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Hartmetall17.07.2018
Bereits im Altertum war bekannt, dass härtere Werkstoffe dem Verschleiß besser widerstehen als weichere. So wurden stets weitere Werkstoffe gefunden, aufbereitet, durch Wärmebehandlung verbessert und gezielt weiterentwickelt. Im Fall von Eisenwerkstoffen entstand so Hochleistungsschnellschnittstahl (HSS), der mit mehreren anderen Metallen legiert mit einer großen Härte und gleichzeitig einer hohen Bruchfestigkeit versehen war und sich damit hervorragend als Schneidstoff für die Zerspanung eignete. Seit den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde Hartmetall eingesetzt, dessen Erfindung mit der Verbreitung von Glühlampen verbunden war. Für Glühbirnen wurden Wolframdrähte benötigt; zur Bearbeitung dieses hochschmelzenden Werkstoffs und für das Ziehen der Drähte wurde ein Werkstoff gesucht, der die teuren Diamanten ersetzen sollte. Mit mehreren US-amerikanischen und deutschen Patenten in den 20er und 30er Jahren lag der Werkstoff Hartmetall mit einem Hauptanteil feinen Wolframkarbidpulvers und einem relativ weichen Bindemetall (in der Regel Kobalt) fest. Ende 1925 erwarb die Friedrich Krupp AG mehrere dieser Patente und begann mit der industriellen Hartmetallfertigung. Damit wurde auch der Name Widia (von Wie Diamant) eingeführt, der lange Zeit ein Synonym für Hartmetall überhaupt war [1].
Sorten und Eigenschaften – Hartmetalle bestehen in der am meisten gebrauchten Form aus Wolframkarbid (WC) mit etwa 33 % (Zerspanungsgruppe P02 mit zusätzlich 59 % Titan- und Tantalkarbiden) bis nahezu 100 % (z. B. 97 % WC) und
8 % bzw. 3 % (Co) Kobalt als Bindemetall. Hartmetalle mit lediglich Wolframcarbid und Kobalt haben allgemein die größte Bedeutung, während Hartmetalle mit großen Anteilen weiterer Karbide vor allem in der Zerspanung zur Anwendung kommen, weil sie verbesserte Eigenschaften gegen Verschleiß bei hohen Temperaturen besitzen (Oxidationsbeständigkeit, Warmhärte, Warmfestigkeit und Diffusionsbeständigkeit) [1]. Gemeinsame Eigenschaften fast aller Hartmetalle sind die gegenüber Stahl fast doppelte Dichte von etwa 13 g/cm3 bis 15 g/cm³, der doppelte bis dreifache E-Modul von etwa 400 kN/mm2 bis 670 kN/mm² und die nur rund halb so große Ausdehnung in der Wärme von etwa 4 · 10-6 1/K bis 8 · 10-6 1/K.
Hartmetalle, die nur aus Wolframcarbid und Kobalt bestehen, zeichnen sich unter 600 °C durch höhere Festigkeitswerte und geringeren abrasiven Verschleiß aus und werden für allgemeine Verschleißteile sowie im Bergbau und für Umformwerkzeuge eingesetzt.
Eine dritte Gruppe sind die sogenannten Cermets, die vor allem Titankarbide enthalten. Da Titankarbid härter, aber weniger zäh als Wolframkarbid ist und wegen der schlechteren Diffusionsneigung in Eisenmetallen, ist auch die Klebneigung gegenüber den Spänen niedriger. Daher eignen sie sich sehr gut für die Zerspanung von Eisenwerkstoffen bei hohen Schnittgeschwindigkeiten.
Schließlich gibt es noch eine Hartmetallgruppe, die statt mit Kobalt mit Nickel gebunden ist. Nickel ist sehr korrosionsbeständig und aus diesem Grund werden die sogenannten Sonderhartmetalle bei tribochemischen Beanspruchungen verwendet, wenn der Korrosionsangriff ein anderes Hartmetall zu schnell schädigen würde.
Die Korngrößen des Wolframkarbids in Hartmetallen werden z.B. [2] in sieben Gruppen eingeteilt (Abb. 1): ultrafein (Korngrößen < 0,5 µm), extrafein, fein, mittel, mittelgrob, grob, extragrob (Korngrößen > 5 µm).
Abb. 1: Gefügeaufnahmen eines Feinkorn- (links) und eines Grobkorn-Hartmetalls [1]
Abb. 2: Anwendungshinweise für Hartmetalle als Werkstoff für niedrigen Verschleiß in Abhängigkeit vom Kobaltgehalt als Bindemittel; die weißen Linien von links oben nach rechts unten sind Linien gleicher Härte [2]
Zusammen mit den Anteilen an Wolframkarbid und Binder bzw. auch mit Zusatzkarbiden ergibt sich ein sehr weites Anwendungsspektrum gegen jede Art von Verschleiß (Abb. 2). Die höchsten Härtewerte ergeben sich bei feinem Korn in Verbindung mit niedrigem Kobaltgehalt beziehungsweise hohem Wolframkarbidgehalt; sehr gute Biegebruchfestigkeiten liegen bei umgekehrter Zusammensetzung vor, also bei hohem Kobaltgehalt und gröberem Korn, weil hier die Bindephase, die Kobaltzwischenschicht zwischen den Körnern, dicker ist.
Herstellung – Nach der Herstellung der Vorprodukte (z.B. Wolframkarbidpulver) werden Hartmetallteile direkt oder indirekt erzeugt. Eine direkten Herstellung ist das Pressen und die Weiterverarbeitung des Pulvers; die gepressten Rohling weisen die Form des fertigen Teils auf, wie beispielsweise bei Wendeschneidplatten. Bei der indirekten Herstellung werden die groben Formen in der Vorstufe gestaltet und die Feingestaltung wird mit üblichen Verfahren des Trennens oder Spanens (Bohren, Drehen, Fräsen, Senken, Schleifen) erzeugt. Dies ist möglich, weil die vorgefertigten Teile eine Konsistenz wie etwa Kreide besitzen und handhabbar sind. Weitere Verfahren der Anfertigung von Vorstufen wie Strangpressen oder Spritzgießen sind möglich. Anschließend müssen sowohl die direkt als auch indirekt gefertigten Teile (Pressling, Grünling) gesintert werden. Durch die Stoffumsetzung bei etwa 1500 °C über mehrere Stunden entsteht aus der Vorstufe das Hartmetall als neuer Werkstoff, wie Aufnahmen in hoher Vergrößerung zeigen (Abb. 3 und 4).
Abb. 3: Gefüge eines Rohteils (Pressling, Grünling) vor dem Sintern (2000fach) [1]
Abb. 4: Gefüge eines Hartmetalls nach dem Sintern des Rohteils aus Abb. 3 (2000fach) [1]
Abb. 5: Volumenverkleinerung von Hartmetallpresslingen von (oben) und nach dem Sintern (unten) [1]
Dabei verkleinert sich das Werkstück um rund ein Drittel (Abb. 5). Auch nach dem Sintern können Hartmetallteile noch durch Schleifen, Honen oder Läppen, jeweils mit Diamantkorn, oder durch Funkenerosion bearbeitet werden. Hartmetallteile, die keine Poren aufweisen dürfen, werden nach dem Sintern in einem gesonderten Prozess oder direkt im Sinterofen heißisostatisch gepresst. Die Zahl der Poren mit einer Größe von etwa 0,1 mm sinkt dadurch auf weniger als 1 pro 10 cm² [1].
In vielen Fällen, vor allem für Wendeschneidplatten, werden Hartmetallteile im Fertigzustand mit den verschiedensten Verschleißschutzschichten versehen, um die Verschleißbeständigkeit weiter zu erhöhen. Die üblichen Verfahren sind Chemical Vapour Desposition (CVD) bei tendenziell hohen Temperaturen und Physical Vapour Deposition (PVD) bei meist niedrigeren Temperaturen in unterschiedlichen Verfahrensvarianten. Die am häufigsten aufgebrachte Schicht ist Titannitrid (TiN). Je nach Anwendung kommen im weiteren Titankarbid (TiC) und Titanaluminiumnitrid (TiAlN) zum Einsatz.
Anwendungen – Am weitesten verbreitet sind Anwendungen in der Zerspanung in Form von Wendeschneidplatten für Drehen und Fräsen sowie in Form von Vollhartmetallwerkzeugen bei Schaftfräsern und Bohrern kleineren Durchmessers oder für Verzahnungswerkzeuge. Die Hartmetalle der Zerspanungsgruppen P (Zerspanung von Stahl), M (für rostfreien Stahl) und K (für Guss, Umformtechnik und allgemeine Anwendungen gegen Verschleiß) wurden in den letzten Jahren durch die Gruppen N (Nichteisenmetalle), S (Speziallegierungen und Titan) und H (für gehärtete Werkstoffe) ergänzt. Auch im Bergbau für Gesteinsbohrungen, in der Holzbearbeitung (Sägezähne, Hobelmesser) und in der trennenden Industrie (Schneidmesser, Stanzwerkzeuge) werden Hartmetalle vermehrt eingesetzt. Besonders wirtschaftlich arbeiten Schneidwalzen aus Vollhartmetall oder als Walzenmantel, zum Beispiel in der Produktion von Babywindeln. Neben dem ursprünglichen Ansatz, Hartmetalle als Ziehsteine einzusetzen, kommen sie heute bei Umformwerkzeugen in der Blechbearbeitung und der Massivumformung sehr häufig zum Einsatz. Durch die immer größer werdende Bedeutung des Spritzgießens in der Kunststoffverarbeitung und vor allem bei faserverstärkten Kunststoffen sind Spritzgießwerkzeuge mit beschichteten Hartmetalleinsätzen bekannt, die teilweise auch zu einer leichteren Entformung der Teile verhelfen. Bei Extrudern werden Schnecken und Zylinderrohre aus oder mit Hartmetallen gegen Abrasivverschleiß verwendet. Im allgemeinen Verschleißschutz werden Ventilbestandteile, Dichtungsringe von Gleitringdichtungen oder Plunger aus Hartmetall gefertigt.
Hartmetallkorrosion – Da das Bindemetall Kobalt gemäß elektrochemischer Spannungsreihe unedel ist, tendieren Hartmetalle unter Einwirkung bestimmter Chemikalien, aber auch bei dauernder Einwirkung von Wasser zur Korrosion. Dabei wird Kobalt gelöst und die Wolframkarbidkörner verlieren ihren Halt im Verbundwerkstoff. Abbildung 6 zeigt solche freiliegenden Wolframkarbidkörner eines Kreismessers aus Hartmetall mit etwa 15 % Kobalt. Hartmetalle ohne die Zusatzkarbide eignen sich besser für einen entsprechenden Einsatz als solche mit diesen Zusatzkarbiden. Wenn nickelgebundene Hartmetalle nicht zum Einsatz kommen sollen, lässt sich die Korrosionsbeständigkeit weiter verbessern, wenn dem Bindemetall Kobalt noch 1 % bis 10 % Aluminium beigemischt werden [3-5].
Abb. 6: Durch Korrosion geschädigte Kante eines Hartmetallmessers in zwei Vergrößerungen; bei den dunklen Stellen zwischen den Wolframcarbidkörnern handelt es sich um Produktabrieb
Erfahrungen mit Kreismessern – Für das Längsschneidens von Folienstreifen aus dem gefüllten Kunststoff PET eignen sich Vollhartmetallkreismesser, die durch mehrere Entwicklungsstufen von der üblichen Messergeometrie (Abb. 7) auf Scheiben mit einem Außendurchmesser von 120 mm und einer Dicke von 0,5 mm optimiert wurden.
Abb. 7: Hartmetallkreismesser für den Umschlingungsschnitt in der meist verwendeten Geometrie mit asymmetrischer Schneide und verschiedenen Winkeln des Rückens
Abbildung 8 zeigt eine Schaltfolie aus PET mit aufgedampfter Aluminiumschicht in einer Gesamtdicke von etwa 12 µm. Neben unbeschichteten Messern in der Produktion wurden Versuche mit verschiedenen Beschichtungen (z.B. Zirkonoxidkeramik) (Abb. 9), unternommen. Die Keramik waren in keinem der Versuche dem Hartmetall überlegen und zeigte ein ähnliches Verschleißverhalten. Abbildung 10 zeigt beschichtete Exemplare aus Hartmetall der K-Gruppe mit TiN sowie mit einer DLC-Beschichtung.
Abb. 8: Mit einem Hartmetallkreismesser geschnittene Kante einer Schaltfolie (PET mit aufgedampftem Aluminium, Gesamtdicke ca. 12 µm)
Abb. 9: Kreismesser aus einer Zirkonoxidkeramit mit einem Außendurchmesser von 120 mm und einer Dicke von 0,5 mm
Abb. 10: Beschichtete Hartmetallkreismesser mit 120 mm Außendurchmesser und 0,5 mm Dicke mit DLC-Schicht (1. und 3. von links) und TiN-Schicht
Abb. 11: Kanten von Hartmetallkreismessern mit geläppten (Flächen oben links) und geschliffenen Bereichen (unten rechts)
Bei dieser Anwendung ist eine äußerst präzise Schneidkante ohne Ausbrüche einzelner Körner zur Vermeidung von Schäden am Produkt wichtig (Abb. 11). Hierbei entstehen schräge Bearbeitungsspuren auf der Planfläche der Messer (Abb. 11) von der Endbearbeitung durch Läppen (Rz = 0,1 µm) und die parallel zur Kante verlaufenden Bearbeitungsspuren durch den Nachschliff des Außendurchmessers. Eine derart präzise Bearbeitung der Funktionsflächen ist bei Hartmetall ohne weiteres möglich.
Für die Beschichtung derartiger Messer hat sich vor allem Titannitrid durchgesetzt; sie zeigten gegenüber unbeschichtetem Hartmetall wesentlich längeren Standzeit und einen kontinuierlichen Verschleiß an der Kante. Abbildung 12 zeigt diesen Verschleiß mit der Umfangsfläche oben und der Planfläche unten bei beidseitiger Beschichtung. Für den weiteren Einsatz werden die Messer auf der Umfangsfläche nachgeschliffen. Beim Nachschliff bleibt die Schicht nur auf der Planfläche erhalten (Abb. 13, mit leichter Porosität), wobei der Verschleißwiderstand besser als bei unbeschichteten Messern ist.
Abb. 12: Kante und angrenzende Fläche eines mit TiN beschichteten Hartmetallkreismessers (oben Planfläche, unten Umfangsfläche)
Abb. 13: Kante und angrenzende Flächen eines Hartmetallkreismessers (Planfläche mit TiN links, Umfangsfläche geschliffen rechts)
Weniger gut eignen sich für diese Anwendung DLC-beschichtete Messer. Nach der Erstbeschichtung reicht die Schicht sehr gut um die Kante herum (Abb. 14 und 15). Nach dem Einsatz treten jedoch kleine Kantenausbrüche der Schicht auf (Abb. 16), die das Produkt bereits messbar schädigten. Ursache ist vermutlich eine zu geringe Schichthaftung und Ansätze von Korrosion (Abb. 17).
Abb. 14: Bruchstück eines mit DLC beschichteten Hartmetallkreismessers (oben Planfläche, rechts Umfangsfläche)
Abb. 15: Bruchstück aus Abbildung 14 in höherer Vergrößerung
Abb. 16: Hartmetallkreismesser mit DLC-Schicht nach dem Einsatz mit Ausbrüchen an der Kante (oben links Planfläche, rechts die 0,5 mm dicke Umfangsfläche)
Abb. 17: Ausbrüche aus Abbildung 16 in höherer Vergrößerung
Autor: Prof. Dr.-Ing. M. Schlatter, DHBW Lörrach
Literatur
[22] Kolaska, H.: Pulvermetallurgie der Hartmetalle. Fachverband Pulvermetallurgie, Hagen, 1992
[23] NN: Das ist Hartmetall. Firmenschrift der Sandvic Gruppe, Düsseldorf, ohne Jahr
[24] Schlatter, M.; Koppe, J.; Eichhorst, V.: Kobalt-Bindemetall-Legierung für Hartmetall-Werkzeuge sowie Hartmetall-Werkzeuge mit dieser Legierung. Patentschrift CH 692201 A5, 2002
[25] Schlatter, M.; Koppe, J.; Eichhorst, V.: Alliage Cobalt-Metal liant pour carburer allies prevus pour des outil en carbures, en particulier des outils de coupe, et outils en carbures contenant cet alliage. Offenlegungsschrift FR 2736653, 1997
[26] Schlatter, M.; Koppe, J.; Eichhorst, V.: Cobalt binder metall alloy. Patentschrift US 5844153, 1998