Vollautomatische Präzision für optimalen Zahnersatz

Medizintechnik 03. 02. 2016
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etkon baut mit Kern Micro Anlagen den Bereich Implantatversorgung aus

Mit insgesamt elf Präzisionsfräszentren vom Typ Kern Micro steigert die etkon GmbH die Präzision bei der Fertigung von implantat­getragenem Zahnersatz um den Faktor zehn und beschleunigt die Produktion deutlich. Das gelingt auch, weil Kern und etkon die ­Maschinen gemeinsam für die speziellen Anforderungen dieser Fertigung optimiert haben.

Wenn René Hamisch Besuchern erläutert, dass im etkon-Fräszentrum in Markkleeberg­ pro Jahr etwa 450 000 Einheiten für den Zahnersatz gefertigt werden, schiebt er sofort nach, dass es sich dabei um 450 000 Unikate handelt. Hergestellt werden sie laut dem Leiter des Fräszentrums hoch auto­­matisiert. Daher betreuen nur fünf Bediener die auf vier Etagen verteilten 89 Fräsmaschinen, die teilweise auch zum Schleifen eingesetzt werden.

Die 2005 in dem kleinen Nachbarort von Leipzig gegründete etkon-Niederlassung fertigt CAD/CAM-gestützt eine breite Palette von einfachen Einzelzahnversorgungen über Kronen bis hin zu vielteiligen Gerüsten­ für zahngetragenen oder implantatgetragenen Zahnersatz. Kunden sind Dentallabore, die Zahn- oder Gebissabdrücke scannen und mit einer Software von etkon oder anderen Anbietern den gewünschten Zahnersatz designen. Aus diesen Datensätzen erstellt der sächsische Produktionsbetrieb automatisch die Fräsdaten und produziert die gewünschten Teile.

Mit insgesamt elf neuen Kern Micro-Fräsmaschinen baut der Zahnersatzhersteller die eigenen Fähigkeiten im besonders zukunftsträchtigen Bereich des auf Implantaten aufsetzenden Zahnersatzes deutlich aus. Neben hoher Wirtschaftlichkeit und Oberflächenqualität ist hier eine Präzision im Mikrometerbereich wichtig. Denn als Halterungen im Mund des Patienten dienen beispielsweise mehrere vom Zahnmediziner eingesetzte Implantate. Auf ihnen werden etwa die bei etkon hergestellten Brückenkonstruktionen montiert, die als Träger des nach außen sichtbaren Zahnersatzes dienen. Die Befestigungspunkte dieser Brücken müssen exakt auf die vom Zahnarzt individuell im Patientenkiefer platzierten Implantate passen, damit der Zahnersatz sicher und schmerzfrei sitzt.

Hochgenaue Temperierung der Anlage

Die Kern Micro ist mit ihrer hohen Präzision für diese Aufgabe bestens geeignet. Das Fräszentrum gewährleistet eine Positionsstreubreite von +/- 0,5 µm bei den Linearachsen, von +/- 3,0  bei der Schwenk- und +/- 0,5  bei der Drehachse. Die Verfahr­geschwindigkeit liegt bei 30 m/min, die ­Beschleunigung bei 10 m/s2. Und diese Werte werden nicht nur am Beginn, sondern auch am Ende einer mitunter viele­ Stunden dauernden Bearbeitung eines Werkstücks erreicht.

Bernhard Uhr, stellvertretender Entwicklungsleiter bei Kern, erläutert, wie diese Eigenschaften erreicht werden: Die Basis dieser Leistungsfähigkeit liegt in konstruktiven Maßnahmen sowie in hohen Qualitäts- und Genauigkeitsanforderungen an die Komponentenlieferanten. Um innere und äußere Wärmeeinflüsse – und damit zwangsläufig einhergehende Ungenauigkeiten der Maschine – zu minimieren, kommt zudem ein ausgeklügeltes Temperaturmanagement zum Einsatz. So werden die Maschinenkomponenten mit einer Genauigkeit von ± 0,1 °C auf konstanter Temperatur gehalten.­

Doch die Präzision war nicht der einzige Grund für die Entscheidung zugunsten von Kern. Als etkon 2014 für den Kompetenz­ausbau im Implantatbereich die geeignete­ Technologie suchte, ließ René Hamisch nach einer Marktrecherche bei drei Fräsmaschinenherstellern Testteile fräsen und begutachtete Präzision und Performance der konkurrierenden Anlagen. Kern konnte nach Aussage von René Hamisch das Teil in der kürzesten Zeit mit der höchsten Genauig­keit und den besten Oberflächen fräsen.

Nicht nur Lieferant, sondern Partner

Bei den weiteren Verhandlungen habe sich Kern mit einer außerordentlichen Flexibilität und der Bereitschaft, Wünsche umzusetzen, hervorgetan, wie Hamisch betont. Barbara Bergmann, Gebietsverkaufsleiterin bei Kern, betont in diesem Zusammenhang, dass mit der Verwendung eines Baukastensystems, Maschinen einfach an spezielle Kundenanforderungen angepasst werden können. Darüber hinaus wurden für etkon weitere Individualisierungen vorgenommen.­

Unter anderem musste viel Energie in mechanische Anpassungen investiert werden. Die Kern Micro verfügt über einen inte­grierten Werkstückwechsler, mit dem 30 Paletten vollautomatisch in das Nullpunktspannsystem der Maschine eingewechselt und prozesssicher bearbeitet werden. Für die Lösung bei etkon kombinierte Kern ­jeweils zwei Maschinen mit einem externen Handlingroboter zu einer Fräszelle. Dieser versorgt beide Maschinen mit Rohlingen und leitet nach der Bearbeitung das fertige Teil wieder auftragsbezogen aus.

Spannsystem für Rohlinge maßgeschneidert

Die meiste Kreativität und Flexibilität erforderte die Entwicklung eines maßgeschneiderten Spannsystems, das die sogenannten Ronden stabil und vibrationsfrei hält und deren Zugänglichkeit für die Werkzeuge optimal gewährleistet. Ronden sind Roh­linge in Form dicker, kreisrunder Scheiben des Materials aus dem der Zahnersatz ­jeweils bestehen soll.

Nachdem Tests der am Markt verfügbaren Spanntechnik keine befriedigenden Ergebnisse gebracht hatten, begann Kern – mit Unterstützung von etkon – ein geeignetes System zu entwickeln. Von der Zusammenarbeit zeigt sich René Hamisch noch heute begeistert. Unter anderem musste die Kühlung an die neuen Werkstückhalterungen angepasst werden, um Kühlmittelschatten zu vermeiden. Der maximale Schwenkbereich wurde von den üblichen 15° auf 30° vergrößert, weil die Winkel, mit denen Zahnmediziner Implantate setzen, sehr stark variieren. Sogar an der Bearbeitungsachse mussten Änderungen vorgenommen werden.

Dagegen war die Änderung des Werkzeugmagazins vergleichsweise einfach: Denn um die ungewöhnlich langen Werkzeuge, die etkon benötigt, unterzubringen, waren bei der Standardeinrichtung des Werkzeug­kabinetts die Abstände der Werkzeug­ebenen zu gering. Daraus entstand ein Magazin mit nahezu 140 der speziellen etkon-Werkzeuge mit HSK 40-Aufnahmen.

Fräsprogramme werden automatisch erstellt

Eine weitere Anpassungsaufgabe bestand in der Anbindung der Maschinen an die Auftragsdatenbank von etkon, wodurch eine sogenannte Industrie-4.0-Lösung entstanden ist. Aus der Datenbank holt sich jede Maschine ihre Fräsaufträge, fräst anschließend jedes Werkstück individuell, trennt die Teile aus, übergibt sie an den Handling­roboter und meldet die Fertigstellung an die Datenbank zurück. Daher können stets der Status und die Daten jedes einzelnen Werkstücks abgerufen werden.

Die STL-Daten der Zahntechniklabore werden zuvor von einer speziellen Software ­automatisch in ein Fräsprogramm für das jeweilige Teil umgewandelt. Manuell erfolgt neben dem Beladen der Maschine lediglich das sogenannte Nesting, die Verteilung der einzelnen Fräsaufträge auf die scheibenförmigen Rohlinge, sodass diese optimal ausgenutzt werden. Die Ronden messen im Durchmesser etwa zehn Zentimeter und weisen Dicken im Zentimeter­bereich auf. Sie bestehen zum Beispiel aus Polymerwerkstoffen, Zirkonoxid, Kobalt-Chrom- oder Titanlegierungen.

Nach dem Fräsen leitet der Handlingroboter die fertigen Teile direkt zur Finalisierung und Endkontrolle an qualifizierte Zahntechniker weiter. So kann sehr schnell geliefert werden. Abgesehen von Teilen aus Zirkon, die noch gesintert werden müssen und den komplexen, verschraubten Brücken- und Stegkonstruktionen sagt etkon den Kunden zu: Bei Dateneingang bis zwölf Uhr erfolgt der Versand am folgenden Tag.

Nicht nur von der Präzision, sondern auch von der Maschinenzuverlässigkeit ist etkon­ nun schon seit Mitte 2014 überzeugt. Der Standort Markkleeberg ist das Leitwerk im Unternehmensverbund. Hier werden neue Technologien getestet, bevor sie in den anderen Werken eingeführt werden. Dementsprechend arbeiten inzwischen vier Kern Micro in der Hauptniederlassung, zwei weitere kommen in Kürze hinzu. Zwei Anlagen stehen im japanischen etkon-Fräszentrum, das in Kürze den Betrieb aufnimmt. Acht Fräsanlagen arbeiten am amerikanischen Standort in Texas und eine Maschine­ nutzt das etkon-Entwicklungszentrum in Gräfelfing nahe München.

Aufgrund der guten Partnerschaft soll die Zusammenarbeit in Zukunft noch weiter ausgebaut werden. So wird aktuell gemeinsam die Optimierung der Bearbeitung von Werkstücken aus Zirkonoxid auf Basis der Kern Micro betrieben.

 

Präzision für Implantate: Mit inzwischen elf Fräsmaschinen des Typs Kern Micro fertigt etkon mit höchster Genauigkeit Teile für Zahnersatz (Bild: etkon)

 

René Hamisch, Leiter des etkon-Fräszentrums in Markkleeberg: Wir brauchen nicht nur einen Lieferanten – wir brauchen einen Partner (Bild: etkon)

Kern Microtechnik GmbH

Die Kern Microtechnik GmbH, Eschenlohe, beschäftigt rund 150 Mitarbeiter und ist weltweit in mehr als 30 Ländern tätig. Zwei Geschäftsfelder stehen im Mittelpunkt: Die Entwicklung und Herstellung von höchstpräzisen Bearbeitungszentren und die Auftragsfertigung von Frästeilen im Mikro- und Nanobereich. Fräszentren von Kern werden unter anderem in der eigenen Serienauftragsfertigung eingesetzt. Daher ist der Maschinenbauer perfekt gerüstet, um nicht nur hochpräzise Maschinen herzustellen, sondern deren Anwender auch mit dem erforderlichen Prozess-Know-how zu begleiten. Kunden erfahren als Technologiepartner eine intensive Beratung in punkto optimaler Bedienung und Prozessintegration – von der Idee bis zum fertigen Teil. So gelingt es den Anwendern, ihre Wettbewerbsfähigkeit stufenweise zu steigern. Das Produktportfolio der Auftragsfertigung umfasst die Prototypen-, Einzelteil- und Serienfertigung ebenso wie die Baugruppenmontage und Unterstützung bei der Konstruktionserstellung. Bearbeitet werden die Teile durch Fräsen, Bohren, Erodieren und Schleifen.

 

Maßgeschneiderte Werkstückhalter: Um die Rohlinge, die sogenannten Ronden, optimal zu fixieren, entwickelten Kern und etkon gemeinsam spezielle Halterungen (Bild: etkon)

Werkzeuge vor dem Einsatz: Fast 140 dieser Fräswerkzeuge mit teilweise sehr langen Schäften kann das speziell angepasste Werkzeugmagazin der Kern Micro aufnehmen (Bild: etkon)

100-Prozent-Kontrolle: Jedes bei etkon gefertigte Teil wird vor dem Versand von Zahntechnikern geprüft (Bild: etkon)

Vollautomatische Fertigung: Aus Titan- oder Kobalt-Chrom-Legierungen werden die Bauteile ­gefrästBild: etkon

     

Hochkomplex und mit extremer Produktion vollautomatisch gefertigt: Jedes der 450 000 Teile, die etkon jährlich fertigt – hier verschraubte Stege zur Implantatversorgung aus Titan (linkes Bild) und Kobalt-Chrom (rechtes Bild) – ist ein Unikat (Bild: etkon)

Die etkon GmbH gehört zur börsennotierten schweizerischen Straumann-Gruppe, einem weltweit agierenden Unternehmen für dentale Implantologie, Zahnerhaltung sowie regenerative Zahnmedizin. Der Unternehmensteil in Markkleeberg stellt durch Fräsen und Schleifen verschiedenste Zahnersatzprodukte her. Unter den dortigen 65 Mitarbeiten sind fünf Bediener pro Schicht für 89 Fräsmaschinen und 26 Zahntechniker. Weitere Fertigungen betreibt etkon in Arlington, Texas, und in Japan.

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