des anfallenden Abwassers ist unproblematisch.
Die Notwendigkeit der Verwendung von Borsäure für die Verchromung entsteht aus dem Einsatz von Elektrolyten auf Basis von Chrom(III), insbesondere bei Verwendung eines Elektrolyten auf Basis von Sulfat. Würde hierfür der selbe Stoff wie in Nickelelektrolyten eingesetzt werden, so würde die Elektrolytstabilität verringert und ein weiterer Komplexbildner in das Elektrolytsystem eingebracht werden. Derzeit ist ein Produkt im Versuchsstadium, das in absehbarer Zeit Einzug in die Praxis finden könnte. Damit sollten bessere Streufähigkeiten möglich sein. Farbe und Rissneigung entsprechen denen der Verfahren der Marktbegleiter.
-wird fortgesetzt-