Energieeffizienz – viel ist möglich, viel bleibt zu tun

Werkstoffe 02. 02. 2017
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Von Harald Holeczek, Fraunhofer-IPA, Stuttgart

Energieeffizienz und Digitalisierung sind die entscheidenden Themen für die Weiterentwicklung der Energiewende. Darin zumindest sind sich die Bundestagsparteien einig, wenn auch bei Tempo und den konkreten Maßnahmen und Wegen Uneinigkeit herrscht. Veränderung kann nicht vorgeschrieben werden. Die besten Möglichkeiten, die Akteure dennoch zu motivieren, wurden im November auf dem Energieeffizienzkongress der Deutschen Energieagentur dena diskutiert.

Energy efficiency – much is possible, much remains to be done

Energy efficiency and decarbonisation are the most important action fields for the further development of the German Energiewende. Here the different parties in the German Bundestag have consensus, yet the speed of change and of specific and concrete measures is intensely discussed. Change cannot be forced or prescribed. The best ideas and ways to motivate the different actors in the field of the Energiewende were broadly discussed at the Energy efficiency congress of the German Energy Agency dena in November 2016.

Zielvorgaben

Energieeffizienz sei, so betonte Staatssekretär Rainer Baake aus dem Bundeswirtschaftsministerium, die wichtigste Maßnahme im Klimaschutzplan, die zweite sei die Nutzung erneuerbarer Energien und damit die Dekarbonisierung der Energieversorgung. Dies gehe nicht ohne Elektri­fizierung und die Senkung unseres Gesamtenergiebedarfs. Eine reine Addition heutiger Bedarfe aus den verschiedenen Sektoren könne nicht als Bedarf für die Zukunft postuliert werden. Aber, so Baake: Dekarbonisierung heißt nicht Deindustrialisierung. Dekarbonisierung ist eine Chance zur Modernisierung. Um diese Modernisierung für das ganze Land gut hinzubekommen und die Gesellschaft vor Investitionen in nicht zukunftsfähige Infrastruktur zu bewahren, sei ein Denken in Investitions­zyklen notwendig, welches das Bundeswirtschaftsministerium in allen Energiefragen­ betreibe.

Die SPD betont derzeit besonders stark die Chancen, welche die Energiewende für Deutschland bietet. So sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Hubertus Heil, im Rahmen einer Diskussion, die Energiewende sei eine wichtige Entwicklungschance für die Industrie und Transforma­tionen seien notwendig. Die Unternehmen müssten sich bewegen, denn wer zu spät komme, den bestrafe das Leben. Oberste Priorität für die SPD habe jedoch, dass die Weiterentwicklung der Energiewende auf keinen Fall zum Verlust von Industrie oder Industrie­arbeitsplätzen führen dürfe. Im Gegenteil sei es wichtig, beispielsweise bei der weiteren Entwicklung der Elektromobilität die Wertschöpfung in Deutschland zu halten und dann eben auch Batteriezellen hier zu produzieren, die bisher zum allergrößten Teil aus Asien kommen.

Diese Annahme der Herausforderungen, welche der Umbau eines ganzen Energiesystems bedeutet, war bei den anderen Parteien nicht so deutlich wahrnehmbar. Dass die Transformation kommt, bestreitet niemand mehr. Ob sie allerdings zu lenken und auch in ihrer Geschwindigkeit zu kontrollieren ist, darüber sind die Meinungen sehr unterschiedlich. Während der Wirtschaftsflügel der CDU fordert, kein einziger Arbeitsplatz in Deutschland dürfe durch die Energiewende verloren gehen und die Unternehmen müssten vor einem Übermaß an Klimaschutz geschützt werden, geht es den Grünen nicht schnell genug und die Linke fordert klare Daten für den Ausstieg aus der Kohle bei einer sozialen Abfederung des Strukturwandels.

Speicherung als Achillesverse

Innovationen sind notwendig – von der bisherigen Speicherung chemischer Energieträger wie Kohle und Gas hin zu einer direkten Speicherung von Energie oder hin zur Synthese chemischer Energieträger aus den erneuerbaren Energien. Speicherung werden wir immer brauchen, nur die Art des Speicherguts und seine Gewinnung ändern sich.

Energieeffizienz hat heute noch immer die geringsten Umsetzungserfolge verglichen mit der Entwicklung bei der Erzeugung und Speicherung von erneuerbarer Energie. Das liegt unter anderem vielleicht auch daran, dass wirkungsvolle Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz sehr wohl bekannt, jedoch meistens kleinteilig und langfristig orientiert sind und damit wenig für die politische Darstellung taugen.

Das gilt auch für die Sektorkopplung, die Verbindung von Strom- und Wärmesektor, in der noch sehr viele Möglichkeiten für mehr Effizienz und bessere Verwendung von heute überschüssigem Strom stecken. Genau diese Kopplung wird von der Politik bisher stiefmütterlich behandelt, obwohl die Experten schon seit Jahren fordern, hier klare Vorgaben und weniger Belastung durch Abgaben zu schaffen. So ist nach Aussage von Martin Grundmann, Geschäftsführer der Arge Netz, eines Energieversorgers in Schleswig-Holstein, die Kilowattstunde­ Wärme aus erneuerbaren Quellen aufgrund der zu entrichtenden Steuern und Abgaben etwa fünf- bis sechsmal so teuer wie die Kilowattstunde aus fossilen Quellen. Erst die gleichberechtigte Behandlung beider Energiequellen bei der Erzeugung von Strom und Wärme und eine Regulierung, welche die Speicherung von Strom oder Wärme nicht mit zusätzlichen Kosten belastet, würde eine erfolgreiche Sektorkopplung befördern.

Das Einsparen von Energie ist ein fortwährender Prozess mit kleinen Einsparungen, der meist bei rein auf die Rendite fokussierter Betrachtung wirtschaftlich ­wenig attraktiv ist. Gemessen an den heutigen Standards sind Energiesparmaßnahmen oft wirtschaftlich nicht zu rechtfertigen, sie machen höchstens im Kontext eines Gesamtpakets Sinn. Darüber hinaus lassen sich weitergehende Potenziale von Energiesparmaßnahmen häufig erst im Nachhinein überblicken. Genauere Verbrauchs- und Kostenabrechnungen, bessere Eingriffsmöglichkeiten in Prozesse oder organisatorische Veränderungen haben ja immer auch noch andere Vorteile als nur die Energieeffizienz.

Privatbereich als Wegbereiter

Was in der Industrie oft schwer oder gar nicht durchsetzbar ist, gewinnt im Privaten immer mehr an Bedeutung. Die effiziente Nutzung von Energie und ein zunehmendes Streben nach Autarkie bei der Energieversorgung haben in den letzten Jahren die Anfänge des Speichermarkts für Privathaushalte befördert. Sie sind oft Motivation für die Anschaffung von Batteriesystemen, die bei renditeorientierter Betrachtung nie gekauft werden würden.

Unter diesen Vorzeichen ist die Entwicklung von neuen, dezentralen Formen der Abrechnung von Leistungen sehr interessant für den direkten Austausch von Energie zwischen Haushalten oder anderen, dezentralen Erzeugern und Verbrauchern. Solche dezentral organisierten Transaktionen werden eine ganze Reihe neuer Geschäftsmodelle ermöglichen; erste Varianten sehren wird heute bereits als Energie-Communities im Energiemarkt agieren.

Digitalisierung und Bezahlsysteme

Digitalisierung ist einer der Begriffe, die heute in keiner Rede mit Zusammenhang zum Energiesystem fehlen darf. Manchmal erscheint es, als sei die Digitalisierung zumindest in den Augen von Politikern so etwas wie das Allheilmittel, mit dem alle Unzulänglichkeiten des heutigen Systems irgendwie ausgebügelt werden könnten. Oft sind es aber eben nur Schlagworte in den Reden, denn die eigentlichen Früchte von digitalisierten Geschäftsprozessen oder digitalisiertem Netzbetrieb sind nur mit langem Atem zu ernten. Ein wichtiges Element für die Digitalisierung des Energieversorgungssystems in Deutschland ist die Einführung sogenannter Smart Meter. Mit diesen Geräten können alle Energieströme, die über das Stromnetz in einen Haushalt hinein- oder hinausgehen, genau und zeitaufgelöst erfasst werden. Damit sind Smart Meter die Grundlage für die Nutzung von neuen Tarifen, für die oben genannten Energie-Communities oder für die Schaffung von virtuellen Kraftwerken aus vielen tausend kleinen Batterien. Sie eröffnen den Verbrauchern, aber auch den Energieerzeugern, viele Flexibilitätsoptionen, sodass das Tarifsystem beim Strom vielleicht einmal so variantenreich sein wird wie heute die ­Tarifmodelle in der Telekommunikation.

Auch der Netzbetrieb profitiert von der Digitalisierung; dadurch wird es möglich, unterschiedliche Energiequellen und -verbraucher auf der untersten möglichen Ebene zum Ausgleich zu bringen und die höheren Netzebenen möglichst wenig zu belasten. Dies verringert auch die Notwendigkeit des Netzausbaus. Allerdings ist eine gesamtheitliche Betrachtung von Energieerzeugern und -verbrauchern und des ­Netzes sehr schwierig, da jeder der Akteure­ nur seinen Bereich betrachtet und in seinen Kategorien denkt.

Neben der Energieeffizienz ist auch die zeitliche Verschiebung von Energiebedarf, heute Demand Side Management genannt, ein wichtiges Thema. Inzwischen gibt es ganz unterschiedliche Forschungs- und Pilot­aktivitäten, die sich mit der Frage beschäftigen, wie Industrieprozesse an fluktuierende Energieversorgung angepasst werden können und wie dies sogar in energieintensiven Branchen funktionieren könnte. Es gibt heute bereits erste Konzepte und wir werden in den nächsten Jahren hier sicher eine Vielzahl von Lösungen sehen.

Eine der wichtigsten technischen Neuentwicklungen für die Energieversorgung und auch für die Weiterentwicklung der Energiewende ist die sogenannte Blockchain-Technologie. Hierbei werden Transaktionen, wie beispielsweise die Lieferung von Strom, über eine rein elektronische Währung abgerechnet. Das elektronische Geld kann gegen physisches Geld eingetauscht und dann an andere Teilnehmer des Abrechnungssystems weitergegeben werden. Über Verschlüsselungsmechanismen wird sichergestellt, dass die elektronischen Brieftaschen vor Dieben sicher sind. Ein Beispiel einer elektronischen Währung ist Bitcoin. Hier wie auch bei den anderen virtuellen Währungen wird das Geld durch elektronische Schlüssel symbolisiert, mit welchen Überweisungen von sogenannten Token möglich sind, den kleinsten Werteinheiten des Systems. Die Sicherheit der Systeme ist heute noch nicht völlig ausgereift, allerdings gab es schon die ersten größeren Hackerangriffe auf solche Währungssysteme, durch welche die Weiterentwicklung der Sicherheitsmechanismen einen großen Schub bekam. Nach Ansicht von Experten werden solche elektronischen Währungen in unserem heutigen Energieversorgungssystem noch keinen großen Einfluss haben, da heute sehr vieles gesetzlich reguliert ist. Wenn diese Regulierung jedoch in Teil­bereichen gelockert wird, dann könnten sich in der Tat ganz neue, dezentrale Strukturen für die Lieferung und Abrechnung von Energie herausbilden.

Ob nun die Zukunft unseres Energiesystems eher zentral oder dezentral organisiert sein wird, ob wir Energie mehr an Börsen oder sozusagen direkt vom Erzeuger kaufen, ob sich große Strukturen wie in der herkömmlichen Energiewirtschaft durchsetzen oder zelluläre Gebilde, die sich weitgehend regional regeln und optimieren: Energieeffi­zienz, ein maßvoller und weitblickender Umgang mit jeder Form von Energie wird unverzichtbar sein, im eigenen Haushalt und in der Industrie, bei kleinen und bei großen Verbrauchern.

 

Titelbild: Quelle: EnBW

 

Bei der elektronischen Währung Bitcoin wechseln nicht mehr Banknoten oder Geldstücke den Besitzer, sondern es werden Währungseinheiten mit Hilfe von kryptographischen Schlüsseln zwischen Teilnehmern des Systems verschoben, sozusagen überwiesen (Quelle: Wikipedia, Matthäus Wander, CC BY-SA 3.0)

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