Feinschliff für die additive Produktion

Werkstoffe 08. 02. 2020
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Additive Fertigungsanlagen können hochkomplexe Bauteile erzeugen, die mit klassischen Werkzeugmaschinen gar nicht oder nur mit hohem Aufwand produzierbar wären. Dennoch gehören solche industriellen 3D-Drucker längst noch nicht zur Standardausrüstung in Fabriken. Das liegt nicht nur an den Anschaffungskosten, sondern auch an vielen Problemen im Detail. Das Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS Dresden hat dafür Lösungen gefunden; dazu gehören mit COAXshield eine lokale Schmelzbadabschirmung für das Laser-Pulverauftragschweißen und das Analysegerät ­LIsec, mit dem sich der Pulverfluss bei additiven Fertigungsverfahren kontrollieren lässt.

Der in der Raumfahrt beliebte Werkstoff ­Titan oxidiert, wenn er bei Bearbeitungstemperaturen ab oder höher als 300 °C mit Luft in Kontakt kommt. In der Folge verändern sich die Materialeigenschaften. Die Bauteile werden spröde und können Risse bekommen. Wenn beispielsweise ein Roboter ein Titan­werkstück mittels Laser additiv fertigen soll, muss zunächst eine große Kammer um Roboter und Bauteil gebaut werden. Diese Kammer wird dann entweder mit einem ­reaktionsarmen Edelgas wie Helium oder Argon geflutet oder es muss ein Vakuum erzeugt werden, bevor die Fertigung beginnen kann. Diese Form der globalen Prozessabschirmung mag für kleine Bauteilgrößen geeignet sein, stellt einen jedoch bei der Fertigung von Großbauteilen hinsichtlich der Prozesssteuerung und Zugänglichkeit vor erhebliche Schwierigkeiten, erklärt Jakob Schneider, der am Fraunhofer IWS zum Thema Additive Fertigung forscht. Hinzu kommt nach seinen Worten, dass die Kosten für solch eine Kammer überproportional mit der Größe des zu schützenden Bauteils steigen, zum Beispiel die Kosten für mehrere Kubikmeter Helium oder Argon, die unter Umständen wegen Zwischenarbeitsschritten auch ab- und wieder zugepumpt werden müssen. Ähnliches gelte für Werkstücke aus anderen widerspenstigen Materialien, ­sogenannte ­Refraktärmetalle, zum Beispiel Tantal, Niob oder Titan-Aluminium-Verbindungen.

COAXshield schützt Titanbauteile

Daher hat das IWS mit COAXshield einen ­alternativen Schutzschirm entwickelt, der das Schutzgas nur dorthin leitet, wo es wirklich gebraucht wird: direkt um die Bearbeitungszone des Laserstrahls herum, der das Metallpulver aufschmilzt und auf das Bauteil schichtweise aufträgt. Dabei handelt es sich um einen Düsenkopf, der unter gängige Bearbeitungsoptiken montiert werden kann. Er ummantelt die Pulverdüse und bildet einen Schutzgaskegel koaxial um die Prozesszone herum. Dieser Kegel schützt somit lediglich die heiße Bearbeitungszone, denn nur dort können Titan und Umgebungsluft miteinander reagieren.

Durch diese Lösung spart der Anwender nach Aussage von Jakob Schneider viel Aufwand und Kosten. Zudem ließen sich so auch sehr große Titanbauteile additiv fertigen oder herstellen. Ein Beispiel: Für das Röntgenweltraumteleskop ATHENA benötigt die ­Europäische Weltraumorganisation ESA eine ­Satellitenträgerstruktur aus Titan mit einem Durchmesser von mehreren Metern. Dafür entwickelt das IWS in Kooperation mit ihr ­einen Prozess und die dazugehörige Systemtechnik für die additive Fertigung. Vor diesem Hintergrund wurde die COAXshield entwickelt. Anfang 2020 soll diese Technik markt­reif sein.

LIsec durchleuchtet den Pulverstrom

Während bei konventionell genutzten abtragenden Verfahren wie dem Fräsen das Einmessen der Werkzeuge dem Stand der Technik entspricht, stellt dies beim Laser-Pulverauftragschweißen noch ein große Herausforderung dar. Zur Lösung dieses Problems und um die Grenzen des technisch Machbaren zu verschieben, wurde am IWS das Messgerät LIsec entwickelt. Das Kürzel steht für Light Section (deutsch: Lichtschnitt) und verrät bereits das Prinzip: Ein Messlaser durchleuchtet den Pulverstrom nach Austritt aus der Düse. Im rechten Winkel dazu ist eine Kamera montiert, die Lichtschnitte durch das Pulver aufnimmt und an eine Analysesoftware weiterleitet. Daraus lässt sich hoch­präzise die dreidimensionale Verteilung des Pulverstroms berechnen, erklärt IWS-Inge­nieur Rico Hemschik. Dies erlaube eine deutlich vereinfachte Qualitätskontrolle und ermögliche Rückschlüsse auf den Grad des Verschleißes der Pulverdüse.

Nutzen lässt sich dies beispielsweise, um beschädigte oder verschlissene Turbinenschaufeln von Flugzeugen in höherer Qualität und zuverlässiger als bisher zu reparieren. Insofern kann unser Messgerät zu mehr Sicherheit und geringeren Wartungskosten in der Luftfahrt beitragen, sagt Hemschik. Das Dresdner Institut erarbeitet bereits den Transfer der Technologie mit mehreren namhaften internationalen Unternehmen und Forschungsinstituten.

Text zum Titelbild: COAXshield: eine neuartige Schutzgasdüse zur lokalen Schmelzbadabschirmung für das Laser-Pulverauftragschweißen von sensiblen Materialien (© Fraunhofer IWS Dresden)

 

Der neue Düsenkopf COAXshield des Fraun­hofer IWS ummantelt die Pulverdüse und bildet einen Schutzgaskegel ­koaxial um die Prozesszone herum (© Fraunhofer IWS Dresden)
 
 
Das Kürzel LIsec steht für Light Section (deutsch: Lichtschnitt) und verrät bereits das Prinzip: Ein Messlaser durchleuchtet den Pulverstrom nach Austritt aus der Düse (© Fraunhofer IWS Dresden)
 
 
Das Fraunhofer-IWS-Messgerät LIsec erlaubt eine deutlich vereinfachte Qualitätskontrolle und ermöglicht Rückschlüsse auf den Grad des Verschleißes einer Pulverdüse (© Fraunhofer IWS Dresden)

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