Leichtbau für starke, tonnenschwere Maschinen: Das Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) der Leibniz Universität Hannover will in Kooperation mit dem Institut für Polymerwerkstoffe und Kunststofftechnik (PuK) der Technischen Universität Clausthal, dem Landmaschinenhersteller Krone und dem Leichtbauexperten M+D Composites Technology GmbH den Feldhäcksler BiG X in ein Leichtbaukonzept überführen. Wir versprechen uns davon eine signifikante Reduktion des Kraftstoffverbrauchs und damit eine Verminderung von schädlichen Treibhausgasen, erläutert IFW-Mitarbeiter Dr.-Ing. Carsten Schmidt, Leiter der Forschungskooperation am Forschungszentrum CFK Nord in Stade.
In den vergangenen Jahrzehnten ist die Leistungsfähigkeit von landwirtschaftlichen Erntemaschinen stark gestiegen. Größere Feldabschnitte werden durch größere und schwerere Maschinen in einem Arbeitsgang bearbeitet. Das gestiegene Gewicht bringt die Hersteller jedoch an die Grenzen der straßenverkehrsrechtlichen Zulässigkeit. Und: Die Anwender sehen sich mit einer stärkeren Bodenverdichtung auf den Agrarflächen konfrontiert.
In dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) mit 1,8 Millionen Euro geförderten Projekt AGRILIGHT sollen Leichtbautechnologien zu einem niedrigeren Gesamtgewicht des BIG X beitragen und so den bestehenden Konflikt auflösen, indem der 1-Tonnen-schwere Hauptrahmen des Feldhäckslers in ein Leichtbaukonzept überführt wird.
Die Projektpartner wollen in dem jüngst gestarteten Forschungsprojekt zunächst das Strukturkonzept des schweren Hauptrahmens sowie anliegender Funktionseinheiten analysieren und grundlegend in einen faserverbundgerechten, funktionsorientierten Leichtbaustrukturentwurf aus Glasfaser- und Kohlenstofffaserverbundwerkstoffen neu aufbauen. Nach den Worten von Projektleiter Carsten Schmidt wird die besondere Herausforderung die Vielzahl an unterschiedlichen Fügestellen sein, deren beanspruchungsgerechte Überführung in das neue Leichtbaukonzept unter Berücksichtigung von verschiedenen neuen Werkstoffen und deren zum Teil grundlegend unterschiedlichen, mechanischen, elektrischen und chemischen Materialeigenschaften erfolgen muss.
Da bestehende form-, kraft- und stoffschlüssige Fügemethoden beibehalten werden sollen, erhält die Faserverbundstruktur in den Anbindungsbereichen einen hybriden Strukturaufbau. Schmidt: Wir haben im Rahmen des Schwerpunktprogramms 1712 Intrinsische Hybridverbunde sehr gute Erfahrungen mit der Multilayer-Insert-Technologie gemacht. Es gelte, diese Technologie auf den neuen Anwendungsbereich zu übertragen, die Eigenschaftscharakteristik der Hybridanbindung unter realen Beanspruchungen zu erforschen und abschließend für den Einsatzzweck zu optimieren.
Gleichzeitig verlangen Faserverbunde andere Fertigungsverfahren, bieten damit aber auch neue Formgebungsmöglichkeiten, wie zum Beispiel aus der Luftfahrt bekannt. Tim Markwald, Geschäftsführer der M+D Composites Technology GmbH aus Friedeburg, sieht in dem Projekt ein großes Potenzial für den Faserverbundleichtbau. So werde man unterschiedliche Bauweisen konzipieren und bewerten – von differentiellen Strukturkonzepten, die mit herkömmlichen Faserverbundhalbzeugen einen sehr flexiblen Aufbau erlauben, bis hin zu hochintegralen Monocoque-Lösungen, bei denen ein fasergerechter Entwurf seine Vorzüge im Hinblick auf den Leichtbau und die maximale Gewichtsreduktion ausspielen könne.
Schlussendlich wird sich das neue Leichtbaurahmenkonzept in einem praxisnahen Validierungsexperiment behaupten müssen. Der Prüfstand der Future Lab GmbH der Firma Krone bietet für uns die einzigartige Möglichkeit, Rahmenstrukturen landwirtschaftlicher Maschinen unter praxisnahen Belastungen des realen Einsatzes zu simulieren, ohne eine komplette Maschine aufzubauen, erklärt Peter Weiss, Bereichsleiter Konstruktion und Entwicklung Selbstfahrtechnik bei der Maschinenfabrik Bernard Krone GmbH. Aus den im Projekt gewonnenen Testergebnissen wollen die Projektpartner fundierte Aussagen über eine mögliche Serientauglichkeit des Leichtbaurahmens ableiten. Sollte es gelingen, den Rahmen mittels neuer Verbundstoffe und neuer Formgebung deutlich leichter zu gestalten, wäre dies nach Aussage von Weiss ein wegweisender Schritt für die gesamte Landtechnikbranche.
Im Frühjahr 2022 soll die Konzeptentwicklung und -bewertung des neuen Chassis abgeschlossen sein.Dr.-Ing. C. Schmidt
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