Die Nachfrage ist groß in der spanenden Fertigung, wenn es um Online-Adaptionen von Prozessen oder die Realisierung einer Prozessüberwachung in Echtzeit geht. Unternehmen streben vermehrt einen autonomen, sich selbst überwachenden Fertigungsprozess an. Das Projekt Fühlende Spindel am Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) der Leibniz Universität Hannover entwickelt eine sensorische Spindel, um das Potenzial für eine Abdrängungskompensation und eine integrierte Prozessüberwachung aufzudecken. Mit der sensorischen Spindel wollen wir Prozesskräfte und den Prozesszustand ermitteln - Informationen, die wir für die Realisierung einer integrierten Prozessadaption und -überwachung beim Schleifen von Fräsern und Bohrern dann nutzen, erläutert Projektmitarbeiter Henning Buhl.
Die Fertigung von Fräsern und Bohrern mit großen Längen-zu-Durchmesser-Verhältnissen ist schwierig und besonders aufwändig beim Einrichten des Prozesses. In nur einem Schritt wird die Spannut in den langen und dünnen Rohling geschliffen. Hierbei biegt sich der Rohling durch. Parallel wird die Schleifscheibe abgedrängt. Die Durchbiegung und die Abdrängung führen zu Toleranzfehlern im Endprodukt oder gar zum Ausschuss. Deshalb wird häufig eine zusätzliche Lünette zum Abstützen des Rohlings verwendet. Dies erfordert jedoch einen zusätzlichen Rüstaufwand und reduziert somit die Produktivität.
Das Ziel des Forschungsprojekts Fühlende Spindel ist daher die Entwicklung einer sensorischen Spindeleinheit, welche die Kompensation der auftretenden Verlagerung ermöglicht. Mit Hilfe einer Online-Kompensation soll der Aufwand des Einrichtens stark minimiert werden. Die Verwendung einer Lünette zum Abstützen des Werkstücks wäre damit überflüssig. Die sensorische Spindel soll so einen autonomen, sich selbst überwachenden und regulierenden Schleifprozess für die produktive Fertigung von Bohrern und Fräsern ermöglichen. In Kooperation mit dem Schleifmaschinenhersteller Vollmer soll ein Prototyp entwickelt und eingesetzt werden.
Mit der fühlenden Spindel werden die Prozesskräfte online während des Prozesses gemessen. Hierfür wird in die Spindeleinheit zusätzliche Sensorik integriert. Eine Integration in die bestehende Peripherie wird dabei angestrebt, sodass keine aufwändige Neukonstruktion notwendig ist. Die gemessenen Kräfte werden in ein Simulationsmodell überführt. Auf Basis eines Steifigkeitsmodells ermittelt die Simulation die Durchbiegung des Rohlings und die Verlagerung der Schleifscheibe. Anhand einer Weiterverarbeitung der gewonnenen Informationen wird die Zustellung der Maschinenachsen generiert, um die Durchbiegung und die Verlagerung zu kompensieren. Die Kompensation erfolgt während des Prozesses und jeweils angepasst auf den tatsächlichen Zustand des Rohlings. Weiterführend untersuchen die Projektmitarbeiter, ob eine kontinuierliche Prozessüberwachung hinsichtlich Verschleißerkennung und instabiler Prozesse möglich ist. Henning Buhl
Kontakt
Henning Buhl, Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen, E-Mail: buhl@ifw.uni-hannover.de
- www.ifw.uni-hannover.de

Text zum Titelbild: Fühlende Spindel – Abdrängungskompensation beim Tiefschliff von Spannuten (© Vollmer Werke Maschinenfabrik GmbH)